Köln | Im letzten Jahrhundert gab es eine Zeit, da war Köln ein Ort mit Strahlkraft für Kunst. Das war Ende der 80er Jahre. In diese Zeit fällt die Eroberung des Kolbgeländes in der Ehrenfelder Helmholtzstraße durch Künstler. Heute ist die Halle ein Gesamtkunstwerk aus 30 Jahren. Morgen soll Schluss sein. Die Stadt, selbst nicht mehr Eigentümerin des Geländes will räumen und die 3.000 qm an den Eigentümer NRW Urban übergeben. Die rechtliche Situation scheint eindeutig. Sie spricht nicht für die Künstler. Die künstlerische und historische Bewertung spricht für den Erhalt, denn die Kolbhalle ist eine einzigartige soziale Plastik.

Fotorundgang durch die Kolbhalle >

Die juristische Lage scheint eindeutig

Wer nur die Tatsachen betrachtet, vor allem die juristischen Fragestellungen kommt schnell zu einem Ergebnis. Die Künstler müssen räumen, das Gelände verlassen, auch wenn einige Abläufe die Kommune und die Verwaltung in einem moralisch schlechten Licht zeigen. Die Kolbhalle ist sanierungsbedürftig. Der Vermieter an die Künstler, die Stadt Köln, hat die Immobilie heruntergewirtschaftet und sich nicht gekümmert. Das ist die Stadt Köln, die gerne schon mal bei Vermietern dieser Art, wie in Chorweiler, die moralische Keule herausholt, aber selbst nicht besser ist. Ratspolitiker sprechen dann immer den Satz: „Eigentum verpflichtet“. Hier hat der Vermieter alles schleifen lassen und sich in bester Heuschreckeninvestorenmanier aus der Eigentumsverpflichtung davongestohlen. Davon ausgehend, dass die Stadt Köln bei der NRW Urban Hauptmieter ist und die Künstler Untermieter der Stadt Köln stellt sich folgende Rechtssituation: Die Stadt Köln hat den Mietvertrag mit der NRW Urban einseitig gekündigt. Damit muss sie das Gelände an die NRW Urban übergeben und die Untermieter aufgefordert werden, das Gelände zu verlassen. Tun die das nicht, kann die Stadt einen Räumungstitel erwirken und zwangsräumen lassen, was sie getan hat. Das soll morgen passieren, denn die Stadt hat einen vollstreckbaren Titel.

Die Künstler sagen nun, der Titel des Amtsgerichtes Köln sei nicht rechtskräftig, weil er sich auf eine falsche Ausgangslage bezieht, dass die Kolbhalle rein gewerblich genutzt würde. Es handele sich aber auch um eine Wohnnutzung, unter anderem weil die Stadt selbst den Ausbau der Wohnungen mitfinanziert hat, wie das Landgericht Köln entschieden habe.

Die Bedeutung des Geländes

Wer sich heute der Kolbhalle nähert findet eine Insel vor. Eine Insel die zwischen moderner Wohnbebauung steht. Vor einigen Jahren war das anders. Da waren nur wenige Wohnhäuser, gegenüber die riesige Kolbhalle und es gab andere Pläne für das Gelände. Da störte die Kolbhalle nicht und war auch kein Wertobjekt, was sie heute im Zuge der wachsenden Stadt ist. Wer die Kolbhalle betritt und sich ein wenig in der jüngeren Geschichte Ehrenfelds und der Kölner Kunstszene auskennt, der ist begeistert, denn er findet ein Gesamtkunstwerk vor, dass typisch für einen Teil der Kunst- und sozialen Protestbewegung der letzten 30-40 Jahre ist. Michael Reinker, der seit 13 Jahren in der Kolbhalle lebt und arbeitet, spricht von einer sozialen Plastik im Sinne von Beuys und trifft damit den Kern. Das Gesamtkunstwerk Kolbhalle ist ein lebendiger Organismus, der sich entwickelt hat. Es finden sich Stücke aus der Zeit, als die Künstler die Industriebrachen in Ehrenfeld entdeckten und die kreative Landnahme der Stadtschaft begann. In der Kolbhalle leben „Bel Air“ oder „Ruine“ wieder auf, erinnert man sich an den wilden Expressionismus der „Mülheimer Freiheit“, spürt die Protestbewegungen der 70-90er Jahre, die Idee der Gemeinschaftsküche. Bilder, Gemälde, Plastiken, Protestplakate, Werbeplakate, das Bildnis von Wirtschaftswunderpolitiker Erhardt mit Zigarre aus dem „Bel Air“, Zirkuswagen ein umfunktionierter roter Straßenkreuzer, alte Zirkuswagen. Ein Buch würde nicht reichen alles zu beschreiben. Das Wichtigste ist allerdings, als Einzelteile betrachtet, bekommen die Stücke nicht die Mehrdimensionalität, wie sie sie jetzt im Gesamtkunstwerk entfalten. Wer dies nachspüren will, der merkt das sehr schnell, wenn man zwischen Ausstellungshalle und der Halle, wo die Künstler leben und arbeiten wechselt.

Für den Etepetete-Kunstmarkt ist die Kolbhalle allerdings nichts. Es ist ein authentischer Ort, wo Menschen, die Kunst machen, Kunst machen. Kunst die nicht nach dem Kunstmarkt schielt, sondern sich mit eigenen Brüchen, Ideen, Vorstellungen beschäftigt. Voll, chaotisch und unaufgeräumt. Ein Ort der früher Sammlern in der Vorzeit vor Art Miami Basel, Fair Art, Art Cologne, Freeze und wie die Champagnerparty-Kunstdealorte heute alle heißen, als Kunstentdeckungsterrain galt. Kann und muss man einen solchen Ort erhalten? Ja, denn er ist nicht nur ein Ort wo Kunst geschieht, sondern er ist ein zeitgeschichtlicher Ort der in Köln und vielleicht in ganz NRW, sogar Deutschland mittlerweile einmalig ist. Er zeigt wie Künstler unwirtliche Orte der Wirtschaft übernommen haben, Freiräume geschaffen haben und sogar neue Wohnformen entwickelt haben, wie die des Lofts.

Kann man dort noch wohnen?

Das die Stadt Köln dort Wohnen aus brandschutztechnischen Gründen für gefährlich hält ist nachvollziehbar. Ob dies noch ein guter Ort ist, um überhaupt zu wohnen, ist fraglich. Als Atelierort und Kunstort ist er allerdings noch geeignet, mehr noch, muss er eigentlich erhalten bleiben. Denn aus dieser Vorphase Ehrenfelds bleibt immer weniger übrig, am Grüner Weg entstehen Wohnungen, das Heliosgelände wird schicke Schule und aus dem ehemaligen Kunstort Ehrenfeld wird das hippe Designquartier. Als Ort der die Landnahme durch Künstler, auch als soziale Bewegung dokumentiert, ist die Kolbhalle ein Diamant, vor allem in ihrer jetzigen Zusammenstellung der Objekte, getrieben durch die Sammel- und Malwut ihrer Macher.

Eindimensionale Kulturpolitik

An der Kolbhalle wird aber auch die Unfähigkeit der Kulturverwaltung, der Verwaltung, des Oberbürgermeisters und der Politik deutlich eingefahrene Pfade zu verlassen und neue Wege zu denken, sichtbar. Wie mit Scheuklappen blickt man immer nur in eine Richtung, was kostet das die Stadt Köln? Man will das Objekt loswerden, die Kosten für die Sanierung sind hoch, die Erträge niedrig und die Renditen bei Wohnbebauung sind exorbitant. Warum sucht die Stadt und Kulturverwaltung nicht nach einem Mäzen? Einem, der vielleicht mal kein Bild fürs Wohnzimmer oder eine Skulptur für den Garten sucht, sondern mit einer Stiftung eine solche soziale Plastik unterstützt und sich damit einen Namen macht? Warum zeigt man diesen einmaligen Ort, der sicher auch der Pflege bedarf, nicht einmal bei einer Art Cologne und bietet diesen an? Die Künstler wollen das Gelände kaufen, die Stadt hat ein Vorkaufsrecht. Sie wollen die nötigen Mittel mit Crowdfunding zusammenbekommen. Wenn die Stadt und NRW Urban die Kolbhalle als Altlast empfinden, warum schafft man nicht wie bei der Altlast Kalkberg oder wenn man an die Neue Heimat denkt, Regelungen, dass die Kolbhalle für den symbolischen einen Euro an den Verein verkauft wird?

Wenn die Stadt morgen die Kolbhalle räumt, dann zerstört sie ein Gesamtkunstwerk, diese soziale Plastik für immer, das durch die gewachsene Form zu dieser geworden ist und räumt damit eine Kunstzeit, die für Köln wichtig war, einfach beiseite. Einer der Künstler hatte Tränen in den Augen als er uns sein völlig chaotisches Atelier zeigte. Er bezeichnet sich selbst als Undergroundkünstler, einer, dem die Galerienwelt nicht liegt und der auch keine hat. Seine Arbeit in der Kolbhalle ist in der Kolbhalle richtig aufgehoben und fast ein wenig museal. Er auch. Neben der sozialen Plastik sind dann morgen auch 16 Künstler ohne Heimat. Eine Heimat die bis heute internationalen Künstleraustausch pflegte, zu Letzt Heimat für das Cityleaksfestival war und in der, als es sie noch gab manche heiße Salsatanzsohle zum Glühen gebracht wurde.

Im Politikerneudeutsch gibt es das Wort Moratorium. Die Kolbhalle und ihre Künstler hätten, trotz Räumungstitel, ein Moratorium in letzter Sekunde noch einmal verdient, ein mehrdimensionales Nachdenken und die Suche nach einem Mäzen. Alles andere wäre eine Schande für die Kulturpolitik, Kunststadt Köln und das Kunstland NRW.

Autor: Andi Goral