Köln | 100 Jahre Universität Köln – das sind nicht nur Feierlichkeiten und Reden, sondern auch zwei kompakte Ausstellungen. Im Stadtarchiv am Heumarkt widmet man sich mit „Parallel UNIversum?!“ dem Verhältnis der Stadt zur Hochschule. In der Universitätsbibliothek erzählt man mit „Aus neu mach alt“ von der Traditionssuche der heutigen Universität.

Das Stadtarchiv erzählt die Geschichte der Universität als Teil von Köln von Anfang an anhand von historischen Schriftdokumenten, Fotos und Filmen. 1388 erhielt die freie Reichsstadt von Papst Urban das Privileg, nach Prag, Wien und Heidelberg die vierte Universität im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zu gründen. Schon ein Jahr später wurde der Betrieb aufgenommen. Auch die päpstliche Urkunde war ein Opfer des Archiv-Einsturzes vor zehn Jahren. Nun ist sie ein Beweis für die perfekte Arbeit der Restauratoren.

Bis 1953 war die Universität eine städtische Bildungsstätte

1798 wurde die Universität von der französischen Besatzung geschlossen. Doch schon vor 1919 gab es in Köln wieder mehrere Hochschulen, etwa für „praktische Medizin“, für Handel oder kommunale Verwaltung. Doch fehlte ihnen das Promotionsrecht. Um das zu ändern, sollte – so der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer – eine neue Universität her. 1919 stimmte das Land Preußen zu – unter der Bedingung, dass die Stadt alle Kosten trug. Erst 1953 ging die Universität ins „Eigentum“ des Landes Nord-Rhein-Westfalen über.

1929 wurde der Grundstein für das Hauptgebäude an der heutigen Universitätsstraße gelegt: Ein beeindruckendes Foto am Kopfende der Ausstellung zeigt, wie es als Solitär auf der grünen Wiese stand. Das war einmal – ein Modell gleich darunter zeigt, wie die Universität mit immer neuen Gebäuden Lindenthal eroberte. Und sich weiter ausdehnen wird.

Schon im Mittelalter gab’s für Studenten zu wenig Unterkünfte

Nicht nur in der Stadtplanung sind Stadt und Universität eng verbunden. Wichtig ist die medizinische Fakultät auch für die Versorgung der Bevölkerung. Und der Mangel an Studentenwohnungen ist seit dem Mittelalter ein Problem. Beide Themen werden in Vitrinen und Schrifttafeln knapp, aber verständlich dargestellt. Auch dem Einfluss der 68-Bewegung ist eine Vitrine gewidmet.

Ausgespart wird auch die NS-Zeit nicht: Vor der „alten“ Universität an der Claudiusstraße wurde „schädliches Schrifttum“ verbrannt, jede 5. Lehrkraft wurde entlassen, zwei regimekritische Professoren wurden in Konzentrationslagern ermordet. Schade, dass hier Hinweise fehlen, wie an Benedikt Schmittmann und Goswin Frenken erinnert wird (eine Figur am Rathausturm für ersteren, die Benennung eines Wohnheims nach dem Zweiten, Stolpersteine für beide).

Gleiches gilt für Jenny Gusyk, die erste Frau die sich 1919 in das Matrikelbuch der Universität einschrieb – eine von 194 gegen 1.105 Männer. Sie wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Nach ihr hat die Universität einen Gleichstellungspreis benannt. Wie wäre es noch mit einer Straße? Heute hat die Universität mehr Studentinnen als Studenten. Da wüsste man doch auch gerne, wie es im Lehrkörper aussieht. Dass es vor 100 Jahren überhauapt Studentinnen geben konnte, ist ein Verdienst der Unternehmertochter Mathilde von Mevissen: Sie gründete 1903 das erste Mädchengymnasium.

Nabelschau: Wie eine neue Universität unbedingt alt sein will

Nach der Auflösung der Universität durch die Franzosen wurden viele historische Dokumente und Objekte in alle Winde verstreut. Schon vor der Neugründung versuchte man, sie wieder zurück nach Köln zu holen. Erst 2017 erwarb die Universität eine Visitenkarte von Franz Ferdinand Wallraff, dem letzten Rektor, dessen Weigerung, den Franzosen den Treueid zu leisten, mitursächlich für die Schließung war. Mit diesem kleinen Stück Papier wird die Ausstellung in der Universitätsbibliothek eröffnet.

Mit leicht selbstironischem Ton wird hier mittels zahlreicher historischer Dokumente – Urkunden, Siegel, Fotos und Filme – dokumentiert, wie seit 1919 versucht wird, die mit Skepsis betrachtete „neuartige“ Universität auf die Vorgängerin zurückzuführen und so Reputation und Ansehen zu gewinnen. So knüpfte man etwa mit den Talaren der Professoren laut Gutachten ans Mittelalter an – tatsächlich gehen sie auf Entwürfe zurück, wie sie Mitte des 19. Jahrhunderts an der Universität Berlin eingeführt wurden. Auch bei Siegeln und Stempeln sowie akademischen Feierlichkeiten wurde auf mittelalterliche Vorbilder zurückgegriffen.

1938 scheiterte die geplante Feier zum 550. Jubiläum der Universität am Einspruch des Reichserziehungsministeriums: Für eine ununterbrochene Existenz fehlten 120 Jahre. 1988 sah man es nicht so eng und feierte das 600-jährige Bestehen der Universität mit einem großen Festakt in der Philharmonie. Da gab es sogar die Uraufführung eines Stockhausen-Werkes.

[infobox]„Parallel UNIversum?! – Köln und seine Universität seit 1919“ – bis 10. November 2019, Historisches Archiv der Stadt Köln, Heumarkt 14, 50667 Köln. Di-So 10-16.30 Uhr, Mi 10-19.30 Uhr. Eintritt frei

[/infobox][infobox]„Aus neu mach alt – 100 Jahre Universität zu Köln“ – bis 31. Oktober 2019. Universitäts- und Stadtbibliothek, Universitätsstr. 33, 50931 Köln. Mo-Fr 7-0 Uhr, Sa und So 9-12 Uhr. Eintritt frei.

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Autor: ehu | Foto: Stadtmuseum
Foto: Um 1930 an der Kölner Universität: Feierlicher Marsch der Professoren nach mutmaßlichem mittelalterlichen Vorbild. | Foto: Stadtarchiv