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Köln | red, dts | Die Debatte um die Energiesicherheit in Deutschland ist voll entbrannt. Es geht um Einsparungen, Verlängerung von Laufzeiten und die Debatte in welchen Händen kritische Infrastruktur ist und wie diese definiert wird. Eine Zusammenfassung der Debatte, die durch den Ukraine-Krieg und die Abhängigkeit von fossillen Energieträgern dringend wurde. Die Auslösung der ersten Stufe des Notfallplans Gas wird von der Ampel-Koalition verteidigt.

Mittelstand fordert Reaktivierung der Gasförderung in Niedersachsen

Angesichts drohender Engpässe bei der Versorgung mit Erdgas fordert der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) eine schnelle Diversifizierung der deutschen Energieversorgung sowie eine Reaktivierung der Gasförderung im Inland. „Für die Industrienation Deutschland ist eine funktionierende Energieversorgung existenziell“, sagte BVMW-Chef Markus Jerger dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Es sei daher ein Unding, dass man sich in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr von nur wenigen Energielieferanten abhängig gemacht habe.

Es müssten jetzt sämtliche Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, wie Deutschland der einseitigen Abhängigkeit bei Energieimporten entgegenwirken könne, so Jerger weiter. „Auch müsste die niedersächsische Politik ihre ablehnende Haltung gegen die heimische Erdgasförderung revidieren und den neuen geopolitischen Realitäten Rechnung tragen.“ Wenn sich herausstellen sollte, dass auch die Laufzeitverlängerung der drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke rechtlich und technisch umsetzbar sei, und dies einen Beitrag zu mehr Versorgungssicherheit leiste, dürfe auch dies nicht aus ideologischen Gründen verworfen werden, so Jerger.

„Es geht jetzt darum, einen drohenden Blackout zu verhindern, bis eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien wirklich möglich ist.“ Es dürfe jetzt keine „Denkverbote“ geben.


Union und FDP gegen Gasspeicher in Gazprom-Hand

Politiker von CDU und FDP haben davor gewarnt, deutsche Gasspeicher in den Händen der Gazprom-Tochter Astora zu belassen. Der jetzige Zustand erleichtere es Moskau, Speicher in Deutschland leerlaufen zu lassen und damit den politischen Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, sagte der CDU-Energiepolitiker Andreas Jung dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Man erlebe einen von Russland begonnenen Angriffskrieg und müsse daraus jetzt die Konsequenzen ziehen.

Ähnlich äußerte sich der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse. Beide Politiker bezogen sich darauf, dass der in Regie von Gazprom befindliche größte Gasspeicher Westeuropas im niedersächsischen Rehden schon im vorigen Jahr zeitlich parallel zum Aufmarsch Russlands nahe der Ukraine einen Füllstand nahe null erreicht hat. Anders als in den Vorjahren hatte Gazprom im Jahr 2021 nicht mehr die in den Vorjahren üblichen Mengen eingespeichert.

„In Rehden hätte man sehr früh sehen können, dass da etwas gegen uns in Deutschland läuft“, sagte Kruse. „Man hätte nur eins und eins zusammenzählen müssen.“ Aus Sicht Kruses genügt es nicht, der Branche wie von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplant für den nächsten Herbst bestimmte Füllstände vorzuschreiben. Es sei besser, Gasspeicher generell als Einrichtungen der kritischen Infrastruktur zu definieren.


Unionsfraktion pocht auf längere Laufzeiten für Kernkraftwerke   Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Die Unionsfraktion dringt angesichts einer angespannten Gasversorgung auf längere Laufzeiten für Kernkraftwerke. „Ich verstehe nach wie vor nicht, warum sich die Bundesregierung aus ideologischen Gründen einer längeren Nutzung der bestehenden Kernkraftwerke verweigert“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). 13 Prozent des russischen Gases würden in Deutschland aktuell verstromt.

„Wenn man dort anfangen würde zu reduzieren, würden wir uns schon ein Stück unabhängiger machen“, so Dobrindt. Der Energieexperte der Fraktion, Jens Spahn (CDU), forderte, es müssten „ideologiefrei alle Optionen auf den Tisch“, um von russischem Gas unabhängiger zu werden. „Dazu gehören auch längere Laufzeiten nicht nur für Kohle, sondern auch für CO2-neutrale Kernkraftwerke.“

Spahn ergänzte: „Putin kann uns jederzeit das Gas abdrehen. Deutschland muss sich auf diesen Fall der Fälle vorbereiten.“ Dazu fordere man die Bundesregierung seit Wochen auf.

„Es ist gut, dass dies mit der Ausrufung der Frühwarnstufe nun transparent und geordnet geschieht und alle Beteiligten in einem Krisenstab zusammenarbeiten.“ Es zeige aber auch, wie ernst die Lage sei.


Grüne Jugend verlangt Plan gegen Energieverbrauch im Verkehr

Vor dem Hintergrund der Energiekrise hat die Grüne Jugend Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) aufgefordert, Vorschläge vorzulegen, wie der Energieverbrauch im Verkehr gesenkt werden kann. „Im Verkehrsbereich gibt es große Potenziale“, sagte GJ-Bundessprecher Timon Dzienus den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). „Kostenlose Tickets für Bus und Bahn wären ein wichtiger Beitrag, damit mehr Menschen ihr Auto stehen lassen.“

Die Man erwarte von Verkehrsminister Wissing „unverzüglich einen Plan, wie der viel zu hohe Energieverbrauch im Verkehrssektor reduziert und die Verkehrswende vorangetrieben werden kann“. Um sich aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas zu lösen, müsse die Bundesregierung als Ganze jetzt Milliarden in die Hand nehmen, um Tempo bei der Energie- und der Wärmewende zu machen, sagte Dzienus weiter. „Jedes Windrad, jede Solaranlage, jede Wärmepumpe hilft dabei.“

Insbesondere bei der Wärmeversorgung gebe es einen enormen Bedarf: Öl- und Gasheizungen müssten so schnell wie möglich ausgetauscht werden und durch klimafreundliche Alternativen wie Wärmepumpen oder Solarthermie ersetzt werden. Kurzfristig sollten Unternehmen mehr Homeoffice ermöglichen, um den Energieverbrauch zu senken.


Habeck dringt auf massive Anstrengungen zum Energiesparen

Vor dem Hintergrund drohender Ausfälle der russischen Gaslieferungen hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) massive Anstrengungen zum Energiesparen gefordert. Die Speicher seien ausreichend gefüllt für Frühjahr und Sommer dieses Jahres, sagte er den ARD-Tagesthemen. Die Frage sei, ob dies auch im kommenden Winter der Fall sei.

„Da können wir jetzt alle einen Beitrag leisten: Wir als Regierung natürlich, indem wir uns bemühen, mal richtig Geschichte zu schreiben und nicht deutsche Bräsigkeit walten lassen. Und die Pipelines bauen, die Terminals bauen, Gas einkaufen, die Regelwerke machen, die Effizienzkriterien in die Gesetze schreiben, das Geld bereitstellen für die Gebäudesanierung und den Austausch von Öl- und Gaskesseln – das ist also mein Job, das ist unser Job.“ Aber alle anderen Bürger und die Unternehmer könnten auch einen Beitrag leisten, indem sie jetzt die Gas- und die Öl-Verbrauche zurückfahren.

„Jeder Kubikmeter Gas, der nicht verfeuert wird, hilft. Die Preise sind hoch, ich gehe nicht davon aus, dass das im Moment verschwendet wird“, so der Minister. Aber wenn man jetzt einen Beitrag leiste, dann könne das im Gemeinschaftswerk etwas Großes werden.

„Und dann können wir auch mit den Zuflüssen, die wir über LNG bekommen, die Gasspeicher über den Sommer anfüllen. Aber dazu müssen wir die Reduktion ernst nehmen und die Verbräuche runterbringen in Deutschland.“


Ampel verteidigt Aktivierung des Notfallplans Gas

Die Koalitionsfraktionen verteidigen die Aktivierung des Notfallplans Gas durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Wir müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Es ist richtig, dass Bundeswirtschaftsminister Habeck die Vorsorgemaßnahmen erhöht“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der „Welt“ (Donnerstagausgabe).

Dass dieser Schritt notwendig sei, zeige die Abhängigkeit von russischem Gas. „Dieses Erbe hat uns leider die unionsgeführte Vorgängerregierung hinterlassen.“ Auch bei den Grünen erntet Habecks Entscheidung aktuell Zustimmung.

„Dieser Schritt ist absolut richtig und leider notwendig. Wir müssen die Ankündigungen Russlands ernst nehmen, gegebenenfalls kein Gas mehr liefern zu wollen“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. Es sei außerdem ein „Signal an Wirtschaft und Gesellschaft, jetzt dringend alle Möglichkeiten zum Energiesparen und effizienteren Umgang mit Energie zu nutzen“.

In der Opposition ist man anderer Meinung: „Die Lage ist sehr ernst. Die Energiepartnerschaft mit Katar hat sich als Show-Politik erwiesen.“ Es gebe derzeit keine Alternative zu russischen Gasimporten.

„Bei einem Ausfall von Erdgaslieferungen drohen Lieferausfälle in der Industrie und Nahrungsmittelengpässe“, sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla der „Welt“. Auch die Linkspartei warnt vor den Folgen eines unvorbereiteten Lieferstopps. Es drohten Firmenpleiten, Massenentlassungen und weitere drastische Preisanstiege für die Verbraucher, sagte Fraktionschefin Amira Mohamed Ali dem Blatt.

Die CSU fordert, nun über Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke zu sprechen. „Ich verstehe nach wie vor nicht, warum sich die Bundesregierung aus ideologischen Gründen einer längeren Nutzung bestehender Kernkraftwerke verweigert“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der „Welt“. Die CDU fordert einen Plan für den Winter.

„Es muss jetzt kurzfristig alles unternommen werden, damit wir auch ohne russische Importe gut über den nächsten Winter kommen können“, sagte der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Jung, der „Welt“. Schon für den kommenden Winter müssten schwimmende Flüssiggas-Terminals in der Nordsee zum Einsatz kommen. „Es ist eine nationale Aufgabe ersten Ranges, das jetzt auch zu realisieren“, sagte Jung.

Dem stimmt die FDP zu: Mit Blick auf Flüssiggas sagte der designierte Generalsekretär der Partei, Bjan Djir-Sarai: „Die Lieferbeziehungen mit verlässlichen Partnerstaaten wie etwa den USA, Kanada, Norwegen und den Niederlanden müssen rasch gestärkt werden. Dazu gehört der schnellstmögliche Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur.“