Gütersloh | aktualisiert 16:53 Uhr | Neuer Aufsichtsratschef bei Bertelsmann: Christoph Mohn wird zum Jahreswechsel Chefkontrolleur des größten europäischen Medienkonzerns. Der 47-jährige Sohn des verstorbenen Bertelsmann-Patriarchen Reinhard Mohn löst den bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden Gunter Thielen (70) ab, der aus Altersgründen sein Amt niederlegt und aus dem Gremium ausscheidet, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte.

Mohn betonte nach seiner Wahl durch den Aufsichtsrat, Bertelsmann befinde sich aktuell „am Beginn eines langfristigen Konzernumbaus“. Der Aufsichtsrat werde den Wandel zu einem noch wachstumsstärkeren Unternehmen konstruktiv und kritisch begleiten.

Von vielen Beobachtern wird die Berufung Mohns als weiterer Schritt gewertet, mit dem die Bertelsmann-Gründerfamilie Mohn ihren Einfluss in dem Unternehmen auch für die Zukunft sichert. Seine Mutter Liz Mohn ist Vorsitzende der Verwaltungsgesellschaft des Bertelsmann-Konzerns. Seine Schwester Brigitte ist ebenfalls im Unternehmen tätig. In der Öffentlichkeit war der Unternehmersohn in der Vergangenheit vor allem als Chef des gescheiterten Internetportals Lycos Europe bekannt geworden. Der scheidende Aufsichtsratschef Thielen betonte, er freue sich über die Wahl seines Nachfolgers. „Christoph Mohn ist ein angesehener Manager, der die Entwicklung von Bertelsmann seit Jahrzehnten eng begleitet und mit seinem Erfahrungsschatz die Arbeit im Aufsichtsrat sehr bereichert“, sagte er.

Bertelsmann im Umbruch

Die Wahl des Chefkontrolleurs fällt in eine Umbruchphase bei dem Gütersloher Medienriesen. Der neue Konzernchef Rabe will das Unternehmen nach Jahren der Stagnation wieder auf Wachstumskurs bringen.
In den nächsten fünf bis zehn Jahren will Rabe den Gütersloher Konzern deshalb mit Rückendeckung der Gründerfamilie völlig umbauen. Bertelsmann soll internationaler werden und in mehr Geschäftsfeldern aktiv sein. Während der Konzern heute noch rund 80 Prozent seiner Umsätze im wachstumsschwachen Europa macht, soll künftig ein Großteil der Investitionen in Wachstumsmärkte wie China, Indien und Brasilien fließen. Außerdem will sich der Konzern neue Geschäftsfelder etwa im Bildungsbereich erschließen.

Die Zeit drängt. Denn traditionelle Gewinnbringer des Konzerns wie die Druckereien, die CD- und DVD-Werke oder die Buchclubs haben sich in den vergangenen Jahren zu Sorgenkindern entwickelt. Die Zeitschriftensparte Gruner + Jahr schwächelt. Und auch die florierende TV-Sparte mit der Senderkette RTL und das Buchgeschäft stehen vor großen Herausforderungen durch die Digitalisierung.

Spielraum für seine ehrgeizigen Pläne bekommt Rabe nicht zuletzt durch die jüngst erfolgte Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien. Sie erlaubt Bertelsmann die Aufnahme von Investoren oder sogar einen Börsengang, ohne die Macht der Gründerfamilie Mohn und der Bertelsmann-Stiftung zu beschneiden. Damit könnte sich der Konzern jetzt wohl auch wieder an größere Übernahmen wagen.

Autor: Erich Reimann/ dapd