Dieses Bild veröffentlichte die Informationsagentur Armyinform des ukrainischen Verteidigungsministeriums im Zusammenhang mit den für den 6. Mai geplanten Evakuierungen. | Foto: Armyinform/Ukrainisches Verteidigungsministerium

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Zum ersten Mal spricht die Ukraine in dem von Russland gestarteten Krieg über einen Wechsel ihrer Strategie hin zu offensiven Operationen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) legt einen Plan vor, wie Deutschland einen möglichen Gas-Lieferstopp handeln könnte. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.

Innenministerin kritisiert Fokus auf Waffen bei Ukraine-Hilfen   

22:25 Uhr > Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat dazu aufgerufen, die Frage der Hilfe für die Ukraine nicht auf das Thema Waffenlieferungen zu verengen. „Die Fokussierung allein auf die Frage der Waffen halte ich nicht für richtig“, sagte Faeser der „Frankfurter Rundschau“ (Samstagausgabe). Die Waffenlieferungen seien wichtig, aber keineswegs alles.

Jenseits von Waffenlieferungen unterstütze Deutschland die Ukraine „in viel größerem Ausmaß, als das bisher vielen bewusst ist“, fügte die Bundesinnenministerin hinzu. Sie verwies auf Medikamentenlieferungen, die Versorgung von Verletzten oder die Aufnahme von Kindern aus ukrainischen Heimen und Waisenhäuser in Deutschland. Faeser warnte davor, „heißspornig“ zu sein.

„Es geht nicht darum, sich gegenseitig zu überbieten, sondern darum das Richtige zu tun.“ Die SPD-Politikerin nannte es „falsch, dass sich Deutschland so lange von Russland abhängig gemacht hat und die Energielieferungen nicht stärker diversifiziert wurden“. Sie wies aber eine alleinige Verantwortung von Gerhard Schröder und anderen Politikern der SPD zurück.

„Das ist ein Thema für alle, die in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren Verantwortung getragen haben“, so Faeser. „Darüber redet in diesen Tagen keiner mehr, auch was die Rolle der CDU-Kanzlerin betrifft, die 16 Jahre lang die Richtlinien dieser Energiepolitik bestimmt hat“, sagte die Ministerin mit Blick auf die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Faeser will sich am Samstag bei einem Parteitag in Marburg wieder an die Spitze der hessischen SPD wählen lassen.


Deutschland schickt sieben Panzerhaubitzen an die Ukraine   

22:22 Uhr > Deutschland schickt sieben Panzerhaubitzen an die Ukraine. Das sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Freitag bei einem Besuch in der Slowakei. Zusammen mit fünf weiteren Geräten aus den Niederlanden soll daraus eine Feuereinheit mit insgesamt zwölf Systemen werden.

Vorher will Deutschland aber erst Ukrainer an den Haubitzen ausbilden, die dafür in die Bundesrepublik kommen sollen. Die Ausbildung könnte rund 40 Tage dauern, erst danach sollen die Haubitzen in die Ukraine geliefert werden. Es könnte allerdings auch schneller gehen, wenn die Ukraine Soldaten mit entsprechenden Vorkenntnissen schickt, hieß es.

Die Panzerhaubitze 2000 (kurz PzH 2000) ist ein selbstfahrendes gepanzertes Artilleriegeschütz, das von den deutschen Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall produziert wird. Sie ist das Standardgeschütz der Artilleriebataillone der Bundeswehr. Die Verteidigungsministerin wollte am Freitag auf dem slowakischen Luftwaffenstützpunkt Sliac die dort stationierten Luftabwehrkräfte besuchen, die dort mit drei Patriot-Staffeln den Luftraum schützen, nachdem die Slowakei eigene Flugabwehrsysteme des Typs S300 an die Ukraine abgegeben hatte.


Scholz plant für Sonntag Ansprache an Bundesbürger   

22:21 Uhr > Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sich laut eines Medienberichtes in einer am Sonntag ausgestrahlten Fernsehansprache direkt an die Bundesbürger wenden. Das Thema seiner Rede werde Putins Krieg gegen die Ukraine und das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 77 Jahren sein, berichtet die „Bild am Sonntag“ vorab am Freitag. Die Ansprache soll am Sonntagnachmittag aufgezeichnet und dann am frühen Abend von ARD und ZDF ausgestrahlt werden, schreibt „Bild“ unter Berufung auf „informierte Kreise“.

Die Fernsehsender wurden sehr kurzfristig über die geplante TV-Rede informiert. Wie „Bild“ weiter schreibt, sei die Entscheidung des Kanzlers, sich in der aktuellen Kriegslage erneut direkt ans Volk zu wenden, erst Mitte der Woche gefallen. Die Ansprache soll nur wenige Minuten dauern.


Weitere Evakuierungen aus Mariupol geplant

8:05 Uhr > Die ukrainische Regierung plant heute weitere Evakuierungen aus Mariupol, so die ukrainische stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk.

Die russischen Streitkräfte in der ukrainischen Stadt Mariupol haben ihren Bodenangriff auf das Stahlwerk Asowstal den zweiten Tag fortgesetzt, obwohl Russland angibt, das Areal lediglich abzuriegeln. Das teilte der britische Militärgeheimdienst mit, der die Lage in der Ukraine besonders intensiv beobachtet und jeden Tag einen entsprechenden Bericht veröffentlicht. Die erneuten Bemühungen Russlands, Asowstal zu sichern und die Eroberung von Mariupol abzuschließen, seien wahrscheinlich mit den bevorstehenden Gedenkfeiern zum Tag des Sieges am 9. Mai und Putins Wunsch nach einem symbolischen Erfolg in der Ukraine verbunden.

Diese Anstrengung habe Russland Personal, Ausrüstung und Munition gekostet. Während der ukrainische Widerstand in Asowstal andauert, nähmen russische Verluste andernorts weiter zu. Auch die operativen Pläne im südlichen Donbass würden durchkreuzt.


Die Lage in der Ukraine am gestrigen 5. Mai

8:00 Uhr > Es ist das erste Mal, dass das ukrainische Militär von einem Strategiewechsel hin zu offensiven Operationen spricht. Gesagt hat dies der ukrainische Oberbefehlshaber Valerii Zalyzhnyi der am 5. Mai erklärte, dass die ukrainischen Streitkräfte zu Gegenoffensiven in der Umgebung von Charkiw und Izyum übergehen. Die Militärexperten des Institute For The Study Of War (ISW) folgern aus den ukrainischen Offensiven nordöstlich von Charkiw eine Störung der russischen Truppen bei ihrem Vorstoß via Izyum in Richtung Donbass. Die russischen Streitkräfte seien durch die ukrainischen Operationen gezwungen zu entscheiden, ob sie ihre Stellungen in der Nähe von Charkiw verstärken wollen oder riskieren einen Großteil ihrer Stellungen in Artilleriereichweite der Stadt zu verlieren. Es gäbe keine bestätigten Vorstöße der ukrainischen Truppen, aber diese verhinderten, dass russische Einheiten bereits verlorene Stellungen wieder zurückerobern konnten. Bei den fortgesetzten Angriffen in der Ostukraine machten die russischen Streitkräfte nur wenige Fortschritte, und die ukrainischen Streitkräfte könnten ihre laufenden Gegenangriffe und die erfolgreiche Abwehr russischer Angriffe entlang der Izyum-Achse zu einer umfassenderen Gegenoffensive nutzen, um die von Russland besetzten Gebiete in der Oblast Charkiw zurückzuerobern. Die russischen Streitkräfte setzten ihre unwirksamen Offensivoperationen im Süden der Oblaste Charkiw, Donezk und Luhansk fort, ohne in den letzten 24 Stunden nennenswerte Gebietsgewinne zu erzielen.

In Mariupol drangen russische Truppen in den Industriekomplex Azovstal vor, dies bestätigte die ukrainische Seite. Es ist davon auszugehen, dass die Russen das Gelände in den kommenden Tagen einnehmen werden. In den Oblasten Kherson und Mykolaiv waren die russischen Einheiten begrenzt operativ tätig in Richtung Saporischschja. Die ukrainische Armee behauptet hier westlich von Kherson Erfolge bei Offensiven erzielt zu haben, die aber nicht unabhängig bestätigt werden können.


IAB hat Milliardenplan für möglichen Gas-Lieferstopp

Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schlägt einen Milliardenplan vor, der Pleiten verhindern und Jobs retten soll, falls kein russisches Gas mehr nach Deutschland kommt. „Deutschlands industrielle Stärke steht auf dem Spiel“, sagte Weber der „Süddeutschen Zeitung“. Es könnten dauerhaft Lieferketten zerstört werden und Produktion aus Deutschland verschwinden.

Weber schlägt einen Vier-Punkte-Plan vor, der die Bundesregierung einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten würde. Der Ökonom will verhindern, dass unnötig Firmen zusammenbrechen. Deshalb solle der Staat im Notfall bereitstehen, sich an Betrieben zu beteiligen, so der Leiter des Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen am IAB. Wenn Firmen kurzfristig Umsatz wegbricht, solle der Staat ihnen einen Teil der Fixkosten abnehmen, so wie durch die Überbrückungshilfen in der Coronakrise.

Außerdem will Weber für Firmen, die kein oder weniger Gas bekommen, die Kurzarbeit massiv ausweiten, auch durch Übernahme der Sozialbeiträge. Weber fordert, mehr als nur die Produktionsausfälle zu sehen. Ein Gas-Stopp würde auch die Energiepreise weiter hochtreiben, zulasten der ganzen Wirtschaft.

Wenn Firmen Gas teurer woanders herbekommen, solle die Regierung Zuschüsse für die höheren Kosten zahlen, wie sie schon befristet existieren. Außerdem will Weber die Firmen so schnell wie möglich unabhängig von russischem Gas machen, indem sie Investitionen in klimafreundliche, effiziente Produktion sofort von der Steuer abschreiben können. „Jeder Prozentpunkt weniger Abhängigkeit von russischem Gas ist ein Prozentpunkt weniger Produktionsausfall, wenn der Lieferstopp wirklich kommt“, sagte er.

Die Regierung solle alle Instrumente jetzt schon ausarbeiten, um sie bereit zu haben.


Menschenrechtsbeauftragte kritisiert Verschleppungen nach Russland

Die Menschenrechtsbeauftragte Luise Amtsberg (Grüne) hat Verschleppungen von Ukrainern nach Russland kritisiert. „Verschleppungen von Ukrainern, darunter wohl 200.000 Kinder, durch russische Truppen reihen sich ein in eine lange, grausame Liste an mutmaßlichen Kriegsverbrechen Russlands“, sagte sie dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagausgaben). Sie müssten unbedingt Teil kommender unabhängiger Untersuchungen sein.

„Denn die zwangsweise Umsiedlung von Zivilisten aus besetzten Gebieten verstößt gegen das Völkerrecht“, so die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. „Dass die russische Kriegspropaganda von Evakuierungen und dem Schutz der Bevölkerung spricht, ist angesichts des aggressiven Vorgehens Russlands in der Ukraine völlig verwerflich. Der einzige richtige Schutz der Bevölkerung ist ein Ende dieses völkerrechtswidrigen Angriffskrieges.“

Aus den umkämpften Gebieten der Ukraine sind nach Moskauer Militärangaben schon fast 1,1 Millionen Menschen nach Russland gebracht worden. Knapp 200 000 von ihnen seien Kinder, hatte Generaloberst Michail Misinzew am Montag gesagt. Nach russischer Darstellung werden diese Menschen aus der Ukraine vor den Kämpfen und angeblicher Gewalt der Kiewer Führung in Sicherheit gebracht.

Die Ukraine sieht dies als Verschleppung ihrer Bürger aus den derzeit russisch besetzten Gebieten im Osten und Süden. Die russische Armee lasse die Menschen nicht auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet flüchten, heißt es in Kiew.