München | aktualisiert | Bayern verhängt in der Coronakrise als erstes Bundesland eine Ausgangssperre. Ab Samstag, 0 Uhr, ist Sport oder Spazieren gehen in der Öffentlichkeit nur noch alleine oder mit der Familie erlaubt. Jede Art von Gruppenbildung im Freien sei verboten, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitagmittag. Weitere Bundesländer schließen sich an, SPD-Spitzenfrau Esken sprach sich gegen eine Ausgangssperre aus.

Die Regelung gilt zunächst für zwei Wochen. Der Weg zum Einkaufen von Lebensmitteln oder Arbeit sei weiter erlaubt, anders als in anderen Ländern werde es auch keine Passierscheine geben. Jedoch werde die Polizei die „Ausgangsbeschränkung“ intensiv kontrollieren.

Auch werde die Gastronomie geschlossen, sowie Baumärkte, die sich in den letzten Tagen „zu einer Freizeitidee“ entwickelt hätten. Man habe nun keine Zeit mehr zu verlieren, sagte Söder.

— — —

Saarland bekommt auch Ausgangssperre

Nach Bayern wird auch das Saarland eine Ausgangssperre bekommen. „Ich werde dem Ministerrat vorschlagen, noch heute eine Allgemeinverfügung für eine Ausgangsbeschränkung zu verabschieden und mit sofortiger Wirkung die Restaurants im Saarland für Gäste zu schließen, sodass nur noch Abverkauf oder Lieferung erlaubt sind“, sagte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Freitag. Er hätte sich gewünscht, dies im Geleitzug der anderen Bundesländer auf den Weg zu bringen, um eine einheitliche Lösung herbeizuführen. „Allerdings steht das Saarland als Grenzland zum Risikogebiet Grand Est vor einer besonders schwierigen Herausforderung“, sagte Hans. Leider gebe es „nach wie vor zu viele Menschen, die unsere Anordnungen nicht ernst nehmen“. Nach Daten der dts Nachrichtenagentur gibt es 24 Infektionen je 100.000 Einwohner im Saarland eine etwas höhere Dichte als bundesweit, wo der Wert bei 23 liegt.

— — —

Bundesländer verhängen Ausgangssperren und Versammlungsverbote

Mehrere Bundesländer haben am Freitag wegen der Coronavirus-Epidemie Ausgangssperren und Versammlungsverbote verhängt. Am strengsten sind die Maßnahmen in Bayern, wo man ab Samstag nur noch alleine oder mit der Familie nach draußen gehen darf. In Hessen und Rheinland-Pfalz werden Ansammlungen über fünf Personen verboten, in Baden-Württemberg über drei Personen.

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans kündigte eine „Ausgangsbeschränkung“ an, die noch am Freitag in Kraft treten soll, weitere Details waren zunächst nicht bekannt. Alle benannten Bundesländer wollen die Gastronomie weitgehend schließen, nur noch zur Mitnahme darf Essen verkauft werden. Brandenburg will auf die Videokonferenz der Länderchefs mit der Bundeskanzlerin am Sonntag warten, in der über bundesweite Ausgangssperren beraten werden soll.

— — —

Lauterbach für bundesweite Ausgangssperre „aus Medizinersicht“

   Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat sich angesichts der Corona-Krise für eine bundesweite Ausgangssperre ausgesprochen. „Ich befürchte, wir kommen nicht um eine bundesweite Ausgangssperre herum“, sagte Lauterbach am Freitag der RTL/n-tv-Redaktion. Aus Medizinersicht spreche „mehr für eine Ausgangssperre als dagegen“, so der SPD-Politiker weiter.

Jetzt solle bis Samstag gewartet werden. „Von dem was ich hier in den Großstädten gesehen habe, insbesondere auch in Köln, und von dem, was ich hier höre von Kolleginnen und Kollegen, glaube ich, das wäre das Beste. Weil jeder Tag, der uns verloren geht, ist ein Tag, den wir später wieder reinholen müssen, wo wir viel länger die Ausgangssperre oder die Maßnahmen, die wir jetzt ergriffen haben durchhalten müssen“, sagte Lauterbach.

Er wolle da niemandem vorgreifen, sein Gefühl sei aber, dass man an der Ausgangssperre nicht vorbeikommen solle und könne. „Zurückblicken, oder was man hätte anders machen können, das bringt in der heutigen Zeit überhaupt nichts. Die Politik ist ziemlich nahe an dem, was die Wissenschaft empfiehlt“, so der SPD-Gesundheitsexperte weiter.

Aus diesem Grund weigere er sich, da eine kritische Äußerung zu wagen. „Es ist auf jeden Fall so, dass wir nach vorne blicken müssen und das wir noch gute Möglichkeiten haben, zu einer drastischen Eindämmung zu kommen. Und das ist genau, was wir brauchen“, sagte Lauterbach der RTL/n-tv-Redaktion.

— — —

SPD-Chefin gegen Ausgangssperren

SPD-Chefin Saskia Esken hat sich gegen Ausgangssperren im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus ausgesprochen. „Ich finde die Idee problematisch, weil dann womöglich der Lagerkoller droht – vor allem, wenn Kinder mit im Spiel sind“, sagte Esken dem „Handelsblatt“. Natürlich dürfe es aber keine „größeren Menschenansammlungen“ mehr geben, solange das Virus grassiert.

„Da haben einige den Schuss noch nicht gehört“, kritisierte die SPD-Politikerin. Sie hoffe, „dass Appelle wie der von Kanzlerin Merkel die Leute zur Vernunft bringen“. Die Angst vor dem Coronavirus beflügelt auch Desinformationen über Onlinenetzwerke.

Esken sieht hier zunächst „die Internetunternehmen in der Pflicht, die Verbreitung von Fake News einzudämmen und bei Richtigstellungen dafür zu sorgen, dass auch sie eine bessere Reichweite haben“. Den Vorschlag des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD), die bewusste Verbreitung von Falschmeldungen unter Strafe zu stellen, lehnte die SPD-Chefin ab: „Von Staats wegen Vorschriften zu machen und die Verbreitung von Desinformation unter Strafe zu stellen – da bin ich vorsichtig“, sagte sie. Der Gedanke, dass der Staat bestimme, „was wahr und was unwahr ist“, wecke bei ihr „ungute Fantasien“.

Zudem solle bei den geplanten Konjunkturhilfen „ein besonderer Fokus auf die Digitalisierung gelegt werden“, so die SPD-Politikerin weiter. Zugleich solle die Stärkung der Souveränität in den Fokus rücken: Dabei müsse man analysieren, „bei welchen strategisch wichtigen Gütern und Dienstleistungen wir so abhängig von internationalen Lieferbeziehungen sind, dass es sich in Notsituationen schädlich für uns auswirkt“, sagte Esken dem „Handelsblatt“. Als Beispiel nannte sie „Medikamente, die ausschließlich in China hergestellt werden, aber auch an digitale Produkte und Dienstleistungen“.

— — —

Staatsrechtler halten bundesweite Ausgangssperren für vertretbar

Nach Einschätzung von Staatsrechtlern sind massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der Corona-Pandemie rechtlich möglich. „Die Gefahr für Gesundheit und Leben vieler Menschen ist so groß, dass als letztes Mittel auch eine so tief in die persönliche Freiheit eingreifende Maßnahme wie eine längere allgemeine Ausgangssperre grundrechtskonform wäre“, sagte der Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Uni Speyer, Joachim Wieland, dem „Handelsblatt“ (Montagausgabe). Die Rechtsgrundlage dafür finde sich im Infektionsschutzgesetz.

Insbesondere wenn die Aufforderungen zur freiwilligen Einschränkung sozialer Kontakte erfolglos bleiben, wären solche Ausgangssperren verfassungsrechtlich vertretbar, so Wieland. Zugleich müsse es aber Ausnahmen von der Ausgangssperre aus „triftigen Gründen“ geben, wie die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten, Arztbesuche und ähnliche wichtige Zwecke. Der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza wies auf das Infektionsschutzgesetz sowie die Katastrophenschutzgesetze der Länder hin, die Grundrechtseinschränkungen „auf das nach den Umständen Notwendige“ zuließen.

Das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit sei im Fall der Coronakrise durch ein „hier zweifellos vorhandenes legitimes Ziel, die Bekämpfung des Virus“ gewahrt, sagte Pestalozza dem „Handelsblatt“. Die „Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit“ der Ausgangssperre, um dieses Ziel zu erreichen, „liegt auf der Hand“, sagte er. Auch einen Bundeswehreinsatz zur Durchsetzung von Ausgangssperren halten die Staatsrechtler für gerechtfertigt.

Da Corona als „Naturkatastrophe“ eingestuft werden könne, „kann in dessen Rahmen das betroffene Land auch Bundeswehrhilfe anfordern“, sagte Pestalozza. „Da Corona länderübergreifend wirkt, kann auch die Bundesregierung selbst die Bundespolizei und die Bundeswehr einsetzen.“

Autor: dts