Berlin | Christian Rumpf, Experte für türkisches Recht, hält die deutsche Politik im Fall Deniz Yücel für hilflos. „Die Bundesregierung hat – völkerrechtlich – nichts in der Hand, was sie zugunsten von Yücel einsetzen könnte, obwohl Yücel auch den deutschen Pass hat“, sagte Rumpf der Funke-Mediengruppe. Yücel sei das lebendige Beispiel dafür, dass die doppelte Staatsbürgerschaft mehr Nachteile als Vorteile bringen könne.

Rumpf betonte aber auch: „Selbst wenn er nur Deutscher wäre, käme es allein darauf an, wo er die Tat begangen hat und ob die Tat irgendeine Auswirkung auf türkischem Boden hat.“ Die Forderung deutscher Politiker, Yücel umgehend freizulassen, hält das Vorstandsmitglied der Deutsch-türkischen Juristenvereinigung für wenig wirksam. „Das Problem ist, dass jede Regierung, und sei sie noch so diktatorisch, im Zweifel auf die angebliche Unabhängigkeit ihrer Justiz verweist.“

Von einer unabhängigen Rechtsprechung kann in Rumpfs Augen aber keine Rede mehr sein. „Derzeit sehe ich allenthalben Haftrichter am Werk, die zwar irgendeine juristische Fakultät mit Erfolg besucht haben, aber offenkundig keine Ahnung haben, was sie hier eigentlich tun. Hinzu kommt vielleicht auch noch die Angst um die eigene Karriere – eine Angst, die den türkischen Richtern ein völlig neues Erleben ist.“

Laut Rumpf hat die türkische Justiz „häufig Schwierigkeiten bei der richtigen Anwendung der einzelnen Straftatbestandsmerkmale“. Dennoch rechne er im Fall Yücel mit einem Freispruch. „Das Instrument der Einstellung des Verfahrens kommt, anders als in Deutschland, in der Türkei kaum zum Einsatz.“

Autor: dts