Das Symbolfoto zeigt Sonnenblumen

Köln | aktualisiert und ergänzt | Die Grünen sind aus der Gesellschaft heraus entstanden, anders als etwa das Bündnis Sahra Wagenknecht heute, das eine Abspaltung innerhalb einer Partei war. Vor 40 Jahren saßen die ersten Grünen im Kölner Rat.

Die Grünen sind aus Bewegungen innerhalb der Gesellschaft entstanden. Das beginnt viele Jahre vor ihrer eigentlichen Gründung. Es sind die 1960 Jahre als sich eine außerparlamentarische Opposition formierte. Daraus entwickelten sich Bewegungen mit Zielen innerhalb eines Themenkorridors. Die Umweltbewegung, die Friedensbewegung, die Anti-Atomkraft-Bewegung oder die Frauenbewegung. Mit dem Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten kam mit Bündnis 90 die Bürgerrechtsbewegung der DDR hinzu. Als die Grünen entstanden, waren sie eine radikale Protestpartei in den 1970er Jahren. Es ist die Zeit der bunten und alternativen Listen. Nach dem Bericht des Club of Rome im Jahr 1972 wurden vielen Menschen die ökologischen Folgen der Industriepolitik erstmals klar. Es war die Europawahl 1979, in der zum ersten Mal ein Wahlbündnis „Sonstige Politische Vereinigungen Die Grünen“ antrat. Die politische Bandbreite immens. Im Januar 1980 gründeten sich die Grünen offiziell. Gleich zu Beginn spaltete sich die ÖDP ab. Bei der ersten Bundestagswahl, an der die Grünen im Jahr 1980 teilnahmen errangen sie 1,5 Prozent der Stimmen. Das enttäuschte viele Grüne, hatten sie mit mehr gehofft, da 1979 bereits eine grüne Liste im Bremer Landesparlament saß.

1983 hüpften die Grünen über die 5 Prozent-Hürde bei den vorgezogenen Neuwahlen zum Deutschen Bundestag. Acht Landesparlamente folgten. Nur in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und im Saarland zogen die Grünen erst in den 1990er Jahren in die Landesparlamente. Heute regieren sie in NRW und in Schleswig-Holstein mit. Die Grünen verfolgten damals einen basisdemokratischen Ansatz und hatten sogar ein Rotationsprinzip eingeführt. Das gaben die Grünen auf. Ein anderes Prinzip nicht: Die Trennung von Amt und Mandat. Abgeordnete und Minister dürfen keine Parteiämter bekleiden, wie dies etwa bei der CDU oder CSU gang und gäbe ist. Das ist bis heute auch in Köln so. Die Kommunalpolitiker:innen der Grünen im Stadtrat haben kein Parteimandat.

1984 in den Kölner Rat

Bei der Kommunalwahl am 30. September 1984 zogen die Kölner Grünen zum ersten Mal in den Kölner Stadtrat ein. Sie errangen 10,8 Prozent der Stimmen und damit 10 Sitze. Die FDP schaffte damals den Einzug nicht. Die SPD wurde 1984 mit 46,4 Stimmen stärkste Kraft vor der CDU mit 37,8 Prozent der Stimmen. Die SPD hatte 45 und die CDU 36 Sitze. Bis zur Kommunalwahl 2020 blieben die Grünen im Kölner Stadtrat immer drittstärkste Kraft. Er bei der Wahl 2020 überflügelten die Grünen sowohl SPD, wie auch CDU, die beide 19 Sitze und die Grünen 26 Sitze erhielten. 1979 traten die heutigen Kölner Grünen als Die Kölner Alternative an, mit der sie 4 Prozent erreichten. Es waren wilde Zeiten damals in Köln: Der wilde Streik bei Ford im Jahr 1973, das Biermann-Konzert in der Sporthalle und Anfang der 1980er Jahre die Besetzung des Stollwerck. Das ist dort, wo heute das Bürgerhaus in der Kölner Südstadt steht. Besetzte Häuser und Köln machte in der links-alternativen Szene bundesweit Schlagzeilen.

Nehmen wir die Besetzung der Stollwerck-Schokoladenfabrik. Mehr als 100 Jahre hatte Stollwerck in der Kölner Südstadt Schokolade produziert. 1975 wurde der Komplex aufgegeben. Es folgte eine kommunalpolitische Auseinandersetzung um die Neugestaltung der Südstadt. Am 20. Mai 1980 begann die Besetzung des Fabrikkomplexes. 49 Tage besetzten teilweise mehr als 600 Besetzer:innen die Häuser. Bis heute gilt diese Besetzung als die größte Besetzung in Köln, auch wenn später Besetzungen wie am Barmer Viertel folgten. Am 6. Juli 1980 endete die Besetzung. Es war die links-alternative Künstlerszene, die sich angesiedelt hatte im „Autonomen Kulturzentrum Stollwerck“. Ein Teil des Geländes war sogar an den Circus Roncalli vermietet.

Als die Grünen in den Rat einzogen gab es in Köln mannigfache Initiativen: Die Nippeser Baggerwehr, das Kölner Komitee gegen Isolationshaft, die Chile Solidarität oder die Sozialistische Selbsthilfe. Ohne diese engagierten Bürgerinitiativen und Kölner Bürger:innen gäbe es heute vieles nicht in Köln: Der „Baui“-Friedenspark, das NS-Dokumentationszentrum im ELDE-Haus, das der Rat 1979 beschloss, die Bürgerzentren, die Alte Feuerwehr, alles das gäbe es ohne die Kölner Alternativszene nicht. Nicht alles ist alleine den Grünen zuzuschreiben, aber sie gehören in diesen Kontext, vor allem kamen die Grünen der ersten Stunden nicht selten aus diesen Initiativen.

Wer waren diese Grünen als es in den Kölner Rat 1984

Der ersten grünen Fraktion im Kölner Stadtrat 1984 gehörten Kunigunde Haep, Ingeborg Braunert, G. Rösing-Granzer, Manfred Waddey, Hartmut Strube, M. Schneidewind, Ludwig Hoerner, Gerhard Brust, K.-H. Buchholz und Richard Plöthner an. Wichtige Kölner Urgesteine bei den Grünen waren Ossi Helling für das Thema Soziales, Rolf Stärck im Bereich Wohnen und für die Kultur Li Daerr. Grüne, die in den Folgejahren viele Fäden für die Grünen verbanden waren Jörg Frank ab 1989 bis 2020 im Rat, Barbara Moritz, viele Jahre Fraktionsvorsitzende, Anne Lütkes, Fraktionsvorsitzende im Kölner Rat für die Grünen von 1989 bis 1999 und 1999 OB-Kandidatin und Manfred Waddey, der viele Jahre die Finanzen der Kölner Grünen betreute.* In der ersten Sitzung sprachen sich die Kölner Grünen damals gegen die Namensgebung „Fregatte Köln“ aus. Am 30. Oktober 1984 war bereits der Kölnpass auf der Tagesordnung. Zu Beginn waren die Grünen in ihrem Selbstverständnis Fundamental-Opposition und Sprachrohr für die vielen Initiativen in der Stadt. Man identifizierte sich nicht mit der Stadtgesellschaft. Auch nicht mit dem klassischen Karneval. Heute gehen die Grünen wie selbstverständlich auf die Prinzenproklamation und der ein oder andere grüne Funktionär ist Ehrenmitglied in einem Traditionskorps. Als die Grünen zum ersten Mal in den Kölner Rat einzogen war SPD-Mann Norbert Burger Oberbürgermeister.

Report-K berichtete ausführlich über das Fest zu 30 Jahren Kölner Grüne im Rat. Den entsprechenden Artikel finden Sie hier:

Ob die Grünen, die in diesem Jahr 40 Jahre Kölner Grüne im Stadtrat feiern werden, noch den Fehlfarben Hit „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran“ kennen? Bei der Feier zum 30-Jahre Jubiläum waren noch Grüne der ersten Stunde im Kölner Rat vertreten, die sicher mal auf den Song getanzt haben. Heute, nachdem die Grünen stärkste Kraft in Köln wurden, finden sich keine Urgesteine mehr im Kölner Rat.

Jörg Frank, langjähriger Fraktionsgeschäftsführer der Kölner Grünen im Rat, stellte report-K einen Artikel zur Verfügung, den er selbst für die grüne Mitgliederzeitung „Mach et“ zur damals neuen Rot-Grünen Kooperation im Kölner Rat verfasste. Hier der Artikel aus dem Jahr 2006 im Wortlaut – kursiv gesetzt – den die Redaktion am 14. Oktober 2024 ergänzte: 

Nach 22 Jahren: Rot-Grün in Köln

Es ist durchaus nicht vermessen, die einstimmigen Entscheidungen der Kreismitgliederversammlung der Kölner Grünen und des Unterbezirksausschuss der KölnSPD am 21. März 2006 zur rot-grünen Kooperationsvereinbarung als „historisch“ zu bezeichnen. Beginnend mit Hessen hat es seit Mitte der 80er zahlreiche rot-grüne Bündnisse auf allen Ebenen bis zur Bundesregierung – wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg – gegeben. Nur in Köln nicht. 1984 zogen die Grünen erstmals in den Kölner Rat ein. Seitdem wurden mit der SPD dreimal Haushaltsvereinbarungen getroffen, die allerdings wegen ihrer kurzen Reichweite kaum nachhaltige Spuren hinterließen.

22 Jahre hat es mithin gedauert, bis es erstmals gelang, dass die Kölner Grünen einen weit reichenden politischen Kooperationsvertrag mit der SPD erfolgreich aushandelten. In den letzten 20 Jahren hat es hingegen markante schwarz-grüne Einzelentscheidungen gegeben, wie z.B. Bildung des selbst verwalteten Bürgerzentrums Alte Feuerwache, Standortentscheidung für das neue Walraff-Richartz-Museum, Gründung der KölnBäder GmbH, Ausgliederung der Sportstätten, eine fast zwei-jährige begrenzte Kooperation mit der CDU und schließlich eine schwarz-grüne Koalition, die bundesweit Aufsehen machte.

Hingegen nur ganz wenige nachhaltige Entscheidungen mit der SPD. 1989, 1995 und 1999 scheiterten Verhandlungen über Kooperationen bzw. Koalitionen, weil die SPD die Grünen dazu zwingen wollte, sich zu verbiegen und ihre Identität zu beschädigen. Mit diesem permanenten
Scheitern sind Namen verbunden wie Heugel, Lüttgen, Klefisch, Biciste, Allmer und nicht zuletzt Rüther. SPD-Führer, die aus ihrer Partei flüchten mussten, nachdem enthüllt wurde, dass sie maßgeblich in der Parteispendenaffäre verstrickt sind und in Verdacht gerieten, im Korruptionsskandal um den Bau der MVA (Anmerkung der Redaktion: Müllverbrennungsanlage)mitgemischt zu haben. 1989 scheiterten die Verhandlungen just daran, dass die Grünen ihre Zustimmung zu dieser MVA verweigerten.

Heugel war 1999 Oberbürgermeisterkandidat. In der heißen Wahlkampfphase fiel er über ein Insidergeschäft mit F&G-Aktien (Felten & Guilleaume). Die grüne Bewerberin Anne Lütkes unterlag in der Stichwahl gegen CDU-Kandidat Harry Blum nur knapp, weil ihr die SPD in ihrer Mehrheit die Unterstützung verweigerte. Der Rest ist bekannt. Die Grünen haben in Köln einschneidende Erfahrungen mit der SPD sammeln können, die sich tief in das kollektive Gedächtnis eingegraben haben.

Inzwischen hat die KölnSPD neues und junges Führungspersonal, das sich mit dieser Vergangenheit nicht identifiziert. Aber sie müssen wissen, eine so alte Partei wie die SPD kann diese Vergangenheit nicht abschütteln. Grüne und SPD sind sich noch fremd. Kein Wunder. Vertrauen muss sich erst noch entwickeln. Es kann nur in konstruktiver und fairer Zusammenarbeit wachsen. Darin liegt eine neue Chance – gerade für diese Stadt. Seit 1979 ist die CDU durchgehend an den Schalthebeln der Macht. Bis 1998 als Junior der SPD, seitdem bis heute als größte Fraktion im Rat. Ihre internen Zerwürfnisse und heillose Zerstrittenheit ist auch Ausdruck ihrer Verfilzung, intellektuellen Verarmung und ihrer politischen Reduzierung auf reinen Machttrieb. Vielleicht ist es eine Gesetzmäßigkeit, dass Parteien, die Jahrzehnte an der Regierung sind, dahin verkommen. Erneuerung kann die CDU eigentlich nur in der Opposition finden. Diese braucht sie auch personell.

SPD und Grüne haben zwar in den Ausschüssen eine Mehrheit, aber nicht im Rat. Dort verfügen sie über 43 von 90 Stimmen. Gegen Rot-Grün kann nicht regiert werden. Rot-Grün hat aber nicht die Macht. Rot-Grün kann nur überzeugungsfähige Angebote machen, wie Köln aus der Stagnation zu befreien ist und wieder Perspektive findet. Dazu ist die finanzpolitische Handlungsfähigkeit unerlässlich.

In dieser besonderen Konstellation liegt auch eine einmalige Chance, z.B. nicht die machtpolitischen Fehler anderer zu begehen, sondern BürgerInnen und Ratsmehrheiten für eine Politik zu gewinnen, die trotz Finanzkrise sozial und gerecht ist, die für Lebens- und Umweltqualität steht und dafür sorgt, dass Köln wirtschaftlich nach vorne kommt.

Jörg Frank
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Fraktionsgeschäftsführer; seit 1989 im Rat der Stadt Köln. (Hinweis der Redaktion: Mit der Kommunalwahl 2020 beendete Jörg Frank seine Tätigkeit im Kölner Rat)
Veröffentlicht in „Mach Et“, Mitgliederzeitung Bündnis90/Die Grünen Köln – März 2006


  • Hinweis der Redaktion: In dieser Passage fehlten die Mitglieder der ersten grünen Ratsfraktion. Diese wurden, neben anderen Grünen Persönlichkeiten der ersten Jahrzehnte ergänzt. Zudem hatte sich bei den Personalien ein Fehler eingeschlichen, der mittlerweile korrigiert ist.