Köln | Die von der Stadt Kerpen im Herbst 2018 auf Weisung der NRW-Landesregierung durchgeführte Räumung und Beseitigung von Baumhäusern und anderen Anlagen im Hambacher Forst ist rechtswidrig gewesen. Das entschied das Verwaltungsgericht Köln in einem am Mittwoch verkündeten Urteil. Aus der Weisung des Ministeriums sei erkennbar, dass die Räumungsaktion letztlich der Entfernung der Braunkohlegegner aus dem Hambacher Forst gedient habe, hieß es zur Begründung.

Eine kurze Chronologie der Ereignisse

Räumung und Abriss der Baumhäuser im Hambacher Wald rechtswidrig, so entschied heute das Verwaltungsgericht Köln und bringt damit CDU-FDP-Landesregierung in Erklärungsnot. Die erste Waldbesetzung geht auf das Jahr 2012 zurück, die 2013 geräumt wurde. 2014 gab es zwischen dem Kreis Düren und Juristen von RWE eine Besprechung. Die RWE-Juristen legten ein Gutachten der Kanzlei Redeker/Sellner/Dahs. Die Bauordnungsbehörden seien zuständig rieten die RWE-Juristen, eine Einschätzung, die das NRW-Bauministerium unter SPD-Minister Michael Groschek nicht teilt.

Am 28. November 2017 stoppte eine Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster eine Polizeiaktion und die bereits begonnene Räumung. Die NRW-Landesregierung erklärte am 4. September 2018 die Baumhäuser zu „baulichen Anlagen“. Nur durch diesen Erlass kann später die Räumung angeordnet werden und das Bauministerium weist die unteren Bauaufsichtsbehörden an tätig zu werden. Am 12. September 2018 weist das NRW-Bauministerium die Räumung der Baumhäuser an, mit der Begründung einer Gefahr im Verzug für Leib und Leben der Baumhausbewohner*innen. Am 13. September beginnt die Schwarz-Gelbe Landesregierung die Räumung und einen der größten Polizeieinsätze in der Geschichte von NRW. Am 19. September 2018 stürzt ein Blogger und Aktivist in die Tiefe und stirbt an seinen schweren Verletzungen. Am 5. Oktober 2018 verhängt das Oberverwaltungsgericht Münster einen Rodungs-Stopp. Am 8. Oktober 2018 verlassen die letzten Polizisten den Hambacher Wald.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln

Das Gericht stellt zu den Abläufen folgendes fest: „In den Jahren 2012 bis 2018 errichteten Gegner des Braunkohlebergbaus in den verbliebenen Teilflächen des Hambacher Forstes eine Vielzahl von Baumhäusern, Plattformen in Bäumen, Holzunterständen und Zelten auf dem Erdboden, Lagerflächen und anderen Anlagen. Im Sommer 2018 wies das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW u.a. die beklagte Stadt Kerpen gegen deren Willen an, die im Hambacher Forst vorhandenen Baumhäuser im Wege des so genannten „Sofortvollzugs“ zu räumen und zu beseitigen. Dabei sollte die Maßnahme ausdrücklich auf baurechtliche Vorschriften und nicht etwa auf das Polizei- und Ordnungsrecht oder das Forstrecht gestützt werden.“ Der Kläger war damals Bewohner einer der Anlagen im Hambacher Forst und hält die Zerstörung seiner Wohnung für rechtswidrig.

Dem ist das Gericht im Ergebnis gefolgt. Zur Begründung führte es aus, die Maßnahme leide an verschiedenen rechtlichen Mängeln. Vor allem sei aus der Weisung des Ministeriums erkennbar, dass die Räumungsaktion letztlich der Entfernung der Braunkohlegegner aus dem Hambacher Forst gedient habe. Das aber sei nicht Zweck der angewandten baurechtlichen Regelungen zum Brandschutz, die insofern nur vorgeschoben worden seien. Überdies sei schon die Bezeichnung der zu beseitigenden Anlagen als „Baumhäuser“ unbestimmt, da eine Vielzahl unterschiedlicher Anlagen geräumt und beseitigt worden seien. Zudem sei vor Erteilung der Weisung nicht hinreichend geprüft worden, welche der Anlagen bauliche Anlagen im Rechtssinn seien und damit überhaupt von den Bestimmungen des Brandschutzes erfasst würden.

Gegen dieses Urteil kann vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Berufung eingelegt werden. (Az.: 23 K 7046/18)

Autor: red
Foto: Das Foto stammt aus dem Jahr 2015 und wurde im Hambacher Wald aufgenommen