Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Russische Lobbyisten haben jetzt Hausverbot im EU-Parlament. Die Gegenoffensiven der Ukraine in der Oblast Cherson lenken den Fokus auf diese Region. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.

Ukrainische Oblast Cherson rückt in den Fokus der Militärstrategen

20:30 Uhr > Die ukrainischen Streitkräfte führen in der Oblast Cherson eine Gegenoffensive durch. Dies lenkt die Aufmerksamkeit der russischen Streitkräfte in diese Region und sie versuchen ihre bedrohte lebenswichtige Bodenverbindungslinie (GLOC) zu sichern. Die ukrainischen Streitkräfte führten eine Reihe von organisierten Gegenangriffen auf Siedlungen am Ostufer des Flusses Ihulets durch, die sich in unmittelbarer Nähe einer wichtigen Fernstraße befinden, die die russischen Streitkräfte weiter nördlich versorgt. Die Russen haben daraufhin die Brücken zerstört, die die Ukrainer bei einem dieser Gegenangriffe benutzt hatten, sowie weitere Brücken über den Fluss, um ihre Linie gegen die erwarteten weiteren ukrainischen Gegenangriffe zu halten. Die ukrainischen Streitkräfte sind wahrscheinlich immer noch nahe genug an der Autobahn, um deren Nutzung als Hauptversorgungsroute zu unterbrechen. Dies spricht nicht für die Fähigkeiten der russischen Einheiten sich gegen ukrainische Gegenoffensiven aus Norden zu wehren.

Auch pro-russische Militärblogger blicken mit Sorge auf die ukrainischen Gegenangriffe, die diese als gefährlich für die russischen Streitkräfte einschätzen. Sie behaupten, dass es in den Regionen in denen die ukrainischen Kämpfer angreifen zu wenige russische Einheiten gebe. Die russischen Militärbeobachter, die bloggen, werfen der russischen Militärführung vor zu viel Priorität dem Donbass einzuräumen. Im Gebiet von Luhansk scheinen die russischen Streitkräfte mit vermehrter Partisanentätigkeit zu rechnen und haben dort ein BTG stationiert.

Die russischen Streitkräfte versuchen mit ihren Bombardements und Artillerieangriffen die wirtschaftlichen Fähigkeiten der angegriffenen Gebiete im Donbass zu schwächen. Als Beispiel kann der Angriff auf die Düngemittelproduktion „Azot“ in Sjewjerodonezk gewertet werden.

Die russischen Streitkräfte sind Berichten zufolge nördlich von Slowjansk schrittweise vorgerückt, konnten aber wahrscheinlich noch nicht die Kontrolle über die Straße nach Slowjansk übernehmen. Die russischen Streitkräfte versuchen, von Süden und Westen her auf Lyssjansk vorzudringen, um zu vermeiden, dass sie von Sjewjerodonezk aus den Fluss Siverskij Donez überqueren müssen, haben aber bisher nur begrenzten Erfolg. Nördlich von Awdijiwka konnten die russischen Truppen schrittweise Fortschritte erzielen. Russische Truppen zerstörten Berichten zufolge die von den Ukrainern gebauten Brücken über den Fluss Inhulets in der Nähe von Davydiv Brid als Reaktion auf den ukrainischen Druck zur Gegenoffensive in der Oblast Cherson.


Große Ost-West-Unterschiede bei Bewertung der Ukraine-Politik

Die Deutschen sind in der Frage, welchen Kurs die Bundesregierung in der militärischen Unterstützung der Ukraine fahren sollte, geteilter Meinung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Infratest für den ARD-„Deutschlandtrend“. Jeder Zweite (50 Prozent) vertritt demnach die Haltung, Deutschland solle dabei entschlossen agieren und Härte gegenüber Russland zeigen (-2 im Vergleich zu Ende April).

43 Prozent indes sagen, die Bundesregierung sollte eher zurückhaltend sein, um Russland nicht zu provozieren (+3). Während die Mehrheit der Anhänger von Grünen (74 Prozent), FDP (60 Prozent) und Union (59 Prozent) ein entschlossenes Auftreten Deutschlands unterstützen und in den AfD-Reihen ein zurückhaltendes Agieren (71 Prozent) favorisiert wird, sind die Anhänger der SPD in dieser Frage gespalten. Darüber hinaus bestehen massive Unterschiede zwischen West und Ost.

Bei Entscheidungen über militärische Hilfen an die Ukraine halten zwar 53 Prozent der Westdeutschen Härte gegenüber Russland für angebracht, im Osten sind es jedoch lediglich 35 Prozent. Für Zurückhaltung hingegen plädieren im Westen 40 Prozent, unter Ostdeutschen sind es 58 Prozent. Die bestehende Unterstützung der Ukraine mit Waffen halten vier von zehn Befragten (42 Prozent) für angemessen (+7).

29 Prozent geht sie nicht weit genug (-2), knapp jedem Vierten (23 Prozent) geht sie zu weit (-4). Am Mittwoch, dem letzten Tag der Befragung, hatte die Bundesregierung weitere Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt. Die deutschen Sanktionsmaßnahmen gegen Russland halten 37 Prozent für angemessen (+3).

Einer relativen Mehrheit von 41 Prozent gehen sie nicht weit genug (-4). Für 15 Prozent gehen sie zu weit (+1). Die diplomatischen Anstrengungen Deutschlands zur Beilegung des Krieges halten 43 Prozent für angemessen (+2); fast ebenso vielen Befragten gehen sie allerdings nicht weit genug (-1).

Für 8 Prozent gehen sie zu weit (+2). Für die Erhebung wurden vom 30. Mai bis 1. Juni 1.337 Personen befragt.


Fachleute zweifeln an Wirksamkeit des EU-Ölembargos

Das sechste Sanktionspaket der Europäischen Union gegen Russland könnte Moskau noch weniger wehtun als gedacht. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Während der Transport russischen Öls durch Leitungen nach Westen ohnehin erlaubt bleiben soll, gibt es demnach nun auch Zweifel, ob der von der EU ins Visier genommene Abtransport per Schiff mit den angekündigten Sanktionen wirksam unterbunden werden kann.

Im Detail geht es um das sogenannte Rückversicherungsverbot, was verhindern soll, dass russisches Öl per Tanker nach China, Indien und andere Länder gebracht wird. Fachleute äußerten gegenüber der FAZ den Verdacht, dass Russland das Rückversicherungsverbot relativ einfach umgehen kann und in einem halben Jahr, wenn die Sanktionen greifen sollen, den Rohstoff problemlos wird abtransportieren können. Die westlichen Versicherungsmärkte würden die Sanktionen konsequent umsetzen, sagte Jan Blumenthal, Deutschlandchef des Versicherungsmarkts Lloyd`s.

Was man aber nicht verhindern könne: „Wenn andere politische Systeme einen anderen Willen haben und es Rückversicherer von dort nicht allein schultern könnten, können sie über staatliche Deckungen unterstützt werden. Es lassen sich also Wege finden, um die Sanktion zu umgehen.“ Die EU hatte auf Druck von Griechenland und Zypern die Hürden für den Handel mit Öl abgeschwächt.

Skeptisch zeigte sich deswegen auch Jan-Oliver Thofern, Leiter des deutschen Rückversicherungsgeschäfts des internationalen Maklers Aon. Bislang sei nur von Rückversicherern die Rede, das Verbot müsse aber auch für Erstversicherer gelten. „Die Folgen sind noch nicht abschätzbar“, sagte er der FAZ. Die EU-Sanktionen könnten zudem noch auf einem anderen Weg umgangen werden: Wenn russisches Öl mit einer größeren Menge anderen Öls vermischt wird, muss Russland als Herkunftsland nicht mehr angegeben werden.

Der Iran hat so die Sanktionen gegen seine Ölexporte umgangen. Russisches Öl wird meist zu griechischen Häfen gebracht, wo es schon heute teilweise vermischt und auf dem Wasser zwischen verschiedenen Tankern für den weiteren Export verladen wird. Zur Frage, ob solche Transporte unter veränderten Versicherungsbedingungen künftig noch möglich sind, wollte der griechische Branchenverband keine Stellung nehmen.

Ein Sprecher des griechischen Außenministeriums teilte auf Anfrage aber grundsätzlich mit: „Die Russen werden immer Wege finden, ihr Öl außerhalb der EU zu verkaufen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns mit den Sanktionen nicht mehr selbst schaden als Russland.“


EU-Parlament beschließt Hausverbot für russische Lobbyisten

Russische Lobbyisten sollen künftig keinen freien Zugang mehr zu Gebäuden des EU-Parlaments haben. Das berichtet das „Handelsblatt“ (Freitagsausgabe) unter Berufung auf Parlamentskreise. Demnach hat die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola am Donnerstag einen entsprechenden Beschluss im Einklang mit den Fraktionsvorsitzenden gefasst.

Interessenvertreter aller Firmen mit Sitz in Russland, die im EU-Transparenzregister von Parlament, Rat und Kommission gelistet sind, sowie alle Lobbyisten von Unternehmen, die sanktioniert sind, sollen keinen Zugang mehr zum EU-Parlament haben.


Lambrecht verteidigt Regierungskurs bei Waffenlieferungen

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) verteidigt die Strategie der Regierung bei Waffenlieferungen an die Ukraine. „Solche Entscheidungen werden immer mit unseren Verbündeten eng abgestimmt“, sagte sie am Donnerstag im Deutschlandfunk. Es werde „keine deutschen Alleingänge geben“.

Die Bundesrepublik unterstütze beispielsweise die Ukraine jetzt zusammen mit den Niederlanden durch Panzerhaubitzen. „Das ist unser Weg“, so Lambrecht. Als wichtige Absprache-Mechanismen hob die Ministerin das Ramstein-Format hervor, sowie Absprachen in der EU und mit den Verbündeten.

Die Kritik, dass Deutschland durch seine zögerliche Haltung in Bezug auf Waffenlieferungen einen Ansehensverlust in der Ukraine erleide, wies die SPD-Politikerin zurück. „Ich teile diese Einschätzung nicht, sondern da, wo ich in internationalen Zusammenhängen mit Kollegen, aber auch mit anderen Politikern spreche, bekomme ich große Zustimmung für die Unterstützung, die aus Deutschland kommt, zum Beispiel von meinem ukrainischen Verteidigungsministerkollegen“, so Lambrecht. Mit diesem stehe sie im regelmäßigen Austausch.


BASF warnt vor „Lagerbildung“ in der Welt

BASF-Chef Martin Brudermüller warnt vor einer Abschottung des Westens von China. „Wenn wir uns komplett in Blöcken autark machen, haben wir getrennte Welten, und das wäre fatal“, sagte er dem „Spiegel“. Man habe Zukunftsaufgaben wie den Klimaschutz, die nur global gelöst werden können.

Ausdrücklich warnte der BASF-Chef vor einer „Lagerbildung in der Welt“. Diese könne dazu führen, „dass die internationale Arbeitsteilung aufgegeben und das Wirtschaftswachstum für alle reduziert wird“. Brudermüller verteidigte das Engagement in der Uiguren-Region Xinjiang, wo BASF mit zwei Werken vertreten ist.

„Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserer Unternehmenskultur dort ein positives Bild abgeben, auch wenn wir viel zu klein sind, um messbaren Einfluss zu haben“, sagte der BASF-Chef. Für die anderen Geschäfte des Konzerns in China mit 11.000 Mitarbeitern sehe er diesen Einfluss sehr wohl. „Wir müssen den Wettbewerb mit China annehmen, beim Klimaschutz partnerschaftlich mit China zusammenarbeiten und deutliche Kritik beim Thema Menschenrechte üben.“

Das sei der richtige Dreiklang. In Bezug auf das Bemühen Europas, seine Abhängigkeit gegenüber Russland und dessen Gaslieferungen zu reduzieren, sagte Brudermüller: „Wir müssen den Weg in die erneuerbaren Energien deutlich beschleunigen, so können wir zugleich den CO2-Ausstoß schneller reduzieren und die Klimaziele erreichen.“ Die im Green Deal festgelegte europäische Klimapolitik sei in der Vergangenheit „nicht gut orchestriert“ gewesen.

„Jetzt bietet sich eine neue Chance“, so der BASF-Chef. „Ich freue mich, dass durch die Ampelkoalition mehr Tempo reinkommt.“