Berlin | aktualisiert | Der sogenannte „Flügel“ innerhalb der AfD ist für den Verfassungsschutz jetzt offenbar offiziell ein Beobachtungsfall.

Der Inlandsgeheimdienst sehe seinen Verdacht bestätigt, dass es sich bei dem Zusammenschluss um eine rechtsextreme Bestrebung handele, berichtete am Donnerstagmorgen unter anderem das ARD-Hauptstadtstudio unter Berufung auf eigene Informationen. Der Flügel war bereits im Januar 2019 vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen eingestuft worden.

Eine offizielle Bestätigung des Inlandsgeheimdienstes gab es zunächst nicht. Mit ihr wird im Laufe des Vormittags gerechnet.

Pazderski: AfD-„Flügel“ muss Strukturen offenlegen

Der Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski fordert vom sogenannten „Flügel“ der Partei, für eine schnelle Beendigung der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu sorgen. „Dazu kann auch der `Flügel` seinen Beitrag leisten, indem er seine Strukturen und seine politische Arbeit in der Partei offenlegt“, sagte das frühere AfD-Bundesvorstandsmitglied dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Nur durch volle Transparenz könne „die Absurdität der Beobachtung schnell wieder beendet werden“.

So schütze er die Masse der AfD-Mitglieder „vor der Bespitzelung durch den Geheimdienst und es kann für jedes seiner Mitglieder individuell nachvollziehbar erklären, dass es absolut verfassungstreu ist“. Pazderski sieht vor allem den „Flügel“-Frontmann Björn Höcke in der Pflicht. „Höcke muss dafür sorgen, dass der Flügel eine klare Linie zu Rechtsextremen zieht“, forderte Pazderski.

Petry: Verfassungsschutz-Beobachtung hätte verhindert werden können

Die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry glaubt, die Verfassungsschutz-Beobachtung des sogenannten „Flügels“ hätte verhindert werden können. „Die Entscheidung, den `Flügel` innerhalb der AfD offiziell zu beobachten, bahnt sich seit 2016 an und hätte mit führungsstarkem Personal verhindert werden können“, sagte Petry dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagsausgaben). „Nun ist die AfD sehenden Auges in die `Republikanerfalle` gerannt.“

Die „Republikaner“ wurden nach Wahlerfolgen 1992 vom Verfassungsschutz beobachtet, die Partei zog danach nie mehr in ein Landesparlament ein. Petry sieht die Beobachtung des „Flügels“ gleichbedeutend mit einer Beobachtung der gesamten Partei. „Da es keine klar erfassbare organisatorische Abgrenzung des Flügels zur Gesamtpartei gibt, ist damit auch die gesamte AfD Beobachtungsobjekt, egal, ob dies gerechtfertigt ist oder nicht. Dies ist dramatisch für den Wähler, aber auch für vernünftige AfD-Vertreter.“ In einer Partei reiche es nicht, selbst vernünftig zu sein, man hafte eben auch für die „Unvernunft der Parteigenossen“. Petry hatte vergeblich den Parteiausschluss von „Flügel“-Chef Björn Höcke betrieben. Nach der Bundestagswahl 2017, bei der sie ein Direktmandat gewann, trat sie aus der Partei aus.

GdP fordert Polizisten zu AfD-Fraktionsaustritt in Thüringen auf

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Thüringer Polizisten, welche der Erfurter AfD-Landtagsfraktion angehören, zum Fraktionsausstritt aufgefordert. „Nach Höckes oft eindeutigen Äußerungen ist die Beobachtung durch den Verfassungsschutz zwangsläufig“, sagte der GdP-Bundesvize Jörg Radek dem „Handelsblatt“ (Freitagsausgabe). Die drei Polizisten in der Thüringer AfD-Fraktion seien der Verfassungstreue verpflichtet.

„Daraus ergibt sich für die GdP: Entweder sie verlassen die Fraktion oder legen den Polizeidienst nieder.“ Hintergrund ist die Beobachtung des sogenannten „Flügel“ der AfD um den Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke durch den Verfassungsschutz.

Klingbeil will Verfassungsschutz-Beobachtung von gesamter AfD

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat eine Beobachtung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz gefordert. „Der rechtsnationale `Flügel` mit Höcke steht in der Mitte der AfD, das hat die Parteispitze immer wieder betont“, sagte Klingbeil dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagsausgaben). „Es müssen also weitere Schritte folgen. Und die können nur sein, dass die AfD als Ganzes vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“ Der SPD-Politiker begrüßte die Entscheidung des Bundesamts für Verfassungsschutz, die AfD-Gruppierung „Flügel“ um den Thüringer Landeschef Björn Höcke künftig zu beobachten. „Es ist richtig, dass der Verfassungsschutz jetzt gegen Teile der AfD aktiv wird“, sagte Klingbeil.

„Protagonisten wie Björn Höcke rufen zum Umsturz unseres Systems auf und munitionieren die rechten Gewalttäter der letzten Monate mit Hass und hetzerischen Worten“, so der SPD-Politiker. „Klar ist aber auch, die AfD kann man nicht in gut und schlecht aufteilen“, sagte der Sozialdemokrat weiter. Laut Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang sieht der Inlandsgeheimdienst den Verdacht als erwiesen an, dass es sich beim „Flügel“ um eine rechtsextreme Vereinigung handelt.

Beamtenbund warnt Behördenmitarbeiter vor Engagement im „Flügel“

Der Beamtenbund hat Behördenmitarbeiter davor gewarnt, sich im „Flügel“ der AfD zu engagieren. „Dass der `Flügel` jetzt offiziell vom Verfassungsschutz beobachtet und damit als verfassungsfeindlich eingestuft wird, ist ein Alarmzeichen, und ich kann alle Kolleginnen und Kollegen nur auffordern, sich dort nicht zu engagieren“, sagte der Bundesvorsitzende des Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagsausgaben). „Egal ob links- oder rechtsextremistisch: wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen“, ergänzte er.

Zugleich hob Silberbach hervor, dass die Hürden für Disziplinarverfahren oder eine Entlassung aus dem Beamtenberuf „hoch“ seien, „solange die Verfassungswidrigkeit des `Flügel` nicht gerichtlich festgestellt ist“.

Autor: dts