Köln | Nach 13 Jahren endet im Kölner Dom eine Ära. Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner tritt ab und übergibt an Michael Hauck. Der 52-jährige Steinmetz und Kunsthistoriker war 24 Jahre lang in der gleichen Funktion für den Dom in Passau verantwortlich. In Köln nimmt er offiziell zum 1. September die Geschäfte auf. dapd-Korrespondent Fabian Wahl sprach mit Hauck über die Dauerbaustelle Dom, seine Pläne und Maßnahmen gegen Wildpinkler.

dapd: Von Passau nach Köln: Sind Sie in eine andere Liga aufgestiegen?
Hauck: Die Dimensionen sind anders. Der Kölner Dom hat eine andere Größe. Das Bauwerk an sich hat national und international betrachtet eine andere Bedeutung. Auch die finanzielle Ausstattung mit jährlich etwa 6,5 Millionen Euro ist größer. Von der regionalen Bedeutung her würde ich aber keine Unterscheidung machen. Der Passauer Dom hat für die dortige Region eine ganz herausragende Bedeutung. Es ist die Mutterkirche des Donau-Ostens. Passau war lange Zeit das Zentrum der Macht im größten Bistum des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation.

Haben Sie keine Ehrfurcht vor dem Kölner Dom?
Der Kölner Dom ist UNESCO-Weltkulturerbe. Er ist das meistbesuchte Bauwerk Deutschlands. In Passau kamen 1,5 Millionen jährlich. Hier sind es sechs Millionen Besucher. Das kann man nicht ganz ausblenden. Eigentlich ist die Aufgabe aber gut vergleichbar mit einem Arzt-Patienten-Verhältnis. Ärzten sollte es auch egal sein, ob der Patient der König von Belgien ist oder der Hans Mayer. Es geht um das Objekt und die bestmögliche Betreuung. Dafür bin ich hier.

Der Dom ist eine Dauerbaustelle schlechthin. Warum geht es so schleppend voran?
Wir haben es mit vielen Umwelteinflüssen, Verschleiß und Schwachstellen zu tun. Nach jedem Unwetter, jedem Regenguss liegen faustgroße Brocken am Boden. Wir müssen möglichst behutsam rangehen. Und wir wollen möglichst immer konservatorisch arbeiten. Wir wollen den Originalcharakter erhalten. Insofern ist der Kölner Dom ein Dauerpflegefall.

Klingt ernüchternd. Ist ihr Atem lang genug?
Es muss nicht immer hopphopp gehen. Denn das bedeutet meist Einbußen in der Qualität und der Nachhaltigkeit. Etwas in Plastik verpacken, bedeutet immer viel Abfall. Der Schlüsselbegriff lautet Authentizität. Zeit hat bei der Errichtung des Doms keine primäre Rolle gespielt. Der Grundstein wurde 1248 gelegt und dann wurde 300 Jahre bis zur Einstellung mit einem Torso des Doms gebaut. Dann vergingen noch weitere 320 Jahre bis er ab 1842 fertig gebaut wurde. Heute benötigt man für die größten Bauwerke nur wenige Jahre. Aber wie lange hält das?

Womit wollen Sie anfangen?
Ich erbe einige Vorgänge wie das Hundert-Meter-Gerüst am Nordturm. Das hat meine Vorgängerin schon von ihrem Vorgänger geerbt. Die Restaurierungen an der Außenfassade brauchen Zeit. Es ist unglaublich schwierig, an die jeweiligen Stellen zu gelangen. Der Gerüstbau dauert allein zwei Jahre, zwei Jahre arbeiten Steinmetze und Restauratoren und zwei weitere Jahre dauert dann der Abbau. Das Gerüst hängt nur am Turm. Es wird kein einziges Loch dafür gebohrt. Aus dem Dom soll kein Schweizer Käse werden.

Was nehmen Sie noch in Angriff?
Die Fassaden am Chor, die noch aus dem Mittelalter stammen, müssen dringend angepackt werden. Außerdem sind die insgesamt neun großen Domportale im Süden, Norden, Westen mit den entsprechenden Figuren an der Reihe. Die hölzernen Schallläden der Glockenstube sind marode und müssen ausgetauscht werden. Es gibt viele Unwägbarkeiten. Vor einigen Wochen hatten wir einen heftigen Regenguss mit Gewitter, sodass es in einem Anbau einen Wassereinbruch gab.

Ihre Vorgängerin Barbara Schock-Werner hat sich mit einem Richter-Fenster und einem Zugang zur Turmbesteigung verewigt. Welche touristischen Highlights wollen Sie setzen?
Ich bin nicht scharf auf Highlights. Es gibt Maßnahmen, bei denen man nicht den großen Applaus erntet. Es sind die strukturellen Dinge, die mir mehr am Herzen liegen. Erstmal ist das dran, was lange überfällig ist. Wenn wir ein Gerüst bauen und es nach getaner Arbeit wieder abbauen, dann wird es – wenn wir gut gearbeitet haben – niemandem groß auffallen, dass etwas geschehen ist. Und trotzdem war es notwendig. So etwas in der Dimension eines Richter-Fensters habe ich nicht im Sinn.

Was wollen Sie konkret gegen Wildpinkler und Vandalen unternehmen?
Was sollen wir tun? Es ist ein Ärgernis, mit dem wir leben müssen. Alle kleinen Zierelemente und Figuren, an die man herankommt, sind abgebrochen worden und nicht mehr Original. Stattdessen stehen die Originalstücke als Souvenirs in irgendwelchen Wohnzimmerschränken. Aber es liegt in der Natur der Sache. Der Dom ist ein offener Ort. Offenheit bedeutet aber auch, dass man Vandalismus nicht ausschließen kann.

Sie könnten den Dom einzäunen.
Sicherlich kann man über so etwas nachdenken. Wenn es Formen annimmt, die nicht mehr tolerierbar sind, dann muss man sich mit Alternativen beschäftigen. Die Südseite ist bereits eingezäunt. Da gibt es ein Gitter, das aus meiner Sicht nicht störend ist. Mit dem guten Nebeneffekt, dass dort niemand hinpinkelt und niemand etwas abbricht. Vielleicht ist ein weiterer Zaun irgendwann mal eine Überlegung wert.

Autor: Cornelia Schlösser
Foto: Kölns neuer Dombaumeister Michael Hauck