Das Symbolfoto zeigt ein ausgetrocknetes Feld

Brüssel | Die globale Durchschnittstemperatur lag in den vergangenen zwölf Monaten erstmals 1,52 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Das teilte das europäische Erdbeobachtungsprogramm Copernicus am Donnerstag mit.

Damit hat die Erderhitzung einen kritischen Wert erreicht: Im Pariser Klimaabkommen hatten sich die 195 Vertragsparteien darauf geeinigt, Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Das Ziel ist damit zugleich noch nicht gerissen: Wegen Schwankungen – etwa durch das Wetterphänomen El Nino – werden für gewöhnlich mehrjährige Durchschnitte betrachtet.

Der Januar 2024 war laut Copernicus der heißeste Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Gemessen wurden durchschnittlich 1,66 Grad heißer als in der vorindustriellen Periode 1850-1900. Es ist bereits der achte heißeste Monat in Folge.

Der Klimawandel macht Extremwettereignisse häufiger und intensiver. Im Januar 2024 war es beispielsweise in weiten Teilen Europas überdurchschnittlich feucht. Zugleich blieb es Teilen Spaniens, der Maghreb-Staaten und Großbritanniens überdurchschnittlich trocken.

Kippelemente

Die 1,5-Grad-Grenze hat besondere Bedeutung für sogenannte „Kippelemente“ im Erdsystem. Sie könnten bereits unterhalb der Schwelle von zwei Grad instabil werden: So droht beispielsweise ein vollständiger und unaufhaltsamer Verlust des Grönländischen Eisschilds. Dies hätte laut Potsdam Institut für Klimafolgenforschung über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten einen weltweiten Meeresspiegelanstieg von bis zu sieben Metern zur Folge. Weitere drei Meter könnte ein Kippen des Westantarktischen Eisschildes verursachen, dessen kritischer Schwellenwert ebenfalls auf 1,5 Grad geschätzt wird.

Klimaforscher: Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels unwahrscheinlicher

Andreas Fink, Klimaforscher am Karlsruher Institut für Technologie, hält es für unwahrscheinlich, dass es noch gelingen wird, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. „Das 1,5-Grad-Ziel ist noch einhaltbar“, sagte Fink den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben). „Aber es wird immer unwahrscheinlicher. Ich persönliche glaube angesichts der Emissionsentwicklung weltweit nicht, dass es noch realistisch ist.“

Die Nachricht, dass zwischen Februar 2023 und Januar 2024 zwölf Monate mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Mittel lagen, sei ein „Alarmzeichen“, sagte er weiter. „Und es ist in dieser Deutlichkeit auch unerwartet. Trotz El Nino: Dass das Jahr so warm würde, damit hat Anfang 2023 kaum jemand gerechnet“, so Fink. Die Überschreitung der 1,5-Grad-Schwelle wie im Pariser Abkommen festgelegt sei das allerdings noch nicht.

Die Wissenschaft gehe davon aus, dass die Durchschnittstemperaturen Ende der 2020er, Anfang der 2030er regelmäßig über den 1,5 Grad liegen werden. „Wann genau die Schwelle dauerhaft überschritten wird, ist umstritten“, erklärte Fink. „Aber die aktuellen Daten deuten daraufhin, dass die Prognosen, die einen früheren Zeitpunkt vorhersagen, sich bewahrheiten könnten.“

Johanna Baehr, Expertin für Klimamodellierung von der Universität Hamburg, sagte den Funke-Zeitungen, die Daten des Copernicus-Klimadienstes lägen innerhalb dessen, was Klimamodelle angezeigt hätten. „Im Prinzip war das also erwartbar“, sagte sie. „Aber erwartbar heißt nicht harmlos.“ Die 1,5 Grad würden sich nicht aus einer inhärenten, naturwissenschaftlich definierten Schwelle im Klimasystem ableiten. „Das System ändert sich graduell“, sagte sie.

Dass die Schwelle eine politische Festlegung sei, bedeutet aber nicht, dass man sie nicht ernstnehmen müsse. „Politik und Gesellschaft sind nicht daraus entlassen, weiterhin darauf hinzuarbeiten, dass wir das einhalten“, so Baehr.

Sogenannte „Kippelemente“ im Erdsystem könnten bereits unterhalb der Schwelle von zwei Grad instabil werden: So droht beispielsweise ein vollständiger und unaufhaltsamer Verlust des Grönländischen Eisschilds. Dies hätte laut Potsdam Institut für Klimafolgenforschung über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten einen weltweiten Meeresspiegelanstieg von bis zu sieben Metern zur Folge. Weitere drei Meter könnte ein Kippen des Westantarktischen Eisschildes verursachen, dessen kritischer Schwellenwert ebenfalls auf etwa 1,5 Grad geschätzt wird.