Dokufilm über den Sprayer von Zürich der auch in Köln sehr aktiv war
Köln/Zürich | Der Schweizer Harald Naegeli ist ein außergewöhnlicher Künstler, der auch in Köln am Museum Schnütgen seine Spuren als Sprayer zurückgelassen hat. Alle andere Werke sind wie in vielen anderen Städten inzwischen verschwunden. Seit 1977 musste er sich immer wieder der Frage stellen, ob seine Graffiti Kunst oder Sachbeschädigung darstellen. Er wurde verklagt, kam ins Gefängnis, wurde aber auch als Künstler ausgezeichnet. Das Kölner Museum Schnütgen widmet ihm ab März 2022 eine Sonderausstellung. Am Donnerstag kommt der Dokumentarfilm „Harald Naegeli – der Sprayer von Zürich“ in die Kinos. Er zeigt die facettenreiche Persönlichkeit des berüchtigten Künstlers – als visionären, streitbaren Künstler, als Rebellen, Philosophen und als scharfsinnigen, humorvollen Menschen. Stephan Eppinger sprach vorab mit der Regisseurin Nathalie David.
Wie haben Sie Harald Naegli als Mensch und Künstler erlebt?
Nathalie David: Es hat fast zwei Jahre gedauert, bis wir Kontakt zu Harald Naegeli aufnehmen konnten. Auf die erste Mail hat er 2019 wegen seiner schweren Krankheit ablehnend reagiert. Mich hat ein Künstler, der mitten in Europa wegen seiner Graffitis ins Gefängnis kommt, berührt. Mir war klar, dass ich dazu etwas machen muss. Für mich ist Naegeli auch kein Sprayer, sondern ein Künstler, der sehr präzise arbeitet und der seine Kunst auch sehr bewusst platziert. Er hat sich schon früh mit Themen wie Natur, Umweltschutz und Tierschutz beschäftigt.
Der Kontakt kam dann doch noch zustande.
David: Naegeli hatte mich nach dem ersten Kontaktversuch in seinen Mailverteiler aufgenommen. Dort habe ich regelmäßig seine Statements gelesen. Unter anderem hat er geschrieben, dass nach einer Nacht mit massiven Schmerzen angefangen hat, an einer apokalyptischen Serie zu arbeiten. Darauf habe ich ihm erneut eine Mail sowie einen Brief geschrieben und ihm gesagt, dass ich eine Hommage an einen Utopisten machen möchte. Heute braucht es Menschen mit Utopien und einem großzügigen Geist, wie ihn Naegeli verkörpert. Das hat ihn beeindruckt und er hat mich in seinem Düsseldorfer Atelier eingeladen. Dort haben wir uns zunächst gegenseitig gezeichnet und dann intensiv über Kunst gesprochen. So wurde langsam das Vertrauen zwischen uns aufgebaut. Ich war dann über drei Monate regelmäßig bei ihm in Düsseldorf. Oft habe ich ohne ein Kamerateam gearbeitet und nun selbst gefilmt. Sonst hätte der Dialog nicht funktioniert. Es war eine tolle Zeit. Naegeli ist ein großzügiger Mensch. So stammt er aus der Züricher Großbourgeoisie. Sein Geld hat er aber nicht für sich behalten, sondern für Charityprojekte bzw. für den Natur- und Tierschutz investiert.
Was macht Naegeli als Künstler aus?
David: Ganz zu Beginn des Films reflektiert Naegeli über die Künstler, die ihn und sein Werk am meisten beeinflusst haben. Dazu zählte insbesondere Paul Klee, aber auch Hans Arp. Er selbst wurde als Sprayer bekannt. Wenn man sich intensiv mit ihm auseinandersetzt, wird klar, dass er ein Konzeptkünstler ist. Als erfahrener Schachspieler weiß er genau, wie er seine Werke platzieren muss.
In Köln gab es viele Werke von Naegeli. Bis auf ein Graffiti am Museum Schnütgen sind diese heute verschwunden. Wie geht ein Künstler mit der Vergänglichkeit seines Werks um?
David: Naegeli ging es darum ein Zeichen in der Stadt zu setzen. Es entspricht der Identität dieser Kunst, dass sie irgendwann verschwindet. Sie hinter Plexiglas zu schützen, wäre falsch. Außerdem gibt es noch viele Zeichnungen und Fotos von seinen Werken. Zudem hinterlassen diese, auch wenn sie verschwunden sind, noch ihre Spuren auf der Wand. Als er wegen seiner Arbeiten ins Gefängnis musste, hat er einen Job als Tütenkleber bekommen. Die Tüten hat er dann mit kleinen Zeichnungen versehen. Die Haltung, das Konzept und die Aktion waren Naegeli wichtig, nicht wo seine Kunst schließlich landet.
Ein zentrales Werk im Film ist der „Totentanz“ in Zürich.
David: Das ist das zentrale Thema und der rote Faden im Film. Es wurde nie verwirklicht. Zwölf Jahre hat er dafür mit den Behörden der Stadt gestritten. Dann bot man ihm einen mit Schutzblech eingegrenzten Bereich dafür an. Weil er zehn Zentimeter über diese Grenze hinaus gegangen ist, wurde die Arbeit schließlich verboten. Darauf hat Naegeli 80 Totentänzer als Graffiti über Nacht überall in der Stadt angebracht.