Ankara | Liveblog| Bei einem Staatsstreich durch Teile des Militärs sind in der Nacht und am Samstag Morgen in der Türkei mindestens 265 Menschen getötet worden. Die Regierung spricht davon, dass der Putsch mittlerweile vollständig niedergeschlagen wurde. Cem Özdemir befürchtet nun, dass die türkische Regierung den Umsturz für Säuberungen nutzen werde. Die türkische Regierung erwägt die Wiedereinführung der Todesstrafe.

[infobox]Hinweis für Türkei-Reisende ab Köln Bonn: Der Flughafen Köln Bonn räte allen Reisenden in die Türkei sich mit Ihrer Airline in Verbindung zu setzen. Der Flughafen meldet auf seiner Website, dass je 11 Flüge von den 27 Ab- und 28 Ankünften gestrichen seien. Am späten Freitagabend seien bereits vier Abflüge ausgefallen.

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Schüsse auch am türkischen Luftwaffenstützpunkts Incirlik

14:48 Uhr >Auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik, von dem aus sich die Bundeswehr-Tornados am Kampf gegen die Terrormiliz IS beteiligen, wurden vor dem Haupttor in der Putsch-Nacht Schüsse gehört. Das bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der „Bild am Sonntag“. „Über die Hintergründe haben wir keine Erkenntnisse“, so der Sprecher.

In der Nacht fiel zudem im Großraum Incirlik der Strom aus. Auch auf dem Militärstützpunkt gab es keine Stromversorgung mehr. Diese wird zur Zeit durch dieselbetriebene Notstromgeneratoren gewährleistet. Auf dem Stützpunkt sind 240 deutschen Soldaten stationiert.

Über 2.700 Richter nach Putschversuch in der Türkei suspendiert

14:47 Uhr > Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei sind über 2.700 Richter von ihrem Amt suspendiert worden. Das berichtete der Sender NTV am Samstag unter Berufung auf den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte. Auch fünf Mitglieder dieses Rats sowie Staatsanwälte in Ankara wurden von ihrem Dienst entbunden. Zudem wurden am Luftwaffenstützpunkt Diyarbakir im Südosten des Landes rund hundert Angehörige der Streitkräfte festgenommen.

Özdemir: Erdogan wird Putsch zu gründlichen Säuberungen nutzen

13:01 Uhr > Nach dem gescheiterten Putsch-Versuch fürchtet Grünen-Parteichef Cem Özdemir, dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Lage nun hemmungslos für seine Interessen ausnutzen werde. „Erdogan wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, nicht nur das Militär gründlich zu säubern und sein Projekt einer Verfassungsänderung mit dem Ziel der Alleinherrschaft endgültig zu realisieren. Auch die wenigen kritischen Medien und das zarte Pflänzchen der Zivilgesellschaft haben sicher nichts Gutes zu erwarten. Mit einer liberalen Demokratie im westlichen Sinn hat das, was sich in Ankara Demokratie nennt, sicher nicht viel zu tun“, sagte Cem Özdemir der „Welt am Sonntag“. Während eine demokratisch ausgerichtete Türkei sicher einen Platz in der EU habe, müsse man ehrlich sagen, dass es unter diesem Erdogan nichts werde mit der EU-Mitgliedschaft, sagte Özdemir weiter.

Putsch niedergeschlagen – Opferzahl steigt auf 265

Der versuchte Staatsstreich durch Teile des Militärs in der Türkei ist vollständig niedergeschlagen worden. Die letzten Aufständischen in Ankara hätten die Waffen niedergelegt, sagte der türkische Ministerpräsident Yildirim. „Unsere Militärkommandeure haben die Kontrolle“, so Yildirim weiter.

Die Zahl der Opfer stieg unterdessen auf 265. Fast dreitausend Militärangehörige wurden verhaftet, darunter zahlreiche hochrangige Offiziere. Unter den Opfern sind mindestens 104 Putschisten, zudem seien mindestens 161 regierungstreue Sicherheitskräfte und Zivilisten getötet worden. Als Reaktion auf den Umsturzversuch erwägt die türkische Regierung die Wiedereinführung der Todesstrafe.

Am späten Freitagabend hatten Teile des Militärs versucht, gegen die demokratische Ordnung des Landes zu putschen. Sowohl das Parlamentsgebäude als auch der Regierungspalast in Ankara wurden aus der Luft bombardiert. Auch in Istanbul war es zu schweren Zusammenstößen gekommen.

Bis zuletzt hatten Aufständische sich im Armeehauptquartier Gefechte mit Regierungstruppen geliefert.

Mindestens 194 Tote

11:09 Uhr > Die Zahl der Opfer bei einem gescheiterten Umsturzversuch durch Teile des Militärs in der Türkei ist auf 194 gestiegen. Das sagte der kommissarische türkische Militärchef Dündar. Darunter seien 47 Zivilisten und 104 Putschisten.

Mindestens 1200 Menschen seien verletzt worden. Mehr als 1500 Militärangehörige sind unterdessen landesweit verhaftet worden. Dündar kündigte harte Strafen für Anhänger des Umsturzversuches an.

Unterdessen sind die Kämpfe in Istanbul abgeflaut, rings um das Armeehauptquartier in Ankara werde jedoch noch gekämpft. Der türkische Präsident Erdogan, der sich an einem sicheren Ort aufhalten soll, kündigte unterdessen eine umfassende Säuberung des Militärapparates an: „Wir haben mit der Operation begonnen, das Militär vollständig zu säubern. Und wir werden diese Operation weiterführen“, so Erdogan.

Noch am Dienstag soll in Berlin der Krisenstab der Bundesregierung zusammentreten.

Türkei: Brok ruft zur Rückkehr zu verfassungsrechtlicher Ordnung auf

Der Vorsitzendes des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok (CDU), ruft Militär und Politik in der Türkei dazu auf, die demokratischen Ordnung im Land wieder rasch zu etablieren. „Die Türkei muss schleunigst zur verfassungsrechtlichen Ordnung zurückkehren“, sagte er in einem Gespräch mit der „Welt“. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan müsse dafür aber auch von seinem autokratischen Kurs abweichen.

„Das würde für das Militär wie auch für Erdogan gelten“, sagte Brok. Erdogan nehme „als Staatspräsident eine Rolle ein, die ihm der Verfassung nach nicht zusteht“. In der Nacht zum Samstag hatte ein Putsch von Teilen des Militärs das Land erschüttert.

Brok erwartet, dass Erdogan den Putschversuch nutzen wird, um seine Position weiter zu stärken. „Erdogan wird versuchen, seine Machtposition auszuweiten“, sagte Brok und warnte: „Die Folge könnte ein dramatische Teilung der Gesellschaft sein. Die Türkei ist immerhin ein Vielvölkerstaat.“ Die Türkei müssen in jedem Fall weiterhin ihre zentrale Rolle im Nato-Bündnis behalten.

Steinmeier verurteilt Putschversuch in der Türkei

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat den versuchten Umsturz von Teilen des türkischen Militärs scharf verurteilt. „Alle Versuche, die demokratische Grundordnung der Türkei mit Gewalt zu verändern, verurteile ich auf das Schärfste“, so Steinmeier am Morgen in einem Statement. Er rief alle Beteiligten dazu auf, „die demokratischen Institutionen der Türkei zu respektieren und die verfassungsmäßige Ordnung zu achten“.

Alle Verantwortlichen müssten sich an die demokratischen und rechtsstaatlichen Spielregeln halten und weiteres Blutvergießen verhindern. „Es ist ermutigend, dass sich die im türkischen Parlament vertretenen Parteien zu den demokratischen Prinzipien bekannt haben.“

Gescheiterter Staatsstreich in der Türkei: Mindestens 60 Tote

11:08 Uhr > Die Lage ist nach Angaben der Regierung wieder unter Kontrolle. In Ankara und Istanbul spielten sich teils dramatische Szenen ab: Putschende Soldaten übernahmen die Kontrolle über TV-Stationen, Panzer blockierten wichtige Bosporus-Brücken, außerdem überflogen Militärjets und Kampfhubschrauber die Städte. Das Parlamentsgebäude und der Regierungspalast in Ankara wurden wiederholt beschossen und verwüstet. In der Nacht traf Präsident Recep Erdogan in Ankara ein und rief zum Widerstand auf. Daraufhin strömten tausende Anhänger auf Straßen und widersetzten sich den Putschisten.

Mittlerweile ist die Lage nach Regierungsangaben weitgehend unter Kontrolle. 754 Militärangehörige seien festgenommen worden. Dennoch gibt es noch immer anhaltende Gefechte.

Das Auswärtige Amt forderte Türkei-Reisende auf, bei unklarer Sicherheitslage im Hotel zu bleiben.

Türkische Regierung erklärt Militärputsch für beendet

2:30 Uhr > Wenige Stunden nach Beginn eines Militärputschs in der Türkei ist dieser aus Regierungskreisen für beendet erklärt worden. Auf Fernsehbildern waren Soldaten zu sehen, die von anderen Sicherheitskräften abgeführt wurden. Ein hochrangiger General, der von Putschisten festgenommen worden war, sei angeblich wieder freigelassen worden. Die Situation in der Türkei ist sehr unübersichtlich.

Auch vom Flughafen in Istanbul sollen Militärs abgerückt sein. Der staatliche Fernsehsender TRT, der zwischenzeitlich besetzt und abgeschaltet worden war, nahm den Sendebetrieb in der Nacht wieder auf. Ein Sprecher des Geheimdienstes sagte dem Privatsender CNN Türk, der Putsch sei abgewendet worden, ebenso äußerte sich der türkische Ministerpräsident.

Die Lage sei wieder weitestgehend unter Kontrolle. Dennoch blieb die Lage in der Nacht unübersichtlich. Auf weiteren Fernsehbildern waren Demonstranten zu sehen, die Militärs gegenüberstanden, welche ihrerseits in die Luft schossen.

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Putsch in der Türkei: Schüsse in Ankara – Erdogan an unbekanntem Ort

2:00 Uhr >Nach Anlaufen eines Putschversuchs in der Türkei herrschte in dem Land in der Nacht auf Samstag eine unübersichtliche Situation. Aus dem türkischen Militär hieß es, dass die Macht übernommen worden sei, wobei zunächst unklar war, welche Teile des Militärs beteiligt waren. Der türkische Staatspräsident Erdogan gab am Abend eine improvisierte Pressekonferenz an einem unbekannten Ort, in dem er den Putsch als einen Versuch einer Minderheit innerhalb der Armee bezeichnete, der bald niedergeschlagen sei.

Gleichzeitig rief er die Menschen auf, auf die Straße zu gehen. Er selbst wollte baldmöglichst nach Ankara kommen. Die Putschisten hatten zuvor über den besetzten Staatssender TRT eine Erklärung vorgelesen, wonach unter anderem eine Ausgangssperre gelte, kurz bevor der Sender den Betrieb einstellte.

In Ankara und Istanbul waren am Abend Menschen auf den Straßen zu sehen, wobei die Gesinnung teilweise unklar war. Manche Menschen jubelten oder schwenkten türkische Flaggen, andere sollen mit Fäusten auf Panzer geklopft haben. In Ankara sollen Panzer des Militärs auf das Parlamentsgebäude geschossen haben.

Auch Maschinengewehrschüsse waren zu hören, Berichte über Verletzte gab es jedoch zunächst nicht. Angeblich soll es sich dabei um Gefechte zwischen Militärs und Polizei gehandelt haben. In Istanbul sollen Militärs in die Menschenmenge geschossen haben.

Von dort waren Fernsehbilder zu sehen, auf denen offensichtlich verletzte Personen weggetragen wurden. Von zahlreichen Moscheen aus waren in der Nacht zum Samstag Muezzinrufe zum Gebet zu hören, was um diese Uhrzeit normalerweise nicht vorgesehen ist. Internetnutzer berichteten davon, das manche Seiten wie Facebook und Twitter beispielsweise aus Istanbul nicht zu erreichen waren. In kurdischen Städten war es laut Zeugenberichten am Freitagabend ruhig. Unklar war zunächst, wer genau hinter dem Putschversuch steht. Der türkisch-deutsche Journalist Deniz Yücel schrieb auf Twitter, dass es sich um einen Putsch einer Gruppe von Offizieren aus Luftwaffe und Gendarmerie handele, aber nicht des Heeres. Es sei offenbar nicht ein Putsch des Generalstabs, sondern von unteren Diensträngen.

Dazu passte auch die Meldung, dass hochrangige Militärs in Ankara festgesetzt worden seien. Aus Regierungskreisen wurden Spekulationen gestreut, wonach die Putschisten innerhalb des Militärs angeblich der sogenannten Gülen-Bewegung naheständen. Dabei handelt es sich um eine religiöse Bewegung, die vom türkischen islamischen Prediger Fethullah Gülen geführt wird, der aber seit Jahren im Exil in den USA lebt. Eine Bestätigung dafür gab es nicht.

Autor: dts | Foto: yakub88/shutterstock