Köln | aktualisiert | Die Demonstration unter dem Motto „Taksim ist überall – Widerstand ist überall“ zu der die Alevitische Gemeinde Deutschlands aufgerufen hat, hat rund 33.000 Menschen rund um den Kölner Heumarkt zusammenkommen lassen. Der Veranstalter spricht von 100.000 Teilnehmern und hat wegen der großen Menschenmenge vorsichtshalber den Demonstrationszug durch die Kölner Innenstadt abgesagt. Eine klare Botschaft aus Köln ist, dass Erdogan und seine AKP Regierung abgelöst werden soll und die Demonstranten Neuwahlen fordern. Deutsche Politiker wie Gregor Gysi, Volker Beck oder Rolf Mützenich und viele mehr solidarisierten sich und forderten, wie auch eine Gruppe Brasilianer, Menschenrechte und Respekt ein. Der CDU Politiker Bosbach hatte die Teilnahme abgesagt. Polizeisprecher Gilles spricht von einem störungsfreien Verlauf der Großkundgebung.

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Westerwelle: Keine Lösung im Streit mit der Türkei

19:30 Uhr > Als in Köln die Großkundgebung lief, verhandelte Bundesaußenminister Westerwelle mit seinem türkischen Amtskollegen. Auch nach einem Gespräch von Bundesaußenminister Westerwelle mit seinem türkischen Amtskollegen Davutoglu ist der Streit zwischen beiden Regierungen noch nicht ausgeräumt. In einem Interview für das ARD-Hauptstadtstudio erklärte Westerwelle: „Die Spannungen kann man nicht leugnen. Wir sind alle bemüht, sie zu reduzieren und aus der Welt zu schaffen.“ Seine Begegnung mit Davutoglu bezeichnet er als „gut und konstruktiv“. Allerdings bestehe weiter Klärungsbedarf mit der türkischen Regierung: „Die Gespräche müssen noch weiter gehen. Wir sind mitten in diesen Verhandlungen.“
Westerwelle mahnte beide Seiten zur Zurückhaltung: „Es ist nicht nur im Interesse der Türkei, es ist auch in unserem Interesse, dass der Dialog fortgesetzt wird.“ Von den weiteren Beratungen hänge es ab, wie Deutschland am Montag bei den Beratungen der EU über die Fortsetzung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei votieren werde. Deutschland hatte am Donnerstag zusammen mit Holland ein Veto gegen die Aufnahme von Verhandlungen über ein neues Kapitel in den Beitrittsverhandlungen angekündigt.
Daraufhin war es zu heftigen Reaktionen aus der türkischen Regierung gekommen. Im Zuge der politischen Eskalation hatten am Freitag hatten sowohl Berlin als auch Ankara die Botschafter einbestellt.

19:20 Uhr > Die Kölner Polizei spricht von einem störungsfreien Verlauf der Großkundgebung. Ab 17 Uhr traten, so die Kölner Polizei, die Teilnehmer über die Deutzer Brücke den Heimweg an. Gegen 18 Uhr war die Kundgebung beendet.

Gregor Gysi fordert den Abzug der deutschen Patriot Raketen aus der Türkei

15:05 Uhr > Hüseyin Mat von der AABF erklärte, dass man überall aus Europa nach Köln gekommen sei, um gegen das faschistische Regime der AKP in der Türkei Flagge zu zeigen. Man werde aufrecht stehen bleiben, bis die AKP nicht mehr in der Türkei regiere. Gregor Gysi wurde mit Sprechchören „Hoch die internationale Solidarität“ empfangen. Gysi erläuterte, dass das Anliegen Größe habe, denn es gehe um Menschenrechte. 12.000 Verletzte und fünf Tote seien nicht einfach hinzunehmen. Wie Erdogan gegen Menschen im Gezi Park, die für Umweltbelange protestiert hätten, vorgegangen sei, zeige die Arroganz des Ministerpräsidenten der Türkei. Die Türkei brauche Frieden im Inneren und Äußeren, so Gysi. Die Bundesregierung, forderte Gysi auf, soll sofort die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten und der Polizei auszusetzen und kritisierte die Rüstungsexporte der Bundesrepublik. Zudem sollten sofort die deutschen Soldaten und Patriot-Raketen aus der Türkei zurückgezogen werden, so Gysi. Wenn eine Rakete abgefeuert würde, dann sei Deutschland Kriegspartei im Nahen Osten und Kriegspartei an der Seite von Erdogan, das ginge gar nicht. Wenn man über den EU Beitritt weiterrede, dann müsse man der Regierung Erdogan deutliche Grenzen setzen, bevor man ein neues Kapitel aufschließe. Gysi plädierte für eine strikte Trennung von Staat und Religion. Man müsse, so Gysi, Erdogan stoppen aus der Türkei einen religiösen Staat zu machen und echte Religionsfreiheit ermöglichen. Gysi ermunterte die Demonstranten nicht nachzugeben und rief: „Lassen Sie uns solidarisch bleiben, hoch die internationale Solidarität.“

Man bezeugte sich mit den Demonstranten in Brasilien gegenseitig Respekt. In Brasilien seien die Menschen auf die Straße gegangen, um für Meinungsfreiheit und Respekt und gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. Die Brasilianer riefen: „Überall ist Taksim, überall ist Sao Paulo“. Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, sieht die aktuellen Vorgänge in der Türkei als nicht kompatibel mit den Werten der europäischen Union und den Werten der Menschen in der Türkei und forderte die Regierung Erdogan zu einer 180 Grad Wende auf. Es müsse Schluss sein, so Beck, mit der Privilegisierung des Islam in der Türkei und mit Versuchen, alevitische Schülerinnen und Schüler in türkischen Schulen zu islamisieren. Man müsse auch in Deutschland aufpassen, so mahnte Beck, dass die aktuellen Ereignisse in der Türkei von deutschen Politikern dazu benutzt werde, die Tür für einen EU-Beitritt zuzuschlagen. Denn die Menschen, die gerade in der Türkei auf die Straße gingen, stritten für europäische Werte. Beck sagte aber auch deutlich, dass vor einem Beitritt die Türkei reformiert werden müsse. Beck kündigte an nächste Woche nach Istanbul reisen zu wollen, wenn dies möglich ist. Die Gewalt gehe nicht von den Menschen aus, die friedlich demonstrierten, sondern von Erdogan und der Polizei.

Über drei Minuten lang hielten die Menschen auf dem Kölner Heumarkt sich an den Händen, reckten diese in die Höhe und beteiligten sich so solidarisch mit der „Stehende Mann Protest“. Die Zahl der Teilnehmer, die die Veranstalter mit über 100.000 angeben, dürfte sich eher zwischen 30.000 und 40.000 einpendeln.

Demonstrationszug wegen zuvieler Teilnehmer abgesagt

13:57 Uhr > Aufgrund der großen Teilnehmerzahl, der Veranstalter spricht von 100 000 Menschen, wurde der Demonstrationszug durch die Kölner Innenstadt abgesagt. Die Polizei bestätigt die Absage des Demonstrationszuges. Die Veranstalter wollen im Bereich Heumarkt, Alter Markt und Roncalliplatz bleiben.

„Die Türkei ist Weltmeister im Verletzen von Menschenrechten“

13:09 Uhr > Die Kölner Polizei spricht von einer friedlichen Veranstaltung. Die Schätzungen der Menschen die derzeit auf dem Heumarkt sind, liegt bei rund 20.000. Der Weg der Demonstration wird sich etwas verlängern. So wird die Demonstration auch über den Hohenzollernring führen und dann am Rudolfplatz zurück zum Heumarkt führen. Gegen 14 Uhr sollte sich die Demonstration vom Heumarkt aus in Bewegung setzen. Dies wird sich aber etwas verzögern, denn nach dem ursprünglichen Zeitplan hat man jetzt schon eine Verzögerung von rund 20 Minuten.

Die Zahlen, die von der Bühne genannt werden, machen betroffen. Über 7.000 Verletzte, darunter 60 schwerverletzte Menschen habe es in den letzten Tagen und Wochen in der Türkei gegeben. Hunderte Menschen seien spurlos verschwunden. Ihnen galt auch eine Schweigeminute.

Serdar Akin von BDAJ (Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland e.V.) spricht Klartext, verglich die Situation in der Türkei mit dem Kampf der Geschwister Scholl gegen Hitler. Er forderte Neuwahlen in der Türkei und erntete dafür viel Applaus. Sicherheitskräfte die Gewalt angewandt hätten, sollten  zur Rechenschaft gezogen werden, so Serdar Akin, der den Demonstranten zurief: „Die Türkei ist Weltmeister im Verletzen von Menschenrechten“. Neben dem Rücktritt Erdogans sollen auch alle Gouverneure in den Provinzen der Türkei wo Gewalt angewandt wurde ihrer Ämter enthoben werden. Hinter ihm standen junge Menschen, die Handschellen oder Gasmasken trugen. Ihre T-Shirts zierten Anonymous Masken mit gekreuzten Schwertern.

Um 4 Uhr morgens auf den Weg nach Köln gemacht

11:30 Uhr > Die Demonstration unter dem Motto „Taksim ist überall – Widerstand ist überall“ zu der die Alevitische Gemeinde Deutschlands aufgerufen hat, hat auf dem Kölner Heumarkt mit einer Kundgebung begonnen. Der Heumarkt ist jetzt schon voll und immer noch werden Busse aus der gesamten Republik erwartet. Die Demonstranten rufen das Motto der Demo und haben selbstgemalte Schilder mit Aufschriften wie „Wir wollen keinen fundamentalistischen Staat in der Türkei“ dabei. Aktuell: Die Demonstration wird nicht durch die Kölner Innenstadt ziehen, sondern im Bereich Heumarkt bis gegen 16:30 Uhr verbleiben.

Um 4 Uhr morgens ist etwa ein Bus in Memmingen mit Mitgliedern des dortigen Alevitischen Kulturvereins gestartet. Ein junger Mann sagte ganz deutlich „Erdogan muss weg, ich will auch nicht mehr über ihn sprechen“. Die vom Veranstalter angekündigten 30.000 Teilnehmer sind realistisch. Zu den Teilnehmern werden in Kürze auch Volker Beck, Gregor Gysi und viele andere Politiker sprechen. Vor Ort auch der Kölner Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich und außenpolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion, der der Auffassung ist, dass man Erdogan an die demokratischen Prinzipien, wie sie die EU formuliere erinnern und messen müsse. Man solle, so der SPD Politiker, Erdogan keine Vorbedingungen stellen. Die Menschen aus dem Gysi Park hätten Gesprächsbereitschaft signalisiert, wenn jetzt die Gerichte in der Türkei einen Baustopp verhängen würden, dann wäre das, so Mützenich eine Möglichkeit um die Situation für Verhandlungen zu öffnen. Mützenich ist auch der Auffassung, dass europäische Politiker wie EU Parlamentspräsident Schulz sich für Vermittlung einsetzen würden. Allerdings müsste hier das Signal eindeutig von der Regierung in der Türkei kommen.

Lesen Sie hier auch
Ein Interview mit Volker Beck zum Thema >

Lesen Sie hier den Aufruf zur Demonstration >
Report-k.de berichtet über den weiteren Verlauf der Veranstaltung in Köln.

Autor: ag, dts