Neuss | aktualisiert 14:27, 16:16 Uhr, 17:35 Uhr | Mit Blumen und Kerzen nehmen die Menschen in Neuss Anteil an einer Familientragödie in ihrer Mitte: Ein Familienvater soll seine zwei Kinder und seine Ehefrau getötet haben. Der 35-Jährige ist dringend tatverdächtig, die drei am Montag erschossen zu haben, wie Staatsanwalt Christoph Kumpa am Dienstag sagte. Der Mann ist auf der Flucht und wird mit Haftbefehl gesucht. Er ist möglicherweise noch bewaffnet. „Wir halten ihn für gefährlich“, sagte Kumpa. Der Mann war bereits in der Vergangenheit als gewalttätig aufgefallen.

Die Leichen der 26 Jahre alten Mutter, des vier Jahre alten Sohnes und der acht Jahre alten Tochter waren am Montagabend in der Wohnung der Familie entdeckt worden. Angehörige hatten die Familie am Abend dort treffen wollen. Sie hatten am Vortag das Ende des Fastenmonats Ramadan gemeinsam gefeiert. Als niemand auf ihr klingeln reagierte, verschafften sie sich Zugang zum Haus und lauschten an der Wohnungstür. „Da hörten sie Fernsehgeräusche“, berichtete der Leiter der Mordkommission, Guido Adler. Da die Mutter als sehr zuverlässig galt, informierten die Angehörigen die Polizei. Die ließ die Tür von einem Schlüsseldienst öffnen.

Auseinandersetzung am Tag vor der Tat

Der Verdächtige war den Angaben zufolge wegen häuslicher Gewalt gegen seine Frau und Körperverletzungen polizeibekannt. „Er war aber kein klassischer Gewalttäter“, sagte Adler. Die Delikte seien „an der unteren Schwelle“ gewesen. Die Kinder habe er nicht geschlagen. Das Jugendamt war eingeschaltet, weil sich die Eltern mehrfach trennen wollten. Zuletzt lebte der Mann der Polizei zufolge wieder in der Wohnung. Es gibt Hinweise auf eine Auseinandersetzung am Tag vor der Tat. Das Paar war etwa acht Jahre zusammen. Seit zwei Jahren sei die häusliche Gewalt bekannt gewesen, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft hat einen Antrag auf Öffentlichkeitsfahndung gestellt, um mit Bildern nach dem Mann suchen zu können. Wann das zuständige Gericht darüber entscheidet, war zunächst unbekannt. Wo und in welchem Zustand der 35-Jährige ist, war offen. „Es läuft ein dreifacher Totschläger mit Waffe herum“, warnte der Leiter der Mordkommission.

Freunde trauern um Kinder

Vor dem Haus, in dem die Familie wohnte, haben Freunde der Kinder selbst gemalte Bilder abgelegt. „Ihr werdet in unserem Herzen bleiben“, oder „Du warst meine beste Freundin“ steht darauf. Viele Anwohner sind fassungslos, was sich in dem modernen Haus mit dem gläsernen, offenen Eingang abgespielt haben soll. „Der hat praktisch seine ganze Familie ausgelöscht“, sagt ein Mann. Viele Kinder, die eigentlich den letzten Tag der Sommerferien genießen, stoppen vor dem Haus. Ein Ort der Ruhe ist der Tatort nicht: Die Wohnung liegt an einer Hauptverkehrsstraße, gegenüber ist ein großes China-Restaurant, nebenan ein Optiker.

Bei der Tat handelt es sich bereits um die vierte Kindstötung in den vergangenen Wochen in Nordrhein-Westfalen. Anfang August waren in Dortmund drei Kinder einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen, verdächtig ist die Lebensgefährtin des Vaters. Kurz darauf soll ein geistig gestörter Mann den acht Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin in Oberhausen getötet haben. Mitte August erstach eine Mutter in Essen ihre sieben Jahre alte Tochter, anschließend tötete sie sich selbst.
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Autor: Helena Baers/ dapd