Daniel Vymyslicky ist Mitarbeiter der Kölner Meldestelle für antisemitische Vorfälle bei der Fachstelle (m2) im NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) der Stadt Köln.

Köln | Es ist der erste Jahresbericht der Kölner Meldestelle für antisemitische Vorfälle bei der Fachstelle (m2) im NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) der Stadt Köln und von Daniel Vymyslicky, der betonte der Fokus liege auf den Opfern. Dafür, dass die Stelle erst 2020 startete und noch bekannt werden muss sind 55 Vorfälle ein deutliches Zeichen dafür, dass die Einrichtung im NS-DOK richtig ist.

Auf 91 Seiten dokumentiert der Bericht antisemitische Vorfälle in Köln 2021 ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Denn nur was gemeldet oder von Vymyslicky recherchiert wird findet Eingang in die Statistik hinter der immer Menschen, Betroffene aber auch Täter stehen. Antisemitismus wurde in 8 von 9 Kölner Stadtbezirken im Jahr 2021 dokumentiert. Vymyslicky findet deutliche Worte: „Die Frage, von welchem politischen Hintergrund die größte antisemitische Gefahr in Köln ausgeht, kann anhand dieser ersten Zahlen noch nicht beantwortet werden. Insgesamt zeigt sich aber deutlich, dass Antisemitismus auch in Köln ein milieuübergreifendes Problem darstellt, das nicht auf eine bestimmte politische Motivation reduziert werden darf. Unabhängig von der Motivation ist jeder antisemitische Vorfall immer einer zu viel“.

Betroffen waren 24 Einzelpersonen und 11 Institutionen. Bei den Täter*innen konnten die meisten dokumentierten Vorfälle Menschen mit einem rechtsextremen Hintergrund zugeordnet werden. Dies war in 12 Fällen so. In 7 Fällen spielte ein verschwörungsideologisches Umfeld eine Rolle und in je drei Fällen islamistische oder anti-israelische Motivationen.

Die 55 antisemitischen Vorfälle gliedern sich nach Vorfallstyp
• 2 Angriffe
• 3 Bedrohungen
• 5 Gezielte Sachbeschädigungen
• 4 Massenzuschriften
• 41 Verletzendes Verhalten

Die Tatorte

Die meisten antisemitischen Vorfälle wurden auf der Straße dokumentiert vor dem Internet und an dritter Stelle Bildungseinrichtungen. Besonders bedenklich so Vymyslicky seien Bedrohungen im direkten Wohnumfeld der Betroffenen, denn dadurch werden die Opfer besonders verunsichert. In immerhin vier Fällen kam es hier zur Dokumentation. Aber was bedeutet ein Vorfall? Vymyslicky verdeutlicht dies an einer von ihm beobachteten Demonstration am 15. Mai 2022, der sogenannten „Nakba“-Demo. Diese wird als ein Vorfall gewertet aber es kam zu vielen antisemitischen Einzeläußerungen, etwa auf Plakaten. Hier werde deutlich, dass, wenn es einen Anlass gebe, dann bricht sich der Antisemitismus Bahn.

Ein schwieriges Umfeld seien Schulen. Gemeldet würden antisemitische Vorfälle, etwa auf dem Schulhof, von Lehrerinnen, Schülerinnen und Schulleitungen. Wobei die Mehrzahl der Meldungen von Lehrerinnen über Schülerinnen erfolgten. Es handele sich beim System Schule um ein geschlossenes System mit Dienstweg und Schulen seien besorgt um ihren guten Ruf. Vymyslicky macht deutlich, dass es bei der Arbeit der Meldestelle aber nicht um Diffamierung gehe, sondern sich diese den Wünschen der Meldenden anpasse. Der Umgang der Meldestelle sei hier zu 100 Prozent transparent für die Betroffenen. Aber er sagt auch, dass dies für Schulen eine Chance bedeuten könne, wenn sie aktiv mit dem Thema Antisemitismus umgehe.

Mit dem Staatsschutz der Kölner Polizei gebe es gutes Verhältnis und die Meldestelle konnte ihre Meldungen mit den Statistiken der Strafverfolgungsbehörden des LKA abgleichen. Hier bietet die Meldestelle Betroffenen an, sie bei Anzeigen bei der Polizei oder Prozessen zu unterstützen. Von der Justiz wünscht sich Vymyslicky eine weitere Professionalisierung und sieht diese auf einem guten Weg, wenngleich etwa ein Fall aus Heinsberg in der Nähe von Köln zeige, dass noch Sensibilisierung nötig sei. Dort wurde ein jüdischer Friedhof von Rechtsextremisten geschändet, aber diese wurden nur wegen Sachbeschädigung und Störung der Totenruhe angeklagt. Hier hätte sich Vymyslicky gewünscht, dass vom Gericht auch der Sachverhalt Volksverhetzung geprüft worden wäre. Zudem sei auch nach 18 Monaten kein Urteil ergangen.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker in einem schriftlichen Statement: „Die Stadt Köln steht zu ihrer Verantwortung, jeder Form von Antisemitismus entschieden entgegenzutreten. Deshalb war mir die Schaffung einer städtischen Meldestelle für antisemitische Vorfälle ein persönliches Anliegen. Der erste Jahresbericht der Meldestelle zeugt nicht nur von einer hohen Anzahl antisemitischer Vorfälle in Köln, sondern auch von vielen Kölnerinnen und Kölnern, die die Meldestelle aktiv unterstützten und sich somit für Vielfalt und Toleranz engagiert haben. Bei der Bekämpfung von Antisemitismus sind wir alle gefordert.“

Der Bericht dokumentiert ausführlich mit Fotos etwa die Schmierereien im öffentlichen Straßenland auf Wegen, Stolpersteinen oder Grafittis. Auch Aufkleber oder Beklebungen auf Autos fanden sich 2021 mit antisemitischen Parolen. Auf diese Art und Weise dokumentiert die Publikation nicht nur, sondern sie sensibilisiert und hilft bei der Einschätzung wo Antisemitismus beginnt. Etwa wenn Aussagen aus der Zeit des Nationalsozialismus umgedeutet und bagatellisiert werden. Ein Phänomen, das vor allem bei Impfgegnern und Verschwörungsideologen immer wieder zu finden war.

Dr. Michael Rado, Mitglied des Vorstandes der Synagogen-Gemeinde Köln, wird von der Stadt Köln schriftlich zitiert:: „Gegen jede Form von Antisemitismus muss konsequent gehandelt werden. Dazu leistet das NS-Dokumentationszentrum mit der neu eingerichteten Meldestelle für antisemitische Vorfälle bei der Fachstelle einen wesentlichen Beitrag. Vorstand, Gemeindevertretung und Gemeindemitglieder der Synagogen-Gemeinde Köln sind der Meldestelle dankbar für ihre Arbeit und wünschen ihr durchschlagenden Erfolg, damit sich Jüdinnen und Juden in Köln sicherer fühlen.”

Der wissenschaftliche Ansatz der Meldestelle überzeugt. Für ein echtes Fazit ist es daher nach einem Jahr zu früh. Der Appell muss sich daher an alle Kölnerinnen richten, der Meldestelle im NS-DOK Auffälligkeiten zu dokumentieren und zu melden. Das ist ganz einfach indem etwa ein Foto mit dem Smartphone von einer Schmiererei oder einem Aufkleber schon hilft. Vymyslicky betont den kooperativen Umgang der Meldestelle mit Betroffenen oder Melderinnen.

Hier kann der Bericht bezogen werden und antisemitische Vorfälle gemeldet werden:

Der komplette Jahresbericht kann auf der Internetseite der Meldestelle www.antisemitismus-melden.koeln/aktuelles kostenfrei heruntergeladen werden.

Wer antisemitische Vorfälle melden will, kann dies ebenso über die Seite der Meldestelle machen: www.antisemitismus-melden.koeln/