Bonn | Udo Di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, hat den bisherigen Bundestagswahlkampf als oberflächlich kritisiert. So seien die Ziele auf dem Weg zur Klimaneutralität zwar ein überragendes Thema, „die Frage aber, wie man sie mit welchen Kosten und Konsequenzen erreicht, bleibt unterbelichtet“, sagte Di Fabio der „Welt“ (Montagsausgabe).

„Es werden Rentenniveaus versprochen, deren Finanzierung unklar ist.“ Wähler würden nicht hinreichend informiert, fragten aber auch nicht vehement genug nach – „wir wundern uns dann, wenn die Umsetzung erst bei den Koalitionsverhandlungen im Hinterzimmer entschieden wird“. Der politische Prozess blende die größeren Zusammenhänge aus, „die Herausforderungen geopolitischer, demografischer, technologischer, integrationspolitischer und auch fiskalischer Art“. Auch für Parteiprogrammatik bleibe wenig Raum.

„Die volatile Gesellschaft verzeichnet rasche Stimmungsausschläge, wir sehen es aktuell im munter wechselhaften Bild der Wahlprognosen. Das Szenario des Augenblicks, Bilder der Raute, ein deplatziertes Lachen scheinen dann bedeutsamer als politische Konzepte“, so der Bonner Staatsrechtsprofessor. Er machte dafür die nachlassende Verankerung der Parteien in der Gesellschaft verantwortlich.

„Der Parteien- und Verbändestaat mit großer integrativer und diskursiver Gestaltungskraft ist Vergangenheit. Heute nach dem Ende des Systems zweier großer Volksparteien beobachten wir eine neue Parzellierung der politischen Landschaft“, sagte Di Fabio.

Autor: dts