Köln | 3. März 2009, um 13:58 Uhr, stürzte das Kölner Stadtarchiv. Das Unglück, das zwei junge Männer, Kevin und Khalil, das Leben kostete, grub sich tief in die Stadtgesellschaft ein und wirkt dennoch oft vergessen. Jetzt zieht die Stadt Köln Bilanz. Der Waidmarkt ist ein offenes Loch, um dieses herum hat sich vieles in den zehn Jahren veränderte. Ab 2020 soll eventuell mit Sanierungsarbeiten begonnen werden. Die Inbetriebnahme der 1. Baustufe als Gleiswechselbauwerk der Kölner Nord-Süd-U-Bahn ist nicht vor 2026/27 zu rechnen. Am Sonntag, 3. März, soll es eine Gedenkveranstaltung geben.

Die Stadt Köln gibt den finanziellen Gesamtschaden aktuell mit 1,3 Milliarden Euro an. 95 Prozent des Archivgutes konnten geborgen werden. Das waren am 3. März 2009: rund 62.000 Urkunden, 329.000 Karten, Pläne und Plakate, 500.000 Fotos sowie 2.500 Tonträger und Videos. Davon waren am 1. Januar 2019 genau 9.051 Stücke restauriert. Darunter, so die Stadt, seien 1.048 Handschriften.1.166 Archivalien konnten durch private Spenden ermöglicht werden. 15 Prozent der 1,6 Millionen Bergungseinheiten sollen laut Stadt die Trockenreinigung durchlaufen haben. 55 Prozent davon seien bereits im Original wieder nutzbar. Zudem schreite die Digitalisierung des Archivs voran.

Auch neue Materialien wurden der Stadt Köln zur archivarischen Aufbewahrung und -bereitung überlassen. So der Nachlass des ehemaligen Kölner Oberbürgermeisters Norbert Burger oder des Talkmasters Alfred Biolek.

Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs wird juristisch aufbereitet, die Strafprozesse begannen bereits. In einem ersten Verfahren wurden zwei Bauleiter freigesprochen, das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Im zweiten Verfahren wurde ein Bauoberleiter verurteilt. Aktuell laufen noch Beweissicherungsverfahren am Kölner Waidmarkt. Die Stadt rechnet mit einem Abschluss im Jahr 2019. Die Stadt geht davon aus, dass die ARGE Los-Süd etwaige Schadensersatzansprüche durch das Unternehmensvermögen der Gesellschafter und deren Haftpflichtversicherungen abdecken kann. Auch die Leihgeber führen Prozesse gegen die Stadt Köln, die allerdings aktuell ausgesetzt sind, solange die Strafprozesse noch nicht abgeschlossen sind.

Der Neubau des Historischen Archivs soll im Jahr 2020 seiner Bestimmung übergeben werden.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte im Zusammenhang mit dem Archiveinsturz: „Zwei Menschen, Kevin und Khalil, haben bei diesem Unglück ihr Leben verloren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Historischen Archives, Arbeiter in der Baustelle und Menschen in der Nähe der Einsturzstelle mussten sich in Sicherheit bringen. Und auch heute noch – nach fast zehn Jahren – sitzt das Entsetzen, die Trauer und die Fassungslosigkeit, dass so etwas passieren konnte, tief. Wenn ein solcher GAU – ein größt anzunehmender Unfall – passiert, dann brennt sich das in das Gedächtnis der Menschen ein. Und so wie ich noch genau weiß, wo ich war, als ich die Nachricht erhalten habe, so werden Kölner und Kölnerinnen und alle, die Köln Nahe stehen wissen, wo sie in diesem Moment waren. Es sind Katastrophen wie diese, die uns bewusst machen: In der Kürze eines Wimpernschlages kann das Leben ganz anders aussehen. Für die Angehörigen von Kevin und Khalil ist dieses Wissen kein Trost. Wir alle müssen einen Weg finden, mit der Trauer umzugehen. Wir werden der beiden Verstorbenen nicht nur am 3. März gedenken. Sondern ihr Andenken über ein Datum hinaus aufrecht erhalten. Die Ereignisse um den Archiveinsturz haben Köln verändert, und zwar nachhaltig. Ich möchte heute für Sie zusammenfassen, was wir zur Ursache wissen, Ihnen einen Rückblick geben auf die Wochen und Monate danach und Ihnen auch zeigen, welche Konsequenzen der Einsturz auf das Leben vieler Betroffener hatte.“

[infobox]Am 3. März gibt es eine Gedenkveranstaltung. Initiatoren sind die beiden Initiativen „Köln kann auch anders“ und „Archiv Komplex“. Um 13:58 Uhr wird den Opfern Kevin und Khalil mit einer Schweigeminute gedacht.

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Autor: Andi Goral
Foto: Die Luftaufnahme fertigte die Stadt Köln nach dem Einsturz des Historischen Archivs im Jahr 2009 an