Symbolbild Bundeswehr | Foto: via dts nachrixchtenagentur

Stuttgart | Der frühere Datenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg, Stefan Brink, kritisiert die Bundeswehr in der Abhöraffäre. Bei sensiblen Gesprächen auf ausländische Dienstleister wie den Videokonferenzanbieter Webex des US-Unternehmens Cisco zu setzen, sei heikel, sagte er dem „Handelsblatt“ (Montagsausgabe).

„Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kommunikation vertraulich ist, wie bei Regierungsgesprächen oder beim Austausch über militärische Fragen“, so Brink weiter. „Hier ohne besondere Sicherungsmaßnahmen zu kommunizieren ist grob fahrlässig, denn dass es zu Abhörversuchen kommt, ist sicher.“

Der Datenschutzexperte riet dazu, ausschließlich solche Kommunikationswege zu nutzen, die man auch vollständig beherrsche – und auf unsichere Kommunikation vollständig zu verzichten. „Alles andere wäre fahrlässig.“

Brink erinnerte daran, dass inzwischen alle großen Kommunikationsdienstleister eine sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anböten, die auch gegenüber dem Dienstleister selbst wirksam sei. „Warum diese im Fall der Bundeswehr offenbar nicht eingesetzt wurde, ist mir schleierhaft und ein Grund zur Besorgnis.“

Pistorius will nach Abhöraffäre „alles auf den Prüfstand“ stellen

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat im Taurus-Abhörskandal umfassende Aufklärung versprochen. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) sei eingeschaltet und beauftragt worden, den Vorfall „lückenlos aufzuklären“, sagte der Minister am Sonntag in Berlin. „Wir stellen alles auf den Prüfstand.“

Zum Beispiel müsse geklärt werden, ob die „richtige Plattform“ genutzt worden sei, um über die entsprechenden Informationen zu sprechen. Auch mit Blick auf die verwendete Technik gebe es offene Fragen, ob die Vorgaben eingehalten worden seien. Spekulationen wies er in diesem Zusammenhang zurück: „Diese bringen uns nicht weiter“, sagte er. Ergebnisse der Untersuchung erwarte er in den ersten Tagen der kommenden Woche. Erst dann würden „Konsequenzen und Entscheidungen“ folgen, so Pistorius.

Der Verteidigungsminister mahnte zudem, „besonders besonnen“ auf den Vorfall zu reagieren. Die Affäre sei „Teil eines Informationskrieges“, den der russische Präsident Wladimir Putin führe. „Da gibt es gar keinen Zweifel“, so der SPD-Politiker.

In der Abhöraffäre geht es um die Veröffentlichung der Aufzeichnung einer internen Besprechung von Luftwaffenoffizieren durch russische Medien. In dem knapp 40-minütigen Gespräch, welches am 19. Februar stattgefunden haben soll, wurde die theoretische Möglichkeit eines Taurus-Einsatzes durch die Ukraine diskutiert und die Frage erörtert, wie die Luftwaffe einen solchen Einsatz unterstützen könnte.

Die Bundesregierung war bislang streng darauf bedacht, den Eindruck zu vermeiden, Deutschland könne Kriegspartei im Kampf zwischen Russland und der Ukraine werden.

Union will Verteidigungsausschuss-Sondersitzung zu Abhörskandal

Nach dem Abhörskandal bei der deutschen Luftwaffe hat die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses beantragt und fordert auch das persönliche Erscheinen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Es bestehe „dringender parlamentarischer Aufklärungsbedarf“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der „Welt“.

In der Union herrsche blankes Entsetzen über die jüngsten Entwicklungen in Zusammenhang mit der von der Ukraine erbetenen Lieferung des Taurus-Waffensystems. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) spricht inzwischen von einem „Sicherheitsrisiko Bundeskanzler“. Die Taurus-Marschflugkörper seien zum „Synonym für den Umgang des Bundeskanzlers mit unserer nationalen Sicherheit und der Sicherheit unserer Partner in der EU und in der Nato“ geworden, sagte Wadephul der „Welt“.

Scholz und Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) müssten unangenehme Fragen beantworten. Es gehe darum, ob die Behauptung von Scholz richtig sei, dass Taurus „nur mit deutschen Soldaten in der Ukraine“ zum Einsatz kommen könnten. „Hat er diese Behauptungen aus Unkenntnis aufgestellt oder waren sie vorsätzlich falsch?“, so Wadephul. Die Union fordert Aufklärung: Man wolle wissen, wer Scholz zu welchem Zeitpunkt in diesen Angelegenheiten beraten hat und wann der Bundeskanzler vom abgehörten Telefonat erfahren hat.

Wadephuls Zwischenbilanz nach der vergangenen Woche: „Ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der in einer so herausfordernden Zeit zu einer vertrauensvollen Verständigung mit unseren wichtigsten Verbündeten in Europa nicht in der Lage ist, ein Bundeskanzler, der mit unbedachten Äußerungen die Verbündeten im Gegenteil erheblich irritiert, und der zugleich ganz offensichtlich das innenpolitische und wahlkampftaktische Kalkül über die Sicherheitsinteressen unseres Landes sowie eine glaubhafte Unterstützung der Ukraine in ihrem Freiheitskampf gegen eine gemeinsame Bedrohung stellt, der wird zunehmend selbst zum Sicherheitsrisiko, für Deutschland, aber auch für ganz Europa.“

Kontrollgremiumschef für Sonderermittler in Taurus-Abhöraffäre

Der Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz (Grüne), fordert im Taurus-Abhörskandal den Einsatz eines Sonderermittlers. „Es handelt sich um ein sehr grundsätzliches und ernstes Problem“, sagte von Notz der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe).

„Ein Sonderermittler kann hier schnell und effektiv aufklären, wenn er umfassende Befugnisse und die volle Rückendeckung der Bundesregierung und des Parlaments erhält.“ Unsere Demokratie müsse endlich wehrhafter werden. „Der Abhörskandal muss postwendend und vollständig aufgeklärt werden. Wie genau kam es zu dem Mitschnitt? Handelt es sich um ein einmaliges oder grundsätzliches Problem mit der Kommunikation der Bundeswehr?“, so von Notz.

„Die umfassendere Frage der illegitimen Einflussnahme und Unterwanderung durch russische Dienste muss darüber hinaus endlich breit thematisiert und aufgearbeitet werden“, fügte der Grünen-Politiker hinzu. „Wen unterstützt Putins Russland mit Geld, wie destabilisiert Moskau unsere Demokratie, wie werden unsere Debatten von außen beeinflusst und geschürt über Social Media?“

Roderich Kiesewetter (CDU), Vize-Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums, geht derweil davon aus, dass der Bundeswehr-Leak durch einen russischen Teilnehmer in der Web-Ex-Schalte entstanden sein könnte: Darauf gebe es Hinweise aus Quellen, „die sich berufsmäßig damit beschäftigen“, sagte er im „Bericht aus Berlin“ des ARD-Hauptstadtstudios. Es sei nun zu klären, wie die russischen Spione die Einwahlnummern bekommen hätten und „wie sie den Zugang zu dieser Konferenz aufklären konnten“.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) fordert unterdessen einen besseren Schutz sensibler Behördenkommunikation: „Das aggressive Agieren Russlands ist eine sicherheitspolitische Gefahr für unser Land“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

„Schnellstmöglich müssen die neue Abhörattacke aufgeklärt und mögliche Schwachstellen überprüft werden. Es ist unerlässlich, dass sicherheitsrelevante Kommunikationen in allen Verfassungsorganen und Sicherheitsbehörden geschützt wird.“

Göring-Eckardt sagte weiter: „Russland führt Krieg auf allen Ebenen, auch einen Cyberkrieg gegen den Westen. Dazu gehören Cyber-Spionage und die jüngst aufgedeckten breiten Desinformationskampagnen. Russland will westliche Demokratien destabilisieren.“ Die Bedrohung für die Ukraine wiederum steige angesichts mangelnder Lieferung von Munition und weitreichenden Waffen massiv.

Wehrbeauftragte für weitreichende Konsequenzen aus Spionagefall  

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, fordert weitreichende Konsequenzen aus dem Spionagefall bei der Bundeswehr. Alle Verantwortlichen auf allen Ebenen der Bundeswehr müssten „umfassend zu geschützter Kommunikation geschult werden“, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben).

„Zweitens muss gewährleistet sein, dass sichere und geheime Information und Kommunikation stabil möglich ist.“ Falls dies technisch nicht überall der Fall sei, müsse sofort nachgerüstet werden. Als dritte Forderung führte Högl an, mehr in die Abwehr von Spionage zu investieren: „Der MAD muss hierfür ertüchtigt werden – personell und materiell.“

Der Vorfall zeige dringenden Handlungsbedarf, so die Wehrbeauftragte. „Information und Kommunikation sind wesentliche Elemente der Angriffe Russlands auf die westliche Welt, auf Freiheit und Demokratie.“ Die Veröffentlichung der abgehörten Beratung der Luftwaffe zu Taurus offenbare gravierende Lücken bei Sicherheit und Geheimhaltung.

Strack-Zimmermann verlangt in Abhöraffäre Aufklärung durch MAD

In der Taurus-Abhöraffäre fordert die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine schnelle Aufklärung durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD). „Der Sachverhalt gehört vom MAD aufgeklärt“, sagte Strack-Zimmermann der „Rheinischen Post“ (Montagsausgabe).

„Die Absicht, dass der Mitschnitt gerade jetzt veröffentlicht wurde, liegt auf der Hand: Russland möchte unter allen Umständen verhindern, dass der Taurus an die Ukraine geliefert wird. Nachdem der Kanzler die Lieferung erneut ausgeschlossen hat, die Gründe für seine Ablehnung aber binnen 24 Stunden von Fachleuten widerlegt worden sind, möchte man ihn offensichtlich davon abschrecken, doch noch grünes Licht zu geben, denn Russland fürchtet den Taurus, eben weil er so wirksam ist“, so Strack-Zimmermann.

„Selbstverständlich muss der Taurus geliefert werden. Ich hoffe sehr, dass das dem Bundeskanzler und seinen Beratern klar geworden ist und sie ihre Naivität endlich ablegen“, fügte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses hinzu. Deutschland werde von Russland ohnehin längst als Feind betrachtet.