Leipzig | Im juristischen Streit um Verbote von Sportwetten hat sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag mit der Werbung für staatlich organisierte Lotterien befasst. „Wir müssen schauen, ob der Staat das Ziel der Bekämpfung der Spielsucht nur vorgibt, aber eigentlich seine Einnahmen maximieren will“, sagte der Vorsitzende Richter des achten Senats, Klaus Rennert. „Liefert die Werbung für Sportwetten uns genügend Anhaltspunkte dafür, dass der Staat seinem Zweck, die Spielsucht zu bekämpfen, zuwider handelt und eigentlich finanzielle Ziele verfolgt“, fragte der Richter.

Der Senat verhandelt sechs Klagen, mit denen sich Unternehmer gegen Verbote wenden, die die Städte Nürnberg, München, Mönchengladbach und der Freistaat Bayern ausgesprochen hatten. Sie hatten untersagt, Sportwetten an Wettanbieter zu vermitteln, die nicht aus der Europäischen Union stammen und sich dabei auf das allgemeine Ordnungsrecht und seit 2008 auf den Glücksspielstaatsvertrag der Länder berufen. Danach kann das unerlaubte Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten verboten werden. Die Behörden führten jeweils zur Begründung an, dass die erforderliche inländische Erlaubnis fehle und wegen des staatlichen Monopols für Sportwetten auch nicht erteilt werden könne. Im September 2010 entschied der Europäische Gerichtshof, das Sportwettenmonopol sei mit der Dienstleistungsfreiheit nur vereinbar, wenn es systematisch zur Bekämpfung von Spielsucht beitrage.

Behörden: Werbung für staatliches Lotto soll Spieler von illegalen Angeboten abhalten

Der Vorsitzende Richter Rennert schätzte ein, Sportwetten könnten in gleicher Weise wie Automatenspiele zu Spielsucht führen. Die beklagten Kommunen und der Freistaat Bayern argumentierten, die Werbung für staatlich organisierte Sportwetten sei nötig, um Spieler von illegalen Angeboten zum legalen Glücksspiel zu holen und nannten dies die „Kanalisierungsaufgabe“ dieser Werbung. Die Einschätzung der Behörden, es handele sich um eine „abwehrende und defensive Werbung“, kritisierten die Anwälte der privaten Anbieter stark. Dieser Begriff sei eine „Irreführung und ein Widerspruch in sich“.

Die Werbung staatlicher Lotterien ziele nicht darauf ab, Kunden von illegalen zu legalen Angeboten zu ziehen, sondern darauf, neue Kunden zu gewinnen, führten sie weiter aus. Sie bestritten die Aussage der Behörden, die Werbung staatlicher Lotterien sei nur eine Reaktion auf Werbung von privaten Anbietern. Die Kommunen und Bayern hatten privaten Lottounternehmen vorgeworfen, zum Beispiel bei Fußballspielen verbotene Werbung zu betreiben und dabei Zwangsgelder in Kauf zu nehmen, weil der Werbeeffekt so groß sei. Die privaten Anbieter stellen außerdem generell infrage, ob Werbung für staatliches Lotto überhaupt nötig sei, weil es „jedem in Deutschland sowieso bekannt ist“.

Mit ihren Klagen gegen die Verbote hatten die Unternehmer spätestens vor dem Verwaltungsgerichtshof München und dem Oberverwaltungsgericht Münster Erfolg. Der achte Senat des Bundesverwaltungsgerichts will die Urteile am 16. Mai (14.00 Uhr) verkünden. Den Rest der mehr als 20 Klagen von Anbietern von Sportwetten, die das Gericht angenommen hat, wollen die Leipziger Richter im April und Mai verhandeln.

[infobox](Aktenzeichen: BVerwG 8 C 10.12, BVerwG 8 C 14.12, BVerwG 8 C 15.12, BVerwG 8 C 16.12, BVerwG 8 C 35.12 und BVerwG 8 C 41.12)

[/infobox]

Autor: Sven Eichstädt, dapd