Das undatierte Foto zeigt Olaf Scholz.

Berlin | dts | Die Bundesregierung hat bei ihren Verhandlungen über eine Gaspreisbremse eine Einigung erzielt. Zur Finanzierung soll der sogenannte Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) genutzt werden, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagnachmittag. Dieser war in der Corona-Pandemie aufgebaut worden, um Unternehmen zu helfen – jetzt soll er nochmal um 200 Milliarden Euro aufgestockt werden.

Der Kanzler sprach von einem „umfassenden Abwehrschirm“, mit dem die steigenden Energiekosten und die schwersten Folgen für Verbraucher sowie Unternehmen „abgefedert“ werden sollen. Aus diesen Mitteln sollen dann unter anderem die geplante Strompreisbremse sowie die Gaspreisbremse finanziert werden. Konkrete Details zur Ausgestaltung des Gaspreisdeckels nannte Scholz zunächst aber nicht.

Er kündigte lediglich an, dass „in kürzester Zeit“ konkrete Vorschläge gemacht werden sollen. In einem zeitgleich mit der Pressekonferenz veröffentlichten Papier der Bundesregierung heißt es, dass die genaue Ausgestaltung der Gaspreisbremse unter Berücksichtigung entsprechender Vorschläge der Expertenkommission Gas und Wärme festgelegt wird, die „Mitte Oktober“ einen entsprechenden Bericht vorlegen soll. Die Gaspreisbremse soll befristet werden – ein genauer Zeitraum wurde zunächst nicht genannt.

Die Regierung sprach davon, die Preise „zumindest für einen Teil des Verbrauchs“ auf ein Niveau zu bringen, „welches private Haushalte und Unternehmen vor Überforderung schützt“. Gleichzeitig sollen aber „Anreize zur Reduktion des Gasverbrauchs“ erhalten bleiben. Die Strompreisbremse befinde sich unterdessen „in Vorbereitung“, fügte Scholz hinzu.

Auf die umstrittene Gasumlage will die Bundesregierung nun doch verzichten. Den Unternehmen, die mit der Umlage gestützt werden sollten, soll nun durch Staatsgelder geholfen werden. Unabhängig von der Gasumlage soll die Umsatzsteuer auf Gas weiterhin bis zum Frühjahr 2024 auf den reduzierten Satz von 7 Prozent begrenzt werden.

Die Regierung hatte in den vergangenen Tagen über die Ausgestaltung der Maßnahme intensiv verhandelt. Vor allem bei der Finanzierung gab es dabei dem Vernehmen nach lange Zeit große Differenzen. Die jetzige Einigung hatte sich im Laufe des Tages aber bereits angedeutet.

Aus für Gasumlage erfolgt per Verordnung

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat die Pläne zur Abschaffung der umstrittenen Gasumlage konkretisiert. „Die Gasumlage ist per Verordnung eingesetzt worden und wird per Verordnung zurückgezogen werden“, sagte er am Donnerstag in Berlin. Die Ressortabstimmung sei bereits eingeleitet worden.

„Die Gasumlage wird jetzt in die Annalen der Geschichte eingehen“, so Habeck. Sollte es bereits Abzüge zum 1. Oktober geben, müssten die zurückgezahlt werden, fügte der Minister hinzu. „Die Gasumlage wird nicht mehr benötigt, weil wir ein alternatives Finanzinstrument geschaffen haben“, bekräftigte der Grünen-Politiker.

Zuvor hatte er das Aus für die Gasumlage nur in einem Nebensatz erwähnt. Demnach sollen „für die besonders betroffenen Unternehmen SEFE, Uniper und VNG“ stattdessen „maßgeschneiderte Lösungen“ entwickelt werden.

Union zweifelt an Finanzierungsplänen für „Abwehrschirm“  

Die Union hat Zweifel an den Finanzierungsplänen der Bundesregierung für den sogenannten „Abwehrschirm“ angemeldet. „Die Zahl 200 Milliarden Euro überrascht uns einigermaßen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Donnerstag in Berlin. In den Beschlüssen der Regierung könne man nicht nachvollziehen, „auf welcher Kalkulationsgrundlage diese Zahl eigentlich ermittelt wurde“.

Es scheine nur so viel klar zu sein, „dass jetzt 30 Milliarden Euro Gasumlage durch 200 Milliarden Euro neue Schulden ersetzt werden“. Dementsprechend werde immer mehr Geld in „Schattenhaushalten“ aufgetürmt, kritisierte Merz. Es sei auch immer noch unklar, wofür das Geld eigentlich verwendet werde.

So sei zum Beispiel „völlig offen“, wie die geplanten Gas- und Strompreisbremsen gestaltet werden sollen. Der CDU-Chef erwartet nach der Ankündigung der Regierung den Beginn eines „Gesetzgebungsmarathons“. Er sei dabei „einigermaßen skeptisch“, sagte Merz.

Man werde den Prozess aber „konstruktiv begleiten“. Die Union behalte sich dabei Zustimmung oder Ablehnung vor.

Scholz dämpft Erwartungen an schnelle Umsetzung der Gaspreisbremse

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Erwartungen gedämpft, dass die geplante Absenkung der Gaspreise bereits im Oktober zu spürbaren Entlastungen führen wird. „Das wird sicherlich nicht so einfach gehen“, sagte er in der Sendung „RTL Aktuell“. Es müsse ja erst organisiert werden, „dass die zu hohen Preise für Gas, die auf Weltmarkt bezahlt werden, runtersubventioniert werden“.

Scholz konkretisierte: „Damit die Rechnungen, die man von seinem Gasversorger oder von seinem Fernwärmeunternehmen vor Ort bekommt, wieder geringer ausfallen können.“ Gefragt, ob die Entlastungen noch in diesem Jahr spürbar seien werden, sagte Scholz: „Wir sind uns sehr sicher, dass das gelingt.“ Die Rufe nach Tempo bei der Umsetzung des sogenannten „Abwehrschirms“ werden unterdessen lauter.

„Durch die Verlagerung der Ausgestaltung auf eine Kommission geht wertvolle Zeit verloren“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Mittelstandsverbands BVMW, Markus Jerger, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagsausgaben). „Mit dem prall gefüllten EEG-Umlagen-Konto könnten und sollten sofort die unter der Energiepreisexplosion leidenden Unternehmen und Verbraucher wirkungsvoll entlastet werden.“ Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV), Ramona Pop, warnte unterdessen, dass die Bürger „angesichts horrender Energiepreise“ rasche Hilfe brauchten.

„Eine erneute Hängepartie würde zu einem weiteren Vertrauensverlust in die Bundesregierung und ihr Krisenmanagement führen.“ Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) setzt auf Tempo. „Der Abwehrschirm muss nun rasch in der angespannten Realität der Unternehmen ankommen“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der „Bild“ (Freitagsausgabe).

Scholz verteidigt neue Schuldenaufnahme

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die geplante Aufnahme zusätzlicher Schulden für den sogenannten „Abwehrschirm“ verteidigt. In einer Krisensituation könne man Kredite aufnehmen, sagte er im ZDF-„Heute-Journal“. Besonders im Angesicht des Krieges in der Ukraine sei es besonders jetzt wichtig, dass „wir alle Kraft zeigen, die wir haben“.

Dass damit falsche Signale gesendet werden, glaubt Scholz nicht. Es sei „zynisch“ zu überlegen, dass hohe Preise die Menschen zum Sparen bewegen, sagte er auf Nachfrage. Dass jemand nicht wisse, wie er die Strom- oder Heizrechnung bezahlen soll, könne man einfach nicht akzeptieren.

Und auch die angekündigte Annexion der besetzten Gebiete in der Ukraine durch Russland werde Deutschland, wie auch zahlreiche andere Länder, nicht akzeptieren. „Dann hat Putin sich und sein Land weiter isoliert“, sagte der Kanzler.

Habeck will bei Gaspreisbremse „Grundbedarf“ subventionieren

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will bei der geplanten Gaspreisbremse auch auf Sparanreize setzen. „Was naheliegend ist, ist dass man einen Grundbedarf subventioniert, die Spitze des Verbrauchs allerdings am Markt bezahlt werden muss“, sagte er in der Sendung „RTL Nachtjournal“. Je mehr Gas man verbrauche, umso teurer werde es also.

Der „Grundbedarf“ werde entweder über den entsprechenden Gasverbrauch des vergangenen Jahres ermittelt oder es könne ein prozentualer Anteil davon festgelegt werden, der dann billiger sei: „Das kann subventioniert und gedrückt werden, aber was darüber hinaus geht, dann eben nicht.“ So ein Modell werde es, damit es immer einen Anreiz gebe, weiter Gas zu sparen, sagte der Grünen-Politiker. Habeck rief die Verbraucher zudem erneut auf, Energie zu sparen: „Wir müssen wirklich sparen.“

Man habe zwar volle Speicher, aber man müssen die Gasverbräuche in Deutschland insgesamt um 20 Prozent runterbringen. „Da kann und sollte jeder seinen Anteil leisten“, sagte Habeck.

red01