Nach Jahrzehnten zurück an den Ort vieler Qualen
Für Larissa Charitonowa ist es die erste Rückkehr nach Deutschland. Die heute 80jährige war mit 16 gemeinsam mit ihrer Familie aus Weißrussland als Zwangsarbeiterin verschleppt und nach Köln gebracht worden. Dort wurde sie 1944 in einem Lager neben dem Kölner Dom interniert und suchte bei Luftangriffen in der Kathedrale nach Zuflucht. “In einer Fabrik mussten wir aus Zement und Holzspänen Press-Spanplatten herstellen. Heute bin ich dankbar für die Einladung der Stadt Köln und die Anerkennung.” Befreit wurde Larissa Charitonowa damals von amerikanischen Soldaten. Sie war gerade dabei, für deutsche Soldaten Schützengräben auszuheben.

Charitonowa gehört zu acht ehemaligen Zwangsarbeitern, die diese Woche aus Weißrussland nach Köln reisen. Auf Einladung von Oberbürgermeister Fritz Schramma sind sie noch bis zum 15. September in  der Stadt. Während des Zweiten Weltkriegs zwangen die damaligen Machthaber sie zur Arbeit in Rüstungsbetrieben, bei der Reichsbahn, in der Landwirtschaft oder zur Enttrümmerung der zerstörten Stadt.

Erinnerung der Zwangsarbeiter als Forschungsgrundlage
Der Besuch ist bereits der 29. dieser Art in Köln. Zweimal im Jahr finanziert die Stadt einer Gruppe ehemaliger Zwangsarbeiter die Fahrt nach Köln. Betreut werden sie hier von der “Projektgruppe Messelager”, die sich gemeinsam mit dem NS-Dokumentationszentrum, um die Aufarbeitung der Geschichte der Zwangsarbeiter in Köln kümmert. Für das NS-Dokumentationszentrum, das die Einladungen bereits seit 1990 organisiert, bilden die Besuchergruppen einen besonders wichtigen Grundstock für die Forschungsarbeit, so der Leiter des Dokumentationszentrums, Werner Jung. Die Quellenlage in Köln sei besonders schlecht. Mit persönlichen Interviews und mitgebrachten Fotos aus der Zeit des Nationalsozialismus sollen die Erinnerungen der Verschleppten festgehalten werden. Seit 19 Jahren haben bereits 530 ehemalige Zwangsarbeiter die Stadt besucht. Die meisten von ihnen kamen aus Polen oder der Ukraine.

Mahnung für kommende Generationen
Die gestern in Köln angekommene Gruppe aus Weißrussland wurde heute im Rathaus von Oberbürgermeister Fritz Schramma empfangen. Er betonte die Bedeutung der Schicksale der Zwangsarbeiter für die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und als Mahnung für kommende Generationen. “Ohne Aufarbeitung der Schrecken der Vergangenheit können wir keine gute Zukunft bauen”, sagte Schramma. Nach Schrammas Rede trugen sich die Besucher ins Gästebuch der Stadt Köln ein.

In den nächsten Tagen erwartet die ehemaligen Zwangbeschäftigsten auch ein Besuch an ihren damaligen Haft- oder Arbeitsstätten. Viele der Fabrikanlagen oder Lagergebäude stehen noch bis heute. So waren die Messehallen in Deutz früher eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald. Auch viele Kölner Firmen, die während des zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter beschäftigt haben, existieren noch immer, etwa die Fordwerke, die Stadtverwaltung oder die Bahn. Momentan arbeiten NS-Dokumentationzentrum und die Projektgruppe “Messelager” an einer Publikation über die Zeit der Zwangsarbeit in Köln. Diese könnte dann etwa eine alternative Stadtkarte mit den Orten von Produktionsstätten und Lagern enthalten.


Christoph Büttner report-k.de/ Kölns Internetzeitung