Heumarkt Ukraine Demonstration\rKöln Deutschland\r23.03.2022\rPaveier\rCopyright\rEduard Bopp Sportfotografie\rmail@fotobopp.de\r

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Die NATO legt ein neues Papier vor, dass die Lage im Balkan analysiert. Die Kämpfe im Donbass nehmen an Heftigkeit zu. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.

NATO-Papier: Putin nimmt auch Balkan in den Blick

21:25 Uhr > Russlands Präsident Wladimir Putin könnte nach Ansicht der NATO künftig verstärkt den Balkan in den Blick nehmen. „Der West-Balkan ist eine Region, in dem Russland schon lange mit politischen Provokationen aktiv ist“, heißt es in einer vertraulichen NATO-Analyse, über die das Magazin „Business Insider“ berichtet. Moskau versuche, den Einfluss der EU zu kontern und westliche Akteure zu unterminieren.

Das Bedrohungslevel sei insgesamt niedrig, die Lage auf dem West-Balkan zwar derzeit noch ruhig, aber „zerbrechlich“, heißt es im Dokument. Die Pläne Moskaus werden in dem Papier so skizziert: „Russlands zunehmende Einmischung droht zu weiteren Spaltungen inmitten bereits gespannter ethnischer und politischer Beziehung in der Region zu führen.“ Besonders im Bereich Desinformation habe Russland Bewegungsfreiheit.

Dabei spiele Moskau die komplizierte Situation auf dem Balkan in die Hände. In dem NATO-Papier heißt es, man erwarte zudem, dass Russland versuchen werde, den Erfolg der NATO in der Region zu unterminieren. Im Klartext: Es droht ein Kalter Krieg in der Region zwischen dem Westen und Russland, der besonders mit Mitteln der Propaganda geführt werden könnte.

Daher sollten man der Desinformation Putins, wie etwa die Behauptung, der Krieg in der Ukraine sei bloß eine Reaktion auf das Handeln der NATO, entgegentreten, heißt es im Papier. Auch China hat großes Interesse an der Region – und die NATO glaubt offenbar, dass Peking ein doppeltes Spiel spielt. In dem Dokument heißt es, einerseits geht man davon aus, dass China Russland propagandistisch unterstützen werde, gleichzeitig wolle man sich in der Region aber als „Alternative zu Russland“ im Bereich Sicherheitspolitik anbieten.


Heftige Kämpfe um Sjewjerodonezk

In der Ukraine wird heftig um die 100.000-Einwohner-Stadt Sjewjerodonezk gekämpft. Am Wochenende haben ukrainische Streitkräfte Teile der Stadt zurückerobert, obwohl russische Streitkräfte wahrscheinlich weiterhin östliche Bezirke besetzen. Russlands Plan bestehe wahrscheinlich weiterhin darin, das Gebiet Sjewjerodonezk sowohl vom Norden als auch vom Süden abzuschneiden, heißt es im täglichen Lagebericht des britischen Militärgeheimdienstes vom Dienstag.

Die russischen Fortschritte seien in der letzten Woche ins Stocken geraten. Russland müsse bald einen Durchbruch erzielen, um die Kontrolle über das gesamte Gebiet Donezk zu erreichen, hieß es in der Analyse.

Ex-General erwartet Wendepunkt im Ukraine-Krieg im Spätsommer

Der frühere NATO-General Hans-Lothar Domröse erwartet durch die ausländischen Waffenlieferungen an die Ukraine im Spätsommer einen Wendepunkt im Krieg mit Russland. „Bisher ist Russland überlegen, aber über kurz oder lang kommen die in große materielle Not“, sagte Domröse den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben).

„Im Spätsommer kann es durch die Unterstützung der Ukraine mit schweren Waffen zu einem Wendepunkt im Kräfteverhältnis kommen: Dann sind die ukrainischen Soldaten gut ausgebildet an westlichen Systemen, während Russland die Sanktionen spürt und nicht mehr in dem bisherigen Maße Panzer und Munition bauen kann.“

Domröse fügte hinzu: „Dann kann sich die Ukraine erfolgreich gegen die russischen Angriffe verteidigen und es besteht die Aussicht auf einen Waffenstillstand.“


Strack-Zimmermann fordert schnelle Genehmigung für „Leopard“-Export

Die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses fordert, dass die Bundesregierung eine Lieferung spanischer „Leopard“-Panzern aus deutscher Produktion an die Ukraine sehr schnell genehmigt. „Ich hoffe sehr, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck umgehend die Genehmigung für den Export erteilt“, sagte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dem „Spiegel“. Sie rechne damit, „dass der Minister umgehend grünes Licht gibt“.

Die FDP-Politikerin begründete die Eile mit der aktuellen Lage in der Ukraine. „Wir haben keine Zeit für Debatten. Angesichts der schweren russischen Artillerie-Angriffe auf ukrainische Ziele ist Eile geboten“, sagte Strack-Zimmermann.

Die gewöhnlich sehr gut informierte spanische Zeitung „El Pais“ hatte am Wochenende berichtet, Spanien bereite die Lieferung von etwa 40 Kampfpanzern vom Typ „Leopard 2 A4“ vor. Die Panzer stammen aus deutscher Produktion, deswegen müsste Berlin wegen der sogenannten Endverbleibsklausel eine Weitergabe genehmigen. Am Wochenende hieß es in Berlin zunächst, bisher liege aus Madrid keine offizielle Anfrage für die mögliche Lieferung vor.

Am Montag allerdings gingen in Berlin zumindest erste Signale ein, dass Spanien die Panzer tatsächlich an die Ukraine liefern will. Bisher hatte die Bundesregierung die Lieferung von modernen Kampfpanzern abgelehnt und sich auf informelle Absprachen unter den Alliierten bezogen, solche Waffensysteme vorerst nicht an die Ukraine zu liefern. Mitte Mai sagte Kanzler Olaf Scholz in einer vertraulichen Sitzung des Verteidigungsausschusses jedoch, es bei dem Thema „keine ewigen Prinzipien“, man berate sich fortlaufend mit den Partnern.

Deshalb werde er öffentlich auch immer vage bleiben, wenn es um Panzer-Lieferungen gehe.


Volkswirte wollen lieber Zölle auf Energie anstatt Embargo

Viele deutsche Volkswirte plädieren dafür, EU-Zölle auf Energie aus Russland zu verhängen, anstatt eines Embargos. Zölle seien eine effektive Maßnahme, um Zahlungen an Russland zu verringern und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Versorgung in Europa möglichst gering zu halten, sagen 70 Prozent der Befragten im Rahmen einer Umfrage von Ifo-Institut und FAZ. Russland würde nach Einschätzung der Experten durch Zölle gezwungen, den Exportpreis zu senken. Gleichzeitig sorgten die höheren Preise in Europa für eine Anpassung der knappen Ressourcen über den freien Markt.

„Das könnte eine effektive Methode sein, Druck auf Russland auszuüben“, sagte Lisandra Flach, Leitern des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft. 23 Prozent der Umfrageteilnehmer stehen einem EU-Zoll skeptisch gegenüber. Sie begründen das mit der Gefahr einer weiteren Steigerung der bereits hohen Verbraucherpreise.

Russland habe insbesondere beim Gas eine große Verhandlungsmacht, sodass der Zoll hauptsächlich von der EU getragen werde. Einige Befragte lehnen einen Zoll ab, da dieser nicht weit genug gehe und fordern stattdessen ein komplettes Einstellen der Zahlungen an Russland. Gleichzeitig sind 57 Prozent der Meinung, dass die deutsche Außenwirtschaftspolitik die Handelsbeziehungen mit Autokratien einschränken sollte.

Der Handel mit ihnen berge große geopolitische Risiken und es habe sich gezeigt, dass Autokratien oftmals keine verlässlichen Handelspartner seien. Außerdem habe Deutschland eine Verantwortung, die Menschenrechte zu wahren – auch über seine Landesgrenzen hinweg. 36 Prozent wollen hingegen keine Einschränkungen des Handels mit Autokratien.

Autokratien könnten ohne Handel noch abgeschotteter und gefährlicher werden. Die Befragten des sogenannten „Ökonomenpanels“ befürchten allerdings auch, dass das zum 1. Januar 2023 in Kraft tretende Lieferkettengesetz das Auslandsgeschäft für deutsche Unternehmen erschweren wird. Sie begründen das mit dem erhöhten bürokratischen Aufwand für Unternehmen und der Schwierigkeit, die im Gesetz geforderten Informationen zu beschaffen.

Zudem bestehe das Risiko, dass die Firmen ihre Vorprodukte von einer geringeren Anzahl an Lieferanten beziehen müssen als bisher. Lediglich 15 Prozent sind der Meinung, dass das Auslandsgeschäft für betroffene Unternehmen durch das Gesetz nicht erschwert werde. Die Reputationsgewinne für Unternehmen seien höher als die zusätzlichen Kosten und es sei noch unklar, wie stark das Gesetz durchgesetzt werde.

Eine Erhöhung der Zahl der Bezugsquellen ist die beliebteste Maßnahme, um die Widerstandsfähigkeit von Lieferketten zu stärken: Sie trifft auf 88 Prozent Zustimmung. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die verstärkte Beschaffung aus anderen EU-Ländern mit 64 Prozent und eine erhöhte Lagerhaltung, für die sich 49 Prozent aussprechen. 35 Prozent plädieren für die bessere Überwachung von Lieferketten.

27 Prozent sind für mehr Beschaffung auf dem Heimatmarkt Deutschland und 26 Prozent für die Wiedereingliederung von ausgelagerten Prozessen ins Unternehmen.


Von Notz rät Unternehmen zur Überprüfung russischer IT-Spezialisten

Innenpolitiker von Grünen und Union schließen nicht aus, dass für deutsche Konzerne tätige russische IT-Spezialisten ins Visier russischer Nachrichtendienste geraten könnten. „Den Unternehmen rate ich, Schutzvorkehrungen für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überprüfen und diese im Zusammenspiel mit dem für die Spionageabwehr zuständigem Bundesamt für Verfassungsschutz gegebenenfalls noch einmal zu verstärken“, sagte der Vorsitzende des Geheimdienstgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne), dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). Dies gelte sowohl für Experten, die man nach Deutschland hole als auch für diejenigen, die zukünftig aus dem nichtrussischen Ausland für deutsche Firmen arbeiten würden, sagte der Grünen-Fraktionsvize.

Zudem gehe er davon aus, dass der Verfassungsschutz „in Kooperation mit den Unternehmen auch die Frage klärt, ob Sicherheitsüberprüfungen für Personal, das nach Deutschland kommt, noch einmal vorgenommen werden“. Hintergrund ist, dass etwa die Deutsche Bank Hunderte Programmierer aus ihrem Technologiezentrum in Russland nach Berlin holen will. Die Deutsche Telekom hatte kürzlich auf ihrer Hauptversammlung mitgeteilt, fast 2.000 russische Konzernmitarbeiter und ihre Familien vorübergehend in der Türkei unterzubringen.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte dazu dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe): „Ein Risiko, dass gerade diese Leute ins Visier russischer Nachrichtendienste geraten können, besteht immer.“ Hybride Einflussnahme auch mit nachrichtendienstlichen Methoden kennzeichne gerade Russlands Vorgehensweise. „Auch in Deutschland gibt es einige Menschen, die für russische Desinformation und Einflussnahme anfällig sind“, fügte der Vizevorsitzende des Bundestags-Geheimdienstgremiums hinzu.

„Deshalb müssen unsere Sicherheitsbehörden hier weiterhin sehr wachsam sein.“