Wiesbaden | Ihren Kurzurlaub haben sich die 145 Passagiere des Hotelschiffs „Bellriva“ wohl anders vorgestellt. Statt nach einer entspannten Rheintalfahrt wieder gesund und munter mit dem Flusskreuzer in Köln anzulegen, wurden die Touristen am Sonntagmorgen in Wiesbaden in mehrere Busse verfrachtet und von der Reederei zurück nach Nordrhein-Westfalen gebracht. Grund dafür war ein hoch ansteckender Virus, der plötzliche Erkrankungen bei zahlreichen Passagieren und Crewmitgliedern hervorrief und zum Abbruch der Reise führte.
„Da waren zwar noch einige, die Symptome zeigten, die Menschen wollten aber nicht in die Klinik, sondern nur noch nach Hause“, sagte Lagedienstleiter Walter Müller von der Feuerwehr. Auf der „Bellriva“ waren 72 Menschen erkrankt. Zunächst war unklar, welcher Erreger seit dem späten Freitagabend unter den 145 meist älteren Passagieren und der 42-köpfigen Crew Beschwerden wie Übelkeit, Brechdurchfall und Kreislaufschwäche ausgelöst hatte. Das Schiff hatte zu dem Zeitpunkt in Wiesbaden angelegt.
Vier der Betroffenen lagen seit Samstagvormittag in den städtischen Horst-Schmidt-Kliniken, wo gleichzeitig ein Ärzteteam anhand von Stuhlproben den Krankheitserreger zu bestimmen versuchte. Drei Patienten wurden einer Kliniksprecherin zufolge stationär aufgenommen. Während ein Passagier bereits am Sonntag gehen durfte, müssten zwei weitere noch ein bis zwei Tage ausharren, sagte die Sprecherin am Sonntag. Wegen des Durchfalls bekamen auch einige Touristen an Bord Infusionen, um sie vor zu hohem Flüssigkeitsverlust zu schützen.
Rauf und runter – nur die Passagiere mussten an Bord bleiben
Am Donnerstag waren die Passagiere in Köln an Bord der „Bellriva“ gegangen, der Besuch des Biebricher Weihnachtsmarkts in der hessischen Landeshauptstadt stand am Freitag als letzter Programmpunkt der Reise an, die am Samstag wieder in der Domstadt enden sollte. Doch es kam anders: Rettungsleute, darunter Notärzte, bevölkerten in weißen Schutzanzügen den Steg von der Biebricher Anlegestelle zum Schiff, das die Passagiere nicht mehr verlassen durften – sie mussten sogar in ihren Kabinen bleiben.
„Was gerade passiert, ist auch für mich sehr ungewöhnlich, eine Schiffsquarantäne hatte ich in über 20 Jahren noch nie“, sagte der ärztliche Leiter des Wiesbadener Gesundheitsamts, Holger Meireis. Die Lage auf dem Schiff nahm der 61 Jahre alte Mediziner sehr ernst. „Die Kreislaufprobleme der Erkrankten können wegen deren Alter einen ernsthaften Verlauf nehmen. Da habe ich Sorge“, sagte er.
Meireis musste lange grübeln, um sich überhaupt an eine Quarantänesituation in seiner Amtszeit zu erinnern. „Es war wohl vor zehn Jahren. Afrikaner in Kirchenasyl trugen den Erreger eines tropischen Fiebers“, erzählte er. Das hätte ein tödlicher Virus sein können. „Wir verhängten tatsächlich Quarantäne über das Gotteshaus. Ging alles gut aus.“
„Der Noro besucht gern Senioreneinrichtungen“
Die Entwarnung auf der „Bellriva“ kam am Samstag kurz nach 14.00 Uhr. Die Kollegen aus den Horst-Schmidt-Kliniken meldeten: Der Übeltäter ist ein Norovirus. „Auf den haben wir eigentlich gehofft. Ein alter Bekannter. Hartnäckig, unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich“, kommentierte Meireis erleichtert. „Der Noro besucht gern Senioreneinrichtungen.“ Und da auch der Zustand aller Patienten weiter stabil blieb und Neuinfizierte nicht mehr registriert wurden, hob Meireis nach Abstimmung mit seinem Gesundheitsdezernenten die Quarantäne für die „Bellriva“ sofort auf.
Im Überschwang verkündete ein Sprecher der Stadt freudig, der Flusskreuzer werde noch am Abend die Heimreise antreten. Doch Meireis schritt erneut amtlich ein und erklärte nach einem kurzen Gespräch mit den Schiffsoffizieren: „Die Passagiere gehen erst am Sonntag von Bord und reisen mit Bussen zurück nach Köln. Der Kreuzer bleibt hier und wird dann generaldesinfiziert.“
Die „Bellriva“ solle bis mindestens Montag an der Kette bleiben, sagte Lagedienstleiter Müller. Derweil gingen die Rhein-Kreuzfahrer nach einer letzten Nacht in den Kabinen auf den drei Decks des Schiffs und einem angelieferten Frühstück von Bord.
Autor: Stefan Höhle und Hanna Jochum, dapd