Wiesbaden | Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahr 2019 bei rund 55 500 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) waren das zehn Prozent oder rund 5.100 Fälle mehr als 2018. Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist damit das zweite Jahr in Folge um zehn Prozent auf einen neuen Höchststand angestiegen. Bundesweit hatten die Jugendämter 2019 über 173.000 Verdachtsfälle im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung geprüft, das waren rund 15.800 mehr als im Vorjahr.

Den neuen Ergebnissen zufolge war jedes zweite gefährdete Kind jünger als acht Jahre. Während Jungen bis zum Alter von 13 Jahren etwas häufiger betroffen waren, galt dies ab dem 14. Lebensjahr für Mädchen. Die meisten Minderjährigen wuchsen bei Alleinerziehenden (42 Prozent), bei beiden Eltern gemeinsam (38 Prozent) oder einem Elternteil in neuer Partnerschaft auf (elf Prozent).

Etwa die Hälfte der gefährdeten Kinder und Jugendlichen nahm zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch. Nur vier Prozent von ihnen suchten selbst Hilfe beim Jugendamt, am häufigsten kam aber ein Hinweis von Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft (22 Prozent), Schulen und Kitas (17 Prozent) oder aus dem privaten Umfeld beziehungsweise anonym (15 Prozent). Die meisten der rund 55.500 Kinder mit einer Kindeswohlgefährdung wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf (58 Prozent).

Bei rund einem Drittel aller Fälle (32 Prozent) wurden Hinweise auf psychische Misshandlungen – dazu zählen beispielsweise Einschüchterungen, Demütigungen, Isolierung und emotionale Kälte – gefunden. In weiteren 27 Prozent der Fälle gab es Indizien für körperliche Misshandlungen und bei fünf Prozent Anzeichen für sexuelle Gewalt. Mehrfachnennungen waren hierbei möglich, hieß es.

Auch wenn Kindeswohlgefährdungen durch sexuelle Gewalt mit rund 3.000 Fällen am seltensten festgestellt wurden, war hier prozentual ein besonders starker Anstieg zu beobachten: Von 2018 auf 2019 nahmen die Fälle durch sexuelle Gewalt um 22 Prozent zu (+536 Fälle). Damit setzt sich der Trend aus dem Jahr 2018 fort. Damals hatte es im Vergleich zu 2017 einen ähnlich deutlichen Anstieg gegeben (+20 Prozent bzw. +409 Fälle). 2019 registrierten die Jugendämter auch mehr betroffene Jungen: Bei ihnen betrug der Anstieg gegenüber dem Vorjahr sogar 30 Prozent (+238 Fälle). Trotz dieser Entwicklung sind Mädchen weiterhin am häufigsten betroffen: Etwa zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen, bei denen 2019 eine Kindeswohlgefährdung durch sexuelle Gewalt festgestellt wurde, waren weiblich.

Autor: dts