Der langjährige Kölner Bundestagsabgeordnete Volker Beck, hier bei einer Kundgebung in Berlin im Jahr 2021, wurde zum Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) gewählt. Foto: Imago/epd

Köln | Der langjährige Kölner Bundestagsabgeordnete Volker Beck wurde zum Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) gewählt. Im Interview mit Andi Goral spricht Beck über Antisemitismus, die Isreal-Boykottbewegung BDS und die aktuelle Diskussion um Documenta fifteen und das BGH-Urteil zur „Judensau“ sowie was wir von Israel lernen können.

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl als Präsident der DIG. Was hat Sie bewogen sich bei der DIG als Präsident zu engagieren?

Volker Beck: Israel braucht laute und vernehmbare Freunde. Das Bild von Israel in der Öffentlichkeit ist von vielen Halbwahrheiten gekennzeichnet. Ich hoffe, dass es mir gelingt mit unserem Präsidium, dem Jungen Forum und unseren Arbeitsgemeinschaften an 55 Standorten im ganzen Land das eine oder andere zurechtzurücken …


Die Deutsch Israelische Gesellschaft

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V. ist eine Organisation in Deutschland, in der sich gemäß ihren Leitsätzen „Freunde Israels in überparteilicher Zusammenarbeit zusammenfinden, um in Solidarität mit dem Staat Israel und seiner Bevölkerung zu wirken. Sie setzt sich ein für die Förderung der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel in den Bereichen Zivilgesellschaft, Kultur und Wissenschaft. 
 
www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/
 

Volker Beck

Volker Beck war von 1994 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages für Bündnis90/Die Grünen.Beck war zeitweise rechtspolitischer, menschenrechtspolitischer, innenpolitischer, religionspolitischer sowie migrationspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Von 2002 bis 2013 war er ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer. Von 2014 bis zu seinem Ausscheiden 2017 war er Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages. Seit 2022 ist er Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.

Wo wollen Sie Schwerpunkte setzen und was sind aktuell die wichtigsten Themen die die DIG anpacken wird und muss?

Volker Beck: Wir haben zwei wichtige Aufgaben:

Die Freundschaft Deutschlands mit Israel zivilgesellschaftlich zu fördern, zu beleben und zu verbreitern.

Andererseits müssen wir uns um Israelhass und Antizionismus kümmern: Antisemitismus wird heute im Reden über Israel und den arabisch-israelischen Konflikt transportiert. Brunnenvergifter, Judensau, Kindermörder, was man dereinst über Juden sagte, wird heute von Antisemiten über Zionisten und den jüdischen und demokratischen Staat gesagt. Der antiisraelische Antisemitismus ist der Brandbeschleuniger des Antisemitismus. Dem müssen wir als DIG beherzt mit Haltung und Information entgegentreten.

Kommen wir einmal auf Köln. Die Meldestelle für antisemitische Vorfälle im NS-DOK dokumentiert 55 antisemitische Vorfälle in Köln. Wie bewerten Sie die Zahl und Arbeit der Meldestelle?

Volker Beck: Die Arbeit von RIAS, und die Kölner Meldestelle ist ein Teil davon, ist wichtig um das Dunkelfeld aufzuhellen und den antisemitischen Alltag sichtbar zu machen. Mit der Sammlung antisemitischer Vorfälle verbindet sich einerseits die Hoffnung, dass das Problem gesellschaftlich und politisch ernster genommen wird und dass sich aus der Analyse wirkungsvolle Gegenstrategien gewonnen werden.

In einer ersten Wertung kommt die Meldestelle zur Erkenntnis, dass Antisemitismus ein milieuübergreifendes Phänomen darstellt. Welche Möglichkeiten sehen Sie gegen Antisemitismus wirksam vorzugehen und Menschen zu sensibilisieren?

Volker Beck: Beruflich arbeite ich in einem Forschungsprojekt des Tikvah-Institutes mit 3 Universitäten und einer Polizeihochschule gerade daran

Thema der Meldestelle ist auch die Isreal-Boykottbewegung BDS. Welche Akzente wollen Sie gegen die Israel-Boykottbewegung BDS in ihrer neuen Funktion setzen?

Volker Beck: Es muss klar gemacht werden, dass auch nicht jeder, der BDS für eine unterstützenswerte politische Aktion hält, ein Antisemit sein muss, der Boykott der Waren und von Bürgern des jüdischen und demokratischen Staates ist in in der Anlage wie in der Auswirkung antisemitisch.

Auf der Documenta fifteen wurde das Online-Forum „We need to talk! Art – Freedom – Solidarity“ abgesagt. Ruangrupa und die Kurator:innen des Forums konstatieren in einem offenen Brief in der „Berliner Zeitung“: „Das vorläufige Scheitern des Forums ist somit auch ein Scheitern des deutschen Diskurses zu Antisemitismus und Rassismus.“ Können Sie das nachvollziehen?

Volker Beck: Nein, die documenta ist gescheitert. Wie kann man über Antisemitismus, ohne Vertreter des Zentralrates der Juden, die legitimierte Vertretung der jüdischen Gemeinden, einzubinden, reden wollen. Statt dessen wollte die documenta lieber über Israelkritik und das neue Propaganda-Konstrukt „anti-palästinensischen Rassismus“ reden.

Dass die Kulturpolitik das achselzuckend hingenommen hat, ist kein schönes Bild, um es freundlich zu sagen. Das dementiert manches freundliche Wort anläßlich von Gedenk- und Feiertagen an die Jüdinnen und Juden in Deutschland: Antisemitismus hat seinen Platz in einer von der Bundesrepublik geförderten Ausstellung.

„die documenta ist gescheitert.“

Volker Beck, Präsident der DIG

Unter dem Motto »Keine Bühne für Antisemitismus mit unseren Steuergeldern! Stoppt BDS!« organisiert die Kölner Aktivistin Malca Goldstein-Wolf eine Kundgebung am Eröffnungstag der »documenta fifteen«. Dort werden Redebeiträge von Vertretern des Vereins »Werteinitiative«, des Jungen Forums der Deutsch Israelischen Gesellschaft und des Sprechers für Kultur und Kunst im Hessischen Landtag, Stefan Naas (FDP), erwartet. Goldstein-Wolf spricht davon, dass Entscheider von Kultur und Politik wegsehen würden, wenn Anhänger und Sympathisanten der antisemitischen BDS-Bewegung »Judenhass scheinbar als künstlerische Freiheit deklarieren wollen«. Welche Haltung nimmt die DIG und Sie persönlich zur Dokumenta fifteen ein?

Volker Beck: Ich habe Strafanzeige wegen eines auf der documenta gezeigten Werkes gestellt. Mir fehlt jedes Verständnis der Kulturpolitik, die Kunstfreiheit mit passivem Laufenlassen verwechselt. Wer lauter BDS-Supportern eine solche Veranstaltung übergibt, muss sich nicht wundern, wenn Israelis im Programm ausgeschlossen werden und Antisemitismen auftauchen.

Wie werten Sie das BGH-Urteil zum Verbleib der Schmähplastik „Judensau“?

Volker Beck: Wichtig ist, dass der BGH festgestellt hat, dass die Wittenberger Judensau einen rechtsverletzenden Zustand darstellt, der erst durch die begleitenden Erklärtafeln geheilt wird. Ich teile die Kritik des Zentralrates, dass dies nicht ausreichend ist. Jetzt sind die Kirchen aufgefordert, entsprechend zu handeln. Es gibt die Judensau nicht nur in Wittenberg und Köln, sondern an fast 30 Stellen in Deutschland. Der Kölner Dom hat an 2 Stellen eine Judensau zu bieten.

Lassen Sie uns in die Zukunft sehen: Wie wollen Sie als DIG den Austausch in der Jugend zwischen Israel und Deutschland voranbringen?

Volker Beck: Das deutsch-israelische Jugendwerk muss jetzt endlich seine Arbeit aufnehmen. Schon 2018 wurde das zwischen den beiden Regierungen verabredet. Gerade wir Deutschen haben es nötig, dass wir ein faires und ehrliches Israelbild erwerben. Deshalb sollte die Bundesregierung jetzt die finanzielle Grundlage hierfür legen. Mit unserem Jungen Forum stehen wir zur Unterstützung dieses Austausches gern zur Verfügung.

Israel ist ein modernes Land, das für Diversität, Innovation und eine streitbare Demokratie steht. Es ist viel mehr als ein Land im Nah-Ost-Konflikt. Aber es ist auch ein Land von dem man Sicherheitspolitik lernen kann, Mit Russlands Überfall auf die Ukraine haben wir gesehen, dass wir hier Defizite haben. Hier kann Deutschland viel von Israels Realismus und Wehrhaftigkeit lernen.

Herr Beck, ich danke Ihnen für das Gespräch.