Kiew | aktualisiert 17:50 Uhr | Die Ukraine hat Deutschland mit Sanktionen im Falle eines möglichen Boykotts der Fußball-Europameisterschaft gedroht. Unterdessen reiset heute der Chef der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, erneut in die Ukraine, um die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko im Krankenhaus zu untersuchen. Aktualisiert: Timoschenko soll nun im Beisein deutscher Ärzte in der Ukraine behandelt werden.

17:50 Uhr > Deutsche Ärzte sollen Timoschenko in ihrer Heimat behandeln

Die in Haft erkrankte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko hat einer Behandlung im Beisein deutscher Ärzte in der Ukraine zugestimmt. Wie Charité-Chef Karl Max Einhäupl heute erklärte, habe Timoschenko auf Anraten der Mediziner einer Therapie zugestimmt. Sie soll nun am kommenden Dienstag in das Eisenbahner-Krankenhaus in Charkow verlegt zu werden. Dort wird die frühere Regierungschefin von einem Arzt der Berliner Charité und einem ukrainischen Kollegen behandelt. Einhäupl wertete den jüngsten Vorstoß als „ein gemeinsamer Schritt“, um der Lösung des Problems näher zu kommen. Der Arzt hatte vor gut einer Woche zusammen mit Kollegen der Charité das Krankenhaus inspiziert.

Gleichzeitig beraten deutsche Diplomaten mit Timoschenko über eine Möglichkeit, den Konflikt um ihre Person auch jenseits medizinischer Fragen zu lösen, erklärte Außenminister Guido Westerwelle bei den Vereinten Nationen in New York. Zudem sei man diesbezüglich auch in Gesprächen mit der ukrainischen Regierung. Westerwelle betonte außerdem, dass eine abschließende und umfassende Behandlung Timoschenkos in ihrer Heimat allerdings nicht möglich sein werde. „Aber das, was jetzt in der Ukraine mit deutschen Ärzten und deutschen Diplomaten aus meinem Hause getan werden kann, das werden wir auch tun“, so der Außenminister. Timoschenko leidet unter einem Bandscheibenvorfall und befindet sich seit rund zwei Wochen im Hungerstreik. Ihr Zustand sei nach Angaben Timoschenkos Tochter Jewgenija „besorgniserregend“.

Deutsche Wirtschaft über Ukraine-Streit besorgt

Die deutsche Wirtschaft ist besorgt über die Zuspitzung im Streit mit der Ukraine über den Umgang der Regierung mit der kranken und inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko. „Eine Eskalation der politischen Spannungen könnte die dynamische Handelsentwicklung bremsen und würde beide Länder treffen“, warnte der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Volker Treier in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstagausgabe). Der industrienahe Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft appellierte an die Regierung in Kiew, Timoschenkos Haftbedingungen zu verbessern und sie zur gesundheitlichen Betreuung gegebenenfalls nach Deutschland ausreisen zu lassen.

„Die Ukraine selbst sollte ein Interesse am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen haben und die guten Beziehungen nicht aufs Spiel setzen“, sagte Geschäftsführer Rainer Lindner. Deutsche Unternehmen in der Ukraine bewerten die wirtschaftliche Lage laut einer unveröffentlichten Umfrage der Außenhandelskammer bei einem Handelsaustausch von 7,2 Milliarden Euro eher positiv. Größte Investitionshemmnisse seien Bürokratie, Korruption und fehlende Rechtssicherheit. Die Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Kiew, Karin Rau, sagte, dass die Chancen für Betriebe in der Ukraine unverkennbar seien. Nur müsse mehr für die Verbesserung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen getan werden. „Vertrauen, Verlässlichkeit und Transparenz in den Spielregeln sind angebracht, um neue Investoren ins Land zu bringen“, so Rau.

14:21 Uhr > Ukraine droht Deutschland bei EM-Boykott mit Sanktionen

„Mir scheint, dass der Fall Timoschenko für einige Politiker im Westen einen sehr persönlichen Charakter trägt“, sagte der für Außenpolitik zuständige Vize-Präsident der ukrainischen Regierungspartei, Leonid Koschara, gegenüber „Spiegel Online“. Sollte das momentan stillliegende EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine durch die gegenwärtigen Konflikte scheitern, sei mit wirtschaftlichen Konsequenzen zu rechnen. „Ohne Abkommen wird der deutsche Zugang zum ukrainischen Markt begrenzt sein“, so Koschara. „Deutsche Hersteller werden verlieren.“ Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte zuvor, dass dieses nicht ratifiziert werden könne, wenn es in der Ukraine keine Rechtsstaatlichkeit gebe.

Charité-Chef erneut zur Untersuchung Timoschenkos in der Ukraine

Der Chef der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, ist erneut in die Ukraine gereist, um die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko im Krankenhaus zu untersuchen. Die Gefängnisleitung bereitet sich offenbar darauf vor, die seit zwei Wochen im Hungerstreik befindliche Timoschenko zwangszuernähren, berichtet die ukrainische Zeitung „Segodna“. „Wir kennen den offiziellen Beginn ihres Hungerstreiks und werden, wenn es nötig wird, eingreifen. Sobald wir die Anweisung dazu bekommen, werden wir mit der Zwangsernährung beginnen“, sagte ein Gefängnismitarbeiter. Der Gesundheitszustand der Politikerin soll sich weiter verschlechtert haben. „Sie ist viel schwächer, als sie noch vor ein paar Tagen war“, sagte Timoschenkos Tochter Jewgenija dem ZDF. Zu einem Ende des Hungerstreiks habe sich ihre Mutter nicht überreden lassen.

Autor: dts