Berlin | Viele Beschäftigte bekommen nicht den Mindestlohn für ihre Arbeit ausbezahlt, der ihnen gesetzlich zusteht. „2017 erhielten mindestens 1,3 Millionen Beschäftigte, denen der Mindestlohn eigentlich zugestanden hätte, in ihrer Haupttätigkeit weniger Geld“, sagte der Ökonom Markus Grabka zum Ergebnis einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), über welche die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochsausgaben) berichten. „Hinzu kamen rund eine halbe Million Beschäftigte, die in einer Nebentätigkeit weniger als den Mindestlohn erhielten.“

Insgesamt seien damit 1,8 Millionen Arbeitskräfte unterbezahlt. Die Berechnungen basieren auf Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) von 2017. In Deutschland gilt seit gut vier Jahren ein gesetzlicher Mindestlohn. In dem Zeitraum wurde der Stundensatz zweimal angehoben.

2017 lag er bei 8,84 Euro brutto pro Stunde, seit 2019 bei 9,19 Euro. Die Gefahr, zu schlecht bezahlt zu werden, ist besonders im Gastgewerbe hoch. Aber auch Firmen des Einzelhandels, des Reinigungsgewerbes und der Leiharbeit verweigern vielen Beschäftigten das gesetzliche Entgelt, so die DIW-Forscher.

Verbreitet ist das Phänomen eher in Ost- als in Westdeutschland. Leidtragende sind oft Frauen, Zuwanderer und junge Beschäftigte. Laut DIW nahm die Zahl derjenigen, denen der Mindestlohn verweigert wurde, im Vergleich zu den Vorjahren zu.

Das kann damit zusammenhängen, dass Ausnahmeregelungen wegfielen, Firmen die nötigen Verbesserungen aber nicht an ihr Personal weitergaben. Wohl auch deshalb nahmen die Einkommen der am schlechtesten entlohnten Arbeitnehmer 2017 durchschnittlich nicht zu. „Der Handlungsbedarf ist enorm, denn flächendeckende und intensive Kontrollen des Zolls, der die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren soll, gibt es mangels Personal bisher praktisch nicht“, sagte Studienautor Carsten Schröder. Neben der Verschärfung von Kontrollen sollten laut DIW-Autoren auch Anreize für die Arbeitgeber gesetzt werden, den Mindestlohn einzuhalten. Denkbar wäre eine „Fair Pay“-Plakette als Zertifikat für Arbeitgeber, die die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten nachvollziehbar dokumentieren.

Autor: dts