Köln | Unter dem Titel: „Gezeitenwechsel: ein globaler Atlantik“ wird am heutigen Abend John Kornblum im Rahmen der Otto Wolff-Lecture, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland und Experte für transatlantische Beziehungen, im Börsensaal der Industrie- und Handelskammer zu Köln sprechen. Initiator ist die Otto Wolff-Stiftung zusammen mit dem Amerika Haus NRW. Europa und die USA müssten den Atlantik als „Binnensee“ begreifen, so eine seiner Thesen.

Atlantik als „Binnensee“ begreifen

Grundthese der Lesung sei es, dass sowohl die USA als auch Europa ihre Beziehungen globaler machten, so John Kornblum am heutigen Vormittag im Vorfeld der Veranstaltung. Das herkömmliche Konzept der transatlantischen Beziehungen sei überholt, jedoch wüssten beide Seiten noch nicht ganz genau, wie sie mit den neuen Gegebenheiten in einer globalisierten Welt umgehen sollten. Wichtig sei, den Atlantik künftig als „Binnensee“ und nicht als trennenden Ozean anzusehen und dies sowohl in politischer wie wirtschaftlicher Beziehung. Als Basis dafür sieht er die gemeinsamen Werte und Normen.

„Wir müssen sehr eng zusammenarbeiten, damit dieses wunderbare Netz, das wir aufgebaut haben, nicht durch Kräfte zerstört wird, die gegen unsere gemeinsamen Werte sind.“, so Kornblum zu der Wichtigkeit der stärkeren Zusammenarbeit Europas und Amerikas. Die Geschichte habe gezeigt, dass die Werte der westlichen Welt sich als die tragfähigsten erwiesen hätten. „Dies heißt jedoch nicht, dass wir der restlichen Welt diese Werte aufzwingen sollen“, ergänzte Kornblum.  

Vor allem von Europa fordert Kornblum mehr Initiative in diese Richtung ein: „Europa schaut seit 1990 nur nach Innen, kaum nach Außen. Die Vereinigten Staaten tun dies zwar auch, jedoch sind sie gleichzeitig weltweit engagiert.“ Man müsse  endlich lernen, den transatlantischen Markt als einen einzigen Markt zu begreifen. Dafür müssten auch künftig gemeinsame Industriestandards gesetzt werden. „Warum muss etwa ein Scheinwerfer in Deutschland andere Normen erfüllen als in den USA?“ führte Kornblum an.

Deutschland wird eine zentrale Rolle zuteil

Allen anderen in Europa voran werde Deutschland eine wichtige Rolle bei diesem Prozess spielen: Zum einen als eine politische Größe, mit der man rechnen könne, zum anderen durch seine logistisch zentrale Lage auch im Hinblick auf die Erschließung der Ostmärke. „Jede große Logistikfirma stammt momentan aus Deutschland. Damit ist Deutschland künftig das logistische Zentrum Euroasiens.“, erläuterte Kornblum. Ein anhaltender wirtschaftlicher Erfolg sei jedoch nur zusammen mit dem „atlantischen Anker“ Amerika zu realisieren.

„Europa wird seinen Aufgaben in einer globalisierten Welt nicht gerecht“

Europa sei an einem Punkt angelangt, an dem die Römischen Verträge es nicht mehr weiterbrächten. Es sei nicht geglückt, Europa zu einer politischen Größe zu machen – weder innerhalb der eigenen Bevölkerung noch außenpolitisch.  Man müsse daher auf Pluralismus setzen.  „Man muss Vielfalt haben und nicht zwangsläufig ein Nationalstaat nach Vorbild des 19. Jahrhunderts werden.“, so Kornblums Appell an europäische Politiker, die immer noch zu sehr Angst vor Diversität hätten.  Europa in seiner derzeitigen Konstellation werde seinen Aufgaben, die eine globalisierte Welt an es stelle, nicht gerecht – weder finanzpolitisch, noch militärisch, noch außenpolitisch.

„Deutschland muss Europa transatlantisieren“

Auch die Bestrebungen Frankreichs innerhalb der Europäischen Union hin zu mehr Subventionen sieht Kornblum kritisch. „Europa muss weg von einer reinen Solidargemeinschaft hin zu einer Gesellschaft der Macher“, fordert Kornblum weiter. Deutschland sei mit seiner Politik bereits auf dem richtigen Weg, brauche aber Unterstützung. „Der einzige Ausweg Deutschlands aus seiner momentanen Lage ist es, Europa zu transatlantisieren.“, so Kornblum weiter. Die Entscheidung des Nobelpreiskomitees für die Europäische Union als Friedensnobelpreisträger begrüßte Kornblum. Jedoch werde diese Tatsache viele Politiker in Europa dazu bewegen, sich nicht zu ändern.

In der heute Abend stattfindenden Otto Wolff-Lecture wird  der erfahrene und langjährige Diplomat, Germanist und Politikwissenschaftler über einen Gezeitenwechsel in den transatlantischen Beziehungen sprechen. Nicht nur das Ende des Kalten Krieges, die Entwicklung neuer Machtzentren oder rasche technologische Entwicklungen, sondern eine weitreichende Neuordnung der globalen Gesellschaft stünden bevor. Gemeinsam lädt die Otto Wolff-Stiftung zusammen mit dem Amerika Haus NRW regelmäßig renommierte Persönlichkeiten aus den USA nach Köln ein, um aktuelle Themen der deutsch-amerikanischen Beziehungen zu behandeln.

Zur Person

John Kornblum ist einer der führenden amerikanischen Experten und überzeugter Transatlantiker. Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland von 1997-2001 schaut auf eine über dreißigjährige Karriere als Spitzendiplomat zurück. John Kornblum war u.a. Ständiger Vertreter der USA bei der OSZE und stellvertretender Außenminister. Seit 2008 ist er für die internationale Wirtschaftskanzlei Noerr tätig. Zu seinen Themenschwerpunkten zählen die deutsch-amerikanischen Beziehungen in Politik und Wirtschaft sowie die Lage Deutschlands in Europa und der Welt.

Autor: Daniel Deininger
Foto: John Kornblum