Wulff im dritten Anlauf zum Bundespräsidenten gewählt
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff ist im dritten Wahlgang zum Bundespräsidenten gewählt worden. Wulff erhielt 625 Stimmen und erreichte damit die erforderliche einfache Mehrheit. In den ersten beiden Wahlgängen hatte er mit 600 und 615 Stimmen die absolute Mehrheit von 623 Stimmen verpasst. Der Kandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, kam im dritten Wahlgang auf 494 Stimmen. Zuvor hatte er noch 499 und 490 Stimmen bekommen. Zwei Stimmen waren im dritten Wahlgang ungültig, 121 Wahlmänner enthielten sich ihrer Stimme. Offenbar verließen zwischenzeitlich mehrere Wahlberechtigte die Bundesversammlung. Von 1.244 Mitgliedern gaben im ersten Wahlgang 1.242 Wahlberechtigte ihre Stimme ab, im zweiten Wahlgang 1.239, im dritten 1242. Bisher wurden nur zwei der neun Bundespräsidenten im dritten Wahlgang gewählt. Dabei handelte es sich im Jahr 1969 und Gustav Heinemann und 1994 um Roman Herzog.

STIMMEN AUS DEUTSCHLAND
Scharfe Kritik an Linkspartei
Nach dem verpassten Einzug von Joachim Gauck ins Schloss Bellevue erheben SPD und Grüne massive Vorwürfe gegen die Linkspartei. "Die Linke hat sich richtiggehend entlarvt", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) der "Frankfurter Rundschau". "Im Zweifelsfall setzt sie Ideologie vor politische Handlungsfähigkeit", so Beck weiter. Nach zwei gescheiterten Wahlgängen des schwarz-gelben Kandidaten Christian Wulff hatte die Linkspartei zwar ihre Kandidatin Luc Jochimsen zurückgezogen und den Abgeordneten das Votum freigestellt. Die überwältigende Mehrheit der Fraktion enthielt sich jedoch der Stimme. SPD und Grüne wollen neben der für Kanzlerin Merkel blamablen Zitterpartie bei der Wahl von Wulff nun vor allem das Abstimmungsverhalten der Linkspartei anprangern. "Die Partei ist der Verantwortung in der Bundesversammlung nicht gerecht geworden", sagte der stellvertretende SPD-Chef Olaf Scholz. Beck sagte, er fühle sich in seiner Skepsis gegenüber der Linkspartei bestätigt: "Ein Sieg im Hinterzimmer ist denen wichtiger als eine personelle Weichenstellung von größter Bedeutung für die Bundesrepublik." Gleichwohl wertet die Opposition die Zitterpartie bei der Bundespräsidentenwahl als Niederlage für Merkel. "Für die Kanzlerin ist das furchtbar", sagte Scholz: "Sie hat sich zu sehr von Parteitaktik leiten lassen. Gauck hat das grell beleuchtet." Beck sprach gar von einem "Waterloo" für die CDU-Chefin. Sie habe nicht wahrgenommen, wieviel "ehrliche Unterstützung für Gauck?" und wieviel "Groll gegen die Koalition" es in ihren Reihen gebe.

Zum Verlauf der Bundesversammlung erklärt der Juso-Bundesvorsitzende Sascha Vogt: "Merkel ist am Ende: In zwei Anläufen schafft es die Koalition nicht, die eigenen Leute vom schwarz-gelben Kandidaten Wulff zu überzeugen. Schwarz-Gelb hat abgewirtschaftet. Merkels Regierung leidet nicht nur unter einem massiven Vertrauensverlust in der Bevölkerung, sondern auch in den eigenen Reihen. Die drei Oppositionsparteien haben allerdings die Chance vertan, heute Merkel in eine ernsthafte Regierungskrise zu stürzen.

Merkels Regierung ist in der Krise. Es gibt eine gesellschaftliche und politische Mehrheit gegen Schwarz-Gelb. Nun ist eine entschlossene Opposition gefordert. Von den Oppositionsparteien war es politisch fahrlässig, sich nicht vorab auf einen gemeinsamen, von allen drei Parteien getragenen Kandidaten zu verständigen. Von der Linkspartei war es unverantwortlich, Gauck nicht im zweiten oder dritten Wahlgang mitzuwählen. Angesichts des Zustands der Regierungsparteien ist nun ein entschlossenes und abgestimmtes Handeln der Opposition notwendig. Doch die Linke beschäftigt sich zu sehr mit sich selbst, anstatt Merkel endlich abzusetzen."

KÖLNER STIMMEN:
Der Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Paul gratuliert Christian Wulf zu dessen Wahl als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland: „Christian Wulff wird in hervorragender Weise alle Menschen in unserem Land vertreten. Er hat klare Standpunkte und ist offen für Neues. Er bringt aufgrund langjähriger Erfahrung im politischen und gesellschaftlichen Leben sehr gute Voraussetzungen mit, um erfolgreich die Aufgaben eines Bundespräsidenten wahrzunehmen sowie unser Land im Ausland zu vertreten. Viele Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Kölner Wahlkreis haben mich im Vorfeld nach meiner Entscheidung bei der Wahl gefragt. Ich habe ihnen geantwortet, dass ich in der 14. Bundesversammlung für Christian Wulff stimmen werde. Er hat Niedersachsen erfolgreich in teilweise schwierigen Zeiten regiert. Er ist ein erfahrener und beliebter Politiker, der über Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen und Vertrauen genießt. Das zeigen die guten Wahlergebnisse, mit denen er in Niedersachsen zum Ministerpräsidenten gewählt und wiedergewählt wurde. Lieber Herr Wulff, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland!“

Zum ebenfalls angetretenen Kandidaten Joachim Gauck sagt Michael Paul: „Herr Gauck hat sich als guter und wahrhaftiger Demokrat präsentiert, er hat um die Stimmen von noch unentschlossenen Mitgliedern der Bundesversammlung geworben und mit seiner Kandidatur eine lebhafte Diskussion um die Rolle des Deutschen Staatsoberhaupts und dessen Verankerung in der Bevölkerung angestoßen. Er verdient unseren Respekt. Ich wünsche ihm persönlich alles Gute für die Zukunft.“

Zu der Tatsache, dass Christian Wulff erst im 3. Wahlgang gewählt wurde,  meint Michael Paul: „Einige Wahlmänner und –frauen, die von CDU,CSU und FDP aufgestellt wurden, haben nicht für Christian Wulff gestimmt. Das zeigt, dass die Unzufriedenheit mit dem Erscheinungsbild der christlich-liberalen Koalition seit der Bundestagswahl groß ist – selbst in den eigenen Reihen. Das Ergebnis der Wahl des Bundespräsidenten muss deshalb für alle Verantwortlichen ein Signal sein, die notwendige Auseinandersetzung in der Sache sachlich und fair zu führen. Für persönliche Angriffe ist kein Platz. Gefordert sind nun kluge politische Entscheidungen in einer Reihe von wichtigen Politikfeldern: so in der Gesundheitspolitik, der Wirtschafts-/Finanzpolitik und der Energiepolitik. Diese Entscheidungen müssen nun zügig getroffen werden. Das erwarten im Übrigen auch die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes von der Politik.“

[dts;
Foto: W.Rieder/Land Niedersachsen]