Das undatierte Foto zeigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin

Köln | LIVEBERICHT wird ständig aktualisiert | red, dts | Jeden Tag erreichen auch am 80. Tag des Krieges in der Ukraine 2.000 ukrainische Flüchtlinge Deutschland und insgesamt sind mehr als 700.000 registriert. Malik Harris, deutscher Kandidat beim Eurovision Song Contest 2022, wirbt für einen Sieg der Ukraine im Finale am Sonntagabend. Der Livebericht zu den Ereignissen rund um den Krieg in der Ukraine, die Situation der Flüchtlinge sowie politische Reaktionen weltweit.

Finnlands Sozialdemokraten für NATO-Beitritt   

22:27 Uhr > In Finnland zeichnet sich ein breites Bündnis für einen NATO-Beitritt ab. Neben Regierungschefin Sanna Marin und Präsident Sauli Niinistö hat sich nun auch Marins sozialdemokratische Regierungspartei (SDP) für eine NATO-Mitgliedschaft ausgesprochen. „Aufgrund einer erheblichen Veränderung des Sicherheitsumfelds in Finnland und Europa unterstützt die SDP die Mitgliedschaft Finnlands in der Nordatlantikpakt-Organisation“, teilte die Partei am Samstag mit.

Die SDP unterstütze die Staatsführung bei der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Zuvor hatte Russlands Präsident Wladimir Putin Finnland vor einem Beitritt in das Schutzbündnis gewarnt. Eine NATO-Aufnahme könne sich negativ auf die bilateralen Beziehungen zwischen Russland und Finnland auswirken, sagte Putin übereinstimmenden Medienberichten zufolge zu seinem finnischen Amtskollegen Niinistö.

Über eine Aufnahme Finnlands müssen alle 30 NATO-Mitglieder einstimmig entscheiden.


G7 wollen von Russland verschobene Grenzen „niemals“ akzeptieren   

22:25 Uhr > Die G7-Staaten haben erklärt, dass sie neue Grenzziehungen, die Russland durch den Krieg in der Ukraine anstrebt, nicht akzeptieren werde. „Wir werden niemals Grenzen anerkennen, die Russland durch militärische Aggression zu ändern versucht hat, und wir werden unser Engagement für die Unterstützung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine, einschließlich der Krim, und aller Staaten aufrechterhalten“, teilte die G7-Gruppe nach einem Außenministertreffen in Weißenhaus an der Ostsee in einer gemeinsamen Abschlusserklärung mit. Die führenden Industriestaaten sicherten der Ukraine „so lange wie nötig“ Militär- und Verteidigungshilfen zu, heißt es in der Erklärung weiter.

Die G7-Staaten forderten von der Regierung in Moskau ein sofortiges Ende des Krieges in der Ukraine. Zudem solle Russland den Getreide-Export aus der Ukraine nicht weiter blockieren, um Hungersnöte zu verhindern.


Putin will die Annexion

13:15 Uhr > Das Bild wird klarer und eindeutiger: Der russische Präsident Wladimir Putin beabsichtigt wahrscheinlich, die besetzte Süd- und Ostukraine in den kommenden Monaten direkt an die Russische Föderation anzugliedern. Er wird dann voraussichtlich direkt oder indirekt erklären, dass die russische Doktrin, die den Einsatz von Atomwaffen zur Verteidigung des russischen Territoriums erlaubt, auch für diese neu annektierten Gebiete gilt. Damit würde er der Ukraine und ihren Partnern mit einem Nuklearangriff drohen, falls die ukrainischen Gegenoffensiven zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete anhalten.

Offen bleibt dabei allerdings gelingt diese Annexion der Süd- und Ostukraine überhaupt und weiß dies der russische Präsident Putin. Die russischen Streitkräfte haben dieses Ziel noch nicht erreicht und die gesamten Oblaste Donezk und Luhansk eingenommen. Wird ihnen das überhaupt jemals gelingen fragen die Militärexperten des Institute For The Study Of War (ISW) zu Recht. Was passiert, wenn Putin die militärische Schwäche seiner Streitkräfte in der Ukraine erkennt? Wird er die Annexion dann überstürzen und die nukleare Abschreckung schnell einführen, um die aktuell von seinen Truppen besetzten Gebiete weiter zu kontrollieren? Geht er davon aus, dass die konventionellen Fähigkeiten ausreichen, dann wird er die Annexion noch hinauszögern, um ein größeres Gebiet zu erobern. Die ISW-Experten halten es bei dieser Option für möglich, dass die ukrainischen Gegenoffensiven das russische Militär in den Zusammenbruch treiben. Die dritte Option wäre: Putin könnte auch versuchen, die russischen Angriffe aufrechtzuerhalten und gleichzeitig zusätzliche Kräfte zu mobilisieren. In diesem Fall könnte er die Ankündigung der Annexion noch viel länger hinauszögern und warten, bis Verstärkung eintrifft, um mehr Territorium für die Annexion zu gewinnen.

Für den Westen und die Ukraine bedeutet dies, dass voraussichtlich nur ein kleines Zeitfenster bleibt, um eine ukrainische Gegenoffensive in den besetzten ukrainischen Gebieten zu unterstützen, bevor der Kreml diese Gebiete annektiert. Die Ukraine und der Westen müssen außerdem einen kohärenten Plan entwickeln, um auf eine eventuelle Annexion und die darauf folgende Bedrohung durch einen Atomangriff zu reagieren. Die politischen und ethischen Folgen einer langjährigen russischen Besetzung des Südostens der Ukraine wären für die langfristige Lebensfähigkeit des ukrainischen Staates verheerend.


Noch immer kommen täglich 2.000 Ukraine-Flüchtlinge an

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht derzeit eine Beruhigung der ukrainischen Flüchtlingssituation in Deutschland. „Es bleibt eine große humanitäre Kraftanstrengung, die geflüchteten Frauen, Kinder und alten Menschen bestmöglich zu versorgen.

Aber pro Tag kommen derzeit nur noch ungefähr 2.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland an. Mitte März waren es noch 15.000 Menschen täglich“, sagte die Innenministerin der „Rheinischen Post“ (Samstag). Über die polnisch-ukrainische Grenze kehrten inzwischen täglich 20.000 Geflüchtete zurück in ihr Land, darunter sind auch Menschen, die aus Deutschland zurückkehrten. Sie gehe davon aus, „dass die Mehrheit der Menschen wieder zurückkehren wird. Ein Teil wird bleiben, wenn die Menschen die Chance sehen, mit ihrer Qualifikation auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“. Faeser lobte die anhaltende Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung. „Die Geflüchteten werden hier sehr gut aufgenommen – da kippt im Moment nichts.“


Mehr als 700.000 Ukrainer in Deutschland registriert

In Deutschland sind inzwischen mehr als 700.000 Ukrainer festgestellt worden. Wie das Bundesinnenministerium (BMI) mitteilte, sind seit Kriegsbeginn am 24. Februar bis zum 11. Mai „727.205 Menschen neu im Ausländerzentralregister (AZR) erfasst worden, schreibt die „Welt am Sonntag“. Davon sind 714.998 ukrainische Staatsangehörige (98,3 Prozent).“

Der Anteil der Nichtukrainer ist also verschwindend gering. Laut BMI kann von diesen mehr als 700.000 im AZR Erfassten aber „eine erhebliche Zahl bereits in andere EU-Staaten weitergereist und auch in die Ukraine zurückgekehrt sein“. Es handele sich somit um „die Zahl derjenigen, die sich seit Kriegsbeginn vorübergehend in Deutschland aufgehalten haben oder weiter aufhalten“.

Von den erwachsenen Ukraine-Flüchtlingen sind demnach 81 Prozent Frauen. Rund 40 Prozent sind minderjährig.


Lambrecht hat noch „Fragen“ zu stärkerer NATO-Präsenz an Ostflanke

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat in Bezug auf den Wunsch der baltischen Staaten und Polens nach mehr NATO-Präsenz auf ihrem Gebiet Verständnis, aber auch Skepsis. Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) sagte sie außerdem, für einen höheren Wehretat zu kämpfen und sie kritisierte „Lügen“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Lambrecht sagte, sie könne „gut verstehen“, dass die Verbündeten im Osten mehr NATO-Soldaten wünschten.
Allerdings seien da „viele Fragen“ zu klären. „Ist die Infrastruktur überhaupt gegeben, um in diesen Ländern Truppen in dieser Stärke dauerhaft vorzuhalten?“ Das müsse man „vorher prüfen“. Deutschland habe „schon gezeigt, dass wir bei Anforderungen der NATO bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“.

Die Ministerin versprach, sich für einen stetig wachsenden Wehretat einzusetzen. Mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das die Bundesregierung schaffen will, werde Deutschland zunächst „über einige Jahre das Zwei-Prozent-Ziel erreichen“, das die Mitgliedstaaten der NATO sich für ihre Verteidigungshaushalte gesetzt haben. Wenn die 100 Milliarden verbraucht seien, müsse das Niveau durch den regulären Wehretat gesichert werden.

Deshalb müsse man „dafür sorgen, dass der Haushalt in den nächsten Jahren kontinuierlich wächst. Dafür kämpfe ich.“ Über die Ziele Deutschlands in Bezug auf Russlands Invasion in der Ukraine sagte sie, zunächst müsse es „zu einem Waffenstillstand kommen“. Dann müsse „auf dem Verhandlungswege eine dauerhafte Lösung“ gefunden werden.

„Mittel- und langfristig müssen wir die Ukraine so stärken, dass sie sich verteidigen und es zu keiner weiteren Invasion mehr kommen kann.“ Lambrecht warnte davor, Putin gegenüber „naiv“ zu sein. „Wir haben ja erlebt, wie wenig er davor zurückschreckt, Zusagen zu brechen. Noch am Wochenende vor seinem Angriff auf die Ukraine kam doch die Ansage: Wir ziehen aus Belarus ab, alles war nur eine Übung. Alles gelogen. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass Russland weiß, dass Lügen Konsequenzen haben.“


Deutscher ESC-Teilnehmer wünscht Ukraine den Sieg

Malik Harris, deutscher Kandidat beim Eurovision Song Contest 2022, wirbt für einen Sieg der Ukraine im Finale am Sonntagabend. „Ich hoffe es sehr“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Ich wäre froh und stolz, wenn das Kalush Orchestra in diesem Jahr gewinnen würde.“

Die ukrainische Band um Rapper Oleg Psiuk ist bei den Wettbüros haushoher Favorit auf den Sieg – vor allem mit Blick auf den russischen Angriffskrieg. „Es wäre doch ein sehr starkes Zeichen, wenn Europa die Ukraine zum Sieger erklären würde“, sagte Harris. „Und darüber hinaus finde ich den Titel Stefania auch echt mega.“

Dass seinem eigenen Song „Rockstars“ keine hohe Platzierung vorhergesagt wird, störe ihn nicht. „Das ist für mich wirklich vollkommen irrelevant. Im Licht der Politik rückt alles andere in den Hintergrund. Ich habe hier zwei Ziele: Ich will mein Bestes geben, und ich will es genießen. Und wenn mir diese beiden Dinge gelingen, bin ich glücklich.“ Im Finale des ESC bewerben sich Interpreten aus 25 Ländern.

Die Show wird am Sonnabend ab 21 Uhr live aus dem norditalienischen Turin übertragen. Im vergangenen Jahr hatte die italienische Rockband Måneskin den Wettbewerb gewonnen.