Das Symbolbild zeigt ein Mikroskop

Berlin | dts | Die Unions-Bundestagsfraktion hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aufgefordert, eine umfassende Aufklärungskampagne über die Affenpocken auf den Weg zu bringen. „Minister Lauterbach muss die Bevölkerung durch eine ausführliche Kommunikationsoffensive über die Risiken der Affenpocken informieren, um eine unnötige Panikmache zu verhindern“, sagte der Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger (CSU) dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mahnte dazu, äußerst wachsam zu sein.

„Corona hat uns gelehrt, sehr genau die Entwicklung weltweit zu betrachten. Denn in einer globalisierten Welt verbreiten sich nicht nur Güter schnell, sondern auch Krankheiten“, sagte Verbandschef Gerald Gaß dem RND. „Aber nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse müssen wir keine Affenpocken-Pandemie befürchten“, sagte er. Zudem sei die Situation auch nicht vergleichbar: „Wir haben in der Bevölkerungsgruppe über 50 Jahren einen hohen Impfschutz gegen Pocken, es gibt ein zugelassenes Arzneimittel gegen Affenpocken und der Übertragungsweg ist nicht so leicht wie bei Corona“, sagte er.

Nicht umsonst komme das Robert-Koch-Institut zu dem Schluss, dass für die breite Bevölkerung nur eine geringe Gefährdung bestehe. „Gelehrt hat uns die Corona-Pandemie aber auch, dass wir uns auf verändernde Situationen einstellen müssen. Deshalb gilt hier, beobachten, aber mit Augenmaß und ohne Panik.“

Kinderärzte beklagen „Affenpocken-Panikmache“   

Führende Kinderärzte beklagen eine „Affenpocken-Panikmache“ und geben mit Blick auf Minderjährige weitgehend Entwarnung. Das Affenpocken-Virus sei „weit weniger ansteckend als Corona“ und werde fast ausschließlich durch „engen Körperkontakt und Körperflüssigkeiten“ übertragen, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Die nun registrierten Fälle seien „vorwiegend auf sexuelle Kontakte unter Männern“ zurückzuführen.

„Kinder gehören daher definitiv nicht zu denjenigen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko.“ Es sei „extrem unwahrscheinlich, dass sich in der momentanen Lage in Europa Kinder mit Affenpocken anstecken“, sagte Tobias Tenenbaum, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), der „NOZ“. „Es sind auch keine Fälle bekannt, in denen sich Affenpocken in Europa innerhalb von Familien ausgebreitet haben. Daher brauchen sich Eltern aktuell keine Sorgen zu machen.“ Beide bezogen sich auf Medienberichte, wonach Kinder durch Affenpocken, die bis zum Montag auch bei vier Männern in Deutschland festgestellt wurden, „besonders gefährdet“ seien, weil die Sterblichkeitsrate bei ihnen höher liege als bei älteren Personengruppen. „Solche Schlagzeilen sind schräg oder reißerisch“, sagte BVKJ-Präsident Fischbach der „NOZ“.

„Wir dürfen die Affenpocken nicht verharmlosen, sollten das Thema aber etwas runterkochen. Familien sind nach der langen Corona-Pandemie ohnehin verunsichert.“ Zwar habe es auch außerhalb Afrikas schon einzelne Fälle gegeben, bei denen Kinder nach einer Infektion schwere Symptome entwickelt hätten, sagte Kinder-Infektiologe Tenenbaum.

Aber auch dann gebe es Behandlungsmöglichkeiten. Dass Kinder im Verdachtsfall wie nun in Großbritannien auf eine Intensivstation verlegt würden, erlaube eine bessere Überwachung und Isolation und bedeute nicht unbedingt eine schwere Erkrankung. Daher hätten Berichte über eine besondere Gefährdungslage für Kinder „derzeit keine Datengrundlage“, sagte der DGPI-Vorsitzende der „NOZ“.

„Ich rate zu Besonnenheit, es gibt keinen Anlass zu Panik.“ So sieht es auch Kinderärztepräsident Fischbach: Da die Affenpocken bislang fast ausschließlich in afrikanischen Ländern aufgetaucht seien, seien die Daten über schwere Verläufe bei Minderjährigen nicht 1:1 auf Deutschland und Europa übertragbar. Mangelernährung, ein geschwächtes Immunsystem und vor allem dysfunktionale Gesundheitssysteme könnten bei Todesfällen eine Rolle spielen.

„Wir wissen etwa, dass auch die Kindersterblichkeit bei Masern in Afrika deutlich höher liegt als bei uns.“ Infektiologe Tenenbaum erwartet auch keine größere Affenpocken-Ausbreitung unter Erwachsenen. „Die Gefahrensituation ist gering, weil das Virus nur durch engen Körperkontakt, also über Körperflüssigkeiten oder Krusten, weitergegeben wird und nicht durch Tröpfcheninfektion wie Niesen, Husten oder Sprechen.“