Ein Museumsbesuch für zu Hause

Köln | Durchaus selbstbewusst blickt der Dr. Eduard Plietzsch dem Betrachter auf dem Porträt von George Grosz entgegen. „Er war ein kenntnisreicher und erfahrener Kunsthistoriker, der sich auf die Niederlande beschränkt hat. Er war sehr versiert in seiner Beurteilung von Kunstwerken und er war genauso geistreich wie ironisch“, sagt Thesy Teplitzky mit Blick auf das 1929 entstandene Porträt. Dabei tat er den Kölnern nicht unbedingt einen Gefallen. Denn er erkannte, dass ein Gemälde, das Rembrandt zugeschrieben war, wohl gar nicht von im persönlich geschaffen worden war, „Das Rätsel um den Rembrandt ist aber noch nicht zu Ende. Während ich an meinem Buch gearbeitet habe, gab es dazu neue Erkenntnisse und ich musste den Text noch einmal umschreiben. Insgesamt geben aber auch diese Plietzsch recht.“

Teplitzky hat mit „Maler, Musen und Mäzene“ gerade im Greven-Verlag einen Bildband zu den Kölner Porträts vom Historismus bis zur Pop Art veröffentlicht. Zuvor hatte sich die Kölnerin bereits mit den Porträts vom späten Mittelalter bis zur Romantik auseinandergesetzt. „Seinen Ursprung hatte meine Arbeit aber in dem Buch ‚Geld, Kunst, Macht‘, in dem es um eine Kölner Familie zwischen dem Mittelalter und der Renaissance geht. Auch hier standen Stifter und Porträts schon im Mittelpunkt, die ein Stück Kölner Stadtgeschichte erzählen. Beim darauffolgenden Band ging es um die Stadt- genauso wie um die Reichsgeschichte, die ich anhand der Porträts erzähle. Jetzt steht vor allem die Museumsgeschichte im 20. Jahrhundert im Mittelpunkt.“

Seinen Ausgang nimmt die Reise durchs 20. Jahrhundert in einem Porträt der Königin Luise von Preußen, das von Gustav Richter 1879 geschaffen wurde. „Ich habe mit dem Historismus, der das 19. Jahrhundert bestimmt hat, begonnen, weil man nur so den radikalen Umbruch der Kunst im 20. Jahrhundert verstehen kann. Das Bildnis der Königen Luise ist eine Gegenposition zu dem, was später kommen wird. Das Porträt wurde damals mit einer großen Begeisterung von den Kölnern aufgenommen. Gestiftet hat es ein Kölner Mäzen. Damals gab es im gesamten Reich einen Luisenkult um die Nationalheldin.“

Die Art und Weise wie Thesy Teplitzky die Kunst aus Köln ihrem Leser näherbringt ist eine besondere, wie Verleger Damian van Melis betont: „Sie hat über Jahrzehnte Menschen durch die Kölner Museen geführt und hatte dabei Lust, immer möglichst nahe an die Leute heranzukommen. Die Kunstwerke gehören den Bürgern und ihm Buch erklärt eine Bürgerin anderen Bürgern die Porträts, die sie sehen. Das ist ein Museumsbesuch für zu Hause, bei dem durch die Texte die Museumsführerin immer dabei ist. Es geht um die Geschichten zum Bild, um der Entstehung, aber auch um die Storys, die dahinter stehen. So wird der menschliche Kontext der Kunst deutlich.“

„Die Auswahl der Werke war gar nicht schwer. Da hat sich ganz von selbst ein Bild an das andere gereiht. Als langjährige Museumsführerin kenne ich unsere Bestände in Köln sehr gut. So hatte ich immer ein Gemälde vor Augen, das als Anschluss gut passt“, berichtet Teplitzky. Wenn man sie nach den Kriterien für ein gutes Porträt fragt, kommt die Antwort prompt: „Die Aufgabe eines Porträts ist es, die Persönlichkeit so zu erfassen, das man sich direkt etwas vorstellen kann, auch wenn das eher negativ ist. Ein gutes Porträt erzählt von sich aus die Geschichte über die porträtierte Person. Das macht für mich auch die Qualität beim Plietzsch-Porträt aus.“

Wenn es um die Geschichten zum Kunstwerk geht, ist ein Porträt von Otto Dix ein gutes Beispiel. Er hat in dessen Auftrag den Düsseldorfer Arzt Dr. Hans Koch porträtiert und dabei durchaus eine herzliche Boshaftigkeit einfließen lassen. „Vielleicht auch weil er eifersüchtig war. Bei der Arbeit am Porträt hat Dix Kochs Frau Martha kennen und lieben gelernt. Sie folgte ihm nach Dresden, die beiden haben geheiratet und drei Kinder bekommen. Auch für den Arzt ging die Geschichte gut aus. Er hat nach der Trennung die Schwester seiner Ex-Frau geheiratet, die er schon immer geliebt hatte. So wurden Dix und er Schwager und auch lebenslange Freunde.“ Von Martha gibt es übrigens auch ein Dix-Porträt, allerdings deutlich liebevoller gestaltet, als das von ihrem Ex-Mann.

Was die Stifter angeht, zeigen alleine die Museumsnamen in Köln, wie wichtig diese für sie waren – vom Museum Ludwig, dem Wallraf-Richartz-Museum bis zum Rautenstrauch-Joest-Museum. „Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Rechtsanwalt Josef Haubrich eine wichtige Rolle gespielt. Er hatte seine ganze Sammlung über den Krieg gerettet und brachte mit seiner Stiftung die Moderne wieder zurück ins Museum. Auch die Sammlerin und Stifterin Lilly von Schnitzler konnte Gemälde über den Krieg retten. So war ein Beckmann bei ihr hinter dem Vorhang versteckt, wie eine Fotoaufnahme zeigt.“

Mit der Pop Art endet das Buch mit den aufwendig reproduzierten Kunstwerken des 20. Jahrhunderts aus Kölner Museen. Für Thesy Teplitzky endet damit auch die Geschichte des Porträts an sich: „Es hat keine Funktion mehr. Warhol hatte es noch einmal durch die Kombination von Malerei und Fotografie eine neue Methode für das Porträt gefunden. Aber auch die ist inzwischen überholt. Vielleicht hat das Selbstporträt als Reflexion des Malers über sich selbst noch eine Zukunft.“

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Thesy Teplitzky: Maler, Musen und Mäzene. Kölner Porträts vom Historismus bis zur Pop Art, Greven Verlag, 184 Seiten, 30 Euro

Autor: Von Stephan Eppinger