Das Symbolbild zeigt Rubelscheine

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Russland führt in den besetzten Gebieten den Rubel als Zahlungsmittel ein. In Deutschland äußern sich Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock zur politischen Situation. Deutschland zögert bei Waffen-Ringtausch mit Polen. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.


Gasversorgung in Deutschland weiter normal   

14:15 Uhr > Die Gasversorgung in Deutschland läuft aktuell normal weiter. „Die Gaszuflüsse nach Deutschland liegen auf einem üblichen Niveau“, teilte die Bundesnetzagentur am Sonntag in ihrem täglichen Lagebericht mit, und benutzte damit dieselbe Formulierung wie in den letzten Tagen. Die Einstellung von russischen Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien habe demnach weiterhin „keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland“.

Rund 70 Prozent des für Deutschland bestimmten russischen Gases strömt unverändert über Nord Stream 1 ins Land, der Rest über Waidhaus an der Grenze zu Tschechien. Der Füllstand der Speicher erhöht sich nun seit etwa sechs Wochen fast kontinuierlich wieder, er liegt aber weiter mit knapp 35 Prozent im unterdurchschnittlichen Bereich. In den letzten Jahren waren die Speicher Anfang Mai manchmal bis zu 80 Prozent gefüllt.


BKA rät Merz von Reise nach Kiew ab   

13:57 Uhr > Das Bundeskriminalamt (BKA) soll dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz von seiner geplanten Reise in die Ukraine „ausdrücklich“ abgeraten und ihn gebeten haben, die Fahrt zu verschieben. So etwas brauche längeren Vorlauf, soll das BKA laut eines Berichts des „Tagesspiegels“ betont haben. Merz hatte erst am Freitag die Sicherheitsbehörden über die Reise informiert, am Montag soll er vermutlich bereits dort ankommen.

Auch soll Merz BKA-Personenschutz abgelehnt haben. Das Bundesinnenministerium wollte sich dazu auf Anfrage der Zeitung nicht äußern, auch Merz äußerte sich dazu zunächst nicht. Zuletzt hatte es während des Besuchs des UN-Generalsekretärs Raketenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew gegeben.


Internet- und Mobilfunkkommunikation in den Regionen Kherson und Saporischschja unterbrochen

9:51 Uhr > Die russischen Streitkräfte sollen nach unkrainischen Regierungsangaben die Internet- und Mobilfunkkommunikation in den Regionen Kherson und Saporischschja unterbrochen haben. Dazu sollen sie die Stromversorgung der entsprechenden Anlagen gekappt, sowie Glasfaserkabel unterbrochen haben. Die ukrainische Regierung fordert Ukrainier*innen auf in andere Gebiete umzusiedeln und sich via Satellit zu informieren.


Nancy Pelosi zu Überraschungsbesuch in Kiew   

9:49 Uhr > Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, ist zu einem Überraschungsbesuch in Kiew eingetroffen. Sie kam dort mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammen, wie am Sonntag mitgeteilt wurde. Da Pelosi in der Rangfolge nach dem US-Präsidenten und der Vizepräsidentin an dritter Stelle kommt, handelt es sich um den ranghöchsten Besuch aus Washington in der Ukraine seit Beginn des Krieges.

US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin waren in den letzten Tagen bereits in der Ukraine.


Die militärische Lage in der Ostukraine

9:45 Uhr > Die russischen Streitkräfte, darunter Teile der 810. Marine-Infanterie-Brigade schließen weiterhin den Industriekomplex des Azovstalwerks in Mariupol ein. Auch am 30 . April führten die Russischen Truppen Luftangriffe auf das Stahlwerk durch. Parallel zu den Kämpfen versuchen Kräfte der Administration der selbsternannten Donezker Volksrepublik (DNR) und Russlands die administrative Kontrolle über Mariupol zu festigen. Festgemacht werden kann diese Absicht an einer Aussage von Denis Puschilin, Chef der DNR, der am 30. April einen „Großen Aufbau“ von Mariupol ankündigte. Allerdings setzt dies eine vollständige Einnahme der Stadt, also auch des Azovstal-Komplexes voraus.

Die Lage um Izyum

Südöstlich und südwestlich von Izyum gab es russische Angriffe ohne dass am 30. April territoriale Gewinne festgestellt werden konnten. Von ukrainischer Seite steht die Behauptung im Raum, dass Russland weitere Truppen nach Izyum verlegt. Darunter sollen auch Luftabwehrkräfte sein, um die russischen Truppen vor ukrainischen Luftangriffen zu schützen. Offen ist ob die Behauptung einer prorussischen Quelle korrekt ist, dass etwa 600 ukrainische Soldaten etwa 25 Kilometer südöstlich von Izyum an der Straße nach Slowjansk eingekesselt seien. Unabhängig können solche Berichte derzeit nicht geprüft werden.

Um die Lage bei Izyum zu entlasten greifen ukrainische Einheiten nordöstlich von Charkiw an. Es gelang ihnen Werchnja Rohanka, Ruska Lozowa, Slobidske und Prelesne zurückzuerobern. Die ukrainischen Truppen haben in den letzten 72 Stunden einen Ring von Vororten im Osten von Charkiw zurückerobert, der es ihnen ermöglichen könnte, den Druck auf Wohngebiete wie Saltiwka zu verringern, die unter intensivem russischen Beschuss standen. Die ukrainische Gegenangriffe könnten die russischen Streitkräfte außerdem dazu zwingen, Einheiten die sie zur Unterstützung der Izyum-Achse einplanten zurückzuverlegen. Die russischen Streitkräfte bombardierten die Stadt Charkiw während des gesamten 30. Aprils mit Luft- und Artillerieangriffen.

Die Lage bei Kherson

Bei Kherson konzentrieren sich die russischen Streitkräfte darauf die Lage ihrer taktischen Stellungen zu verbessern. Dabei ist die Lage am 30. April weitgehend statisch und die russischen Truppen beschießen ukrainische Stellungen. Es deutetet alles daraufhin, dass die russischen Truppen sich aktuell neu formierten und ihre Vorräte auffüllten, um dann in einer größeren Offensivoperation an die Verwaltungsgrenzen der Oblast Kherson vorzustoßen. Die russischen Streitkräfte beschossen mehrere Punkte in den Gebieten Saporischschja, Dnipropetrowsk und Mykolajiw. Der ukrainische Generalstab erklärte, dass die russischen Streitkräfte weiterhin Desinformationen über die Bedrohung der Bevölkerung Transnistriens durch ukrainische Truppen verbreiten.


Russland führt in besetzten Gebieten Rubel ein

9:09 Uhr > Russland führt in manchen in der Ukraine besetzten Gebieten bereits die russische Währung ein, den Rubel. Seit der Eroberung der südlichen Stadt Cherson Anfang März versuche Russland, seine Kontrolle über die Stadt und die umliegenden Gebiete durch die Einrichtung einer pro-russischen Verwaltung zu legitimieren, meldete das britische Außenministerium, das die Lage in der Ukraine über seinen Geheimdienst besonders intensiv beobachtet. Ab Sonntag gelte nun offiziell der Rubel, die Besatzungsmacht gestehe aber eine vier Monate andauernde Übergangsphase ein.

Eine Rückkehr zu einer ukrainischen Kontrolle der Stadt sei „unmöglich“, ließ die von Moskau eingesetzte Administration verlauten. „Diese Äußerungen deuten wahrscheinlich auf die Absicht Russlands hin, langfristig einen starken politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Cherson auszuüben“, so der britische Geheimdienst. Die dauerhafte Kontrolle über Cherson und seine Verkehrsverbindungen werde es Russland leichter machen, seinen Vormarsch nach Norden und Westen aufrechtzuerhalten und russische Kontrolle über die Krim zu festigen.


213.000 ukrainische Haushalte ohne Gas und Wärme

Der Vorstandschef des größten ukrainischen Energieversorgers Naftogaz, Yuriy Vitrenko, beklagt massive Schäden am Gasleitungsnetz seines Landes durch russische Truppen. „Täglich gibt es durch Bombardements neue Zerstörungen an der Infrastruktur, die wir ständig versuchen zu reparieren“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Sonntagausgaben). „213.000 ukrainische Haushalte sind derzeit ohne Gas.“

Es gebe gewaltige Schäden am Gasnetz in großen Metropolen wie etwa Mariupol oder Charkiv, aber auch viele zerstörte Leitungen in den kleineren Städten und Dörfern in der Ostukraine. „Die Menschen brauchen das Gas für die Heizung, zum Kochen und für warmes Wasser“, sagte Vitrenko. Die Situation sei sehr schwer für die Kunden von Naftogaz, aber auch für die Beschäftigen.

„20 Mitarbeiter unseres Unternehmens sind bisher im Krieg ums Leben gekommen“, berichtete der Vorstandsvorsitzende. Eine Anzahl von Mitarbeitern, die er aus Geheimhaltungsgründen nicht genau benennen kann, diene in der ukrainischen Armee, „um unser Land zu verteidigen“. Naftogaz habe keine Probleme mit der Produktion von Gas.

„Unsere eigene Gasproduktion funktioniert, und wir haben sehr große unterirdische Gasspeicher, aus denen wir schöpfen können“, sagte Vitrenko, der Chef von insgesamt 60.000 Beschäftigten ist. Auch habe man im März Gas vom europäischen Markt zugekauft, das über Ungarn und die Slowakei in die Ukraine gelangte. Das Problem sei der Transport.

„Überall gibt es schwere Zerstörungen“, so Vitrenko. Die Naftogaz-Mitarbeiter würden jeden Tag unter sehr schweren Bedingungen daran arbeiten, die Versorgung aufrechtzuerhalten.


Deutschland zögert bei Waffen-Ringtausch mit Polen

Polen soll Deutschland schon vor Wochen einen Ringtausch angeboten haben: Polen liefert sowjetische Kampfpanzer an die Ukraine und will dafür den Leopard-2-Panzer haben, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS). Doch die Bundesregierung hat darüber noch immer nicht entschieden. Der Bundestagsabgeordnete und Verteidigungsfachmann Roderich Kiesewetter von der CDU kritisierte das scharf.

„Jeder Tag zählt“, sagte er der FAS. „Mit der eindeutigen Mehrheit des Bundestages ist jetzt der unmissverständliche politische Wille ausgedrückt, die Ukraine mit schweren Waffen zu beliefern.“ Deshalb gehe er davon aus, dass die Bundesregierung nun den entsprechenden Rückenwind hat, „auch das von Polen bereits vor Wochen vorgelegte Angebot endlich zu beantworten“. Roderich sagte weiter: „Der Bundeskanzler muss hier nun Klarheit gegenüber den osteuropäischen Staaten und insbesondere Polen schaffen.“

Auch Anton Hofreiter von den Grünen kritisierte die zögerliche Haltung des Bundes. Hofreiter sagte der FAS, es dürfe sich „nicht wiederholen, dass solche Anfragen wochenlang unbeantwortet bleiben wie jetzt die in Polen“. Vielmehr sollte das Kanzleramt sie im Rahmen „unserer Möglichkeiten positiv beantworten“.


Baerbock: Dauerhafter Frieden nur bei Abzug aller russischen Truppen

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sieht als Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Europa und ein Ende der Sanktionen gegen Russland den Abzug aller russischen Soldaten aus der Ukraine. „Ein Waffenstillstand kann nur ein erster Schritt sein“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Und weiter: „Für uns ist klar: Eine Aufhebung der Sanktionen gibt es nur, wenn Russland seine Truppen abzieht. Ein Frieden zu Bedingungen, die Russland diktiert hat, würde weder der Ukraine noch uns in Europa die ersehnte Sicherheit bringen. Schlimmstenfalls wäre er die Einladung zum nächsten Krieg – noch näher an unseren Grenzen.“ Man müsse helfen, dass die Ukraine stark genug sei, um selbst zu entscheiden, so die Ministerin: Denn es seien die Ukrainer, „die in diesem Krieg sterben und denen Unterdrückung und Gewaltherrschaft unter russischer Besatzung droht“, so die Grünen-Politikerin.

„Niemand hat das Recht, ihnen Vorschriften zu machen.“ Ziel Deutschlands und Europas im Ukraine-Krieg sei Frieden, so Baerbock, „für die Menschen in der Ukraine, für uns selbst und unsere Kinder“. Es gehe „um mehr als die Abwesenheit von Krieg, es geht um die Sicherheit, in Freiheit zu leben“, sagte die Außenministerin der „Bild am Sonntag“.

Aber: „Die Friedensordnung, die wir in Europa kannten, hat Putin unwiederbringlich zertrümmert. So sehr wir uns das wünschen mögen: Einen Weg zurück zu der Zeit vor dem 24. Februar gibt es nicht. Auf Putins Zusagen allein können wir uns nie wieder verlassen.“

Deshalb müsse man der Ukraine jetzt helfen, diesen brutalen Einmarsch abzuwehren und sich gegen zukünftige Angriffe zu schützen. „Erst wenn alle in Europa wieder einsehen, dass bei einem Krieg am Ende kein Land Sieger, sondern alle nur Verlierer sind, gibt es wieder echten Frieden.“


Scholz verteidigt seine Ukraine-Politik

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigt seine Ukraine-Politik gegen massive Kritik. „Ich treffe meine Entscheidungen schnell – und abgestimmt mit unseren Verbündeten. Übereiltes Agieren und deutsche Alleingänge sind mir suspekt“, sagte er der „Bild am Sonntag“.

CDU-Chef Friedrich Merz hatte dem Kanzler mit Blick auf deutsche Waffenlieferungen für Kiew Ängstlichkeit und Zaudern vorgehalten. Scholz zeigte sich von den Attacken unbeirrt und machte klar, dass er an seinem Kurs festhalten will: „Ich bin nicht ängstlich genug, um mich von solchen Vorwürfen beeindrucken zu lassen.“ Gleichzeitig hob er hervor, dass harsche Kritik an seinen Entscheidungen legitim sei: „In einer Demokratie gehört es dazu, dass man von der Opposition robust angegangen wird. Dafür ist sie da.“ Auch sein persönlicher Umfrageabsturz in der Beliebtheit bei den Bürgern lässt Scholz nicht umdenken: „Umfragen sollte man zur Kenntnis nehmen, man darf aber nicht sein Handeln davon abhängig machen, gerade in Fragen von Krieg und Frieden wäre das brandgefährlich.“ Eine Mehrheit von 54 Prozent der Bürger ist laut einer Umfrage von INSA für die „Bild am Sonntag“ mit der Arbeit von Scholz unzufrieden.

Das ist ein Rekordwert seit seiner Vereidigung und das erste Mal, dass mehr als die Hälfte unzufrieden sind. Lediglich 32 Prozent der Befragten kann Scholz überzeugen. Für die Erhebung befragte das Meinungsforschungsinstitut INSA insgesamt 1.005 Personen am 29. April 2022. Frage: „Alles in allem: Sind Sie mit der Arbeit von Olaf Scholz als Bundeskanzler zufrieden oder unzufrieden?“