Das Foto zeigt den ehemaligen Außenminister Henry Kissinger, als er vor dem Ausschuss United States Senate Committee on Armed Services über globale Herausforderungen und die nationale Sicherheitsstrategie der USA spricht. | Foto: IMAGO / USA TODAY Network

Washington | dts | aktualisiert | Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 100 Jahren, wie seine Beratungsfirma mitteilte. Der in Deutschland geborene Diplomat galt zwischen 1969 und 1977 als prägende Figur in der US-Außenpolitik: Von 1969 bis 1975 war er Nationaler Sicherheitsberater und von 1973 bis 1977 Außenminister der Vereinigten Staaten.

Kissingers Kurs als Außenminister galt als kontrovers, da er unter anderem auch antikommunistische Diktaturen, insbesondere in Lateinamerika, unterstützte. Dennoch erhielt er 1973 den Friedensnobelpreis für seinen Beitrag für ein Waffenstillstands- und Abzugsabkommen mit Nordvietnam. Geboren wurde Kissinger 1923 in eine jüdische Familie in Fürth.

1938 floh er mit seiner Familie vor der NS-Verfolgung in die USA, wo ihm der Aufstieg gelang. Bis zuletzt hatte sich Kissinger noch zu aktuellen politischen Themen geäußert, unter anderem zum Ukraine-Krieg.

Steinmeier würdigt Kissinger 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den verstorbenen früheren US-Außenminister Henry Kissinger als „Kämpfer für Freiheit und Demokratie“ gewürdigt. „Wir verlieren mit Henry Kissinger einen beeindruckenden Mann mit einer unglaublichen Lebensgeschichte: den Zeitzeugen eines Jahrhunderts, die treibende geistige Kraft der US-Außenpolitik vieler Jahrzehnte, den Hüter der transatlantischen Beziehungen“, so der Bundespräsident in einem Kondolenzschreiben. Kissinger sei ein „Freund Deutschlands“ gewesen, der Schlüsselmomente der Geschichte miterlebt und mitgestaltet habe.

„Mit klarer Sprache und unerschrockener Diplomatie hat er die Vereinigten Staaten von Amerika und die Weltpolitik der Nachkriegszeit entscheidend geprägt“, schreibt Steinmeier. Mit seiner Entspannungs- und Abrüstungspolitik habe Kissinger den Grundstein für das Ende des Kalten Krieges und für den demokratischen Wandel im Osten Europas gelegt. „Dass wir heute in einem geeinten und demokratischen Deutschland leben, eingebunden in starke Bündnisse, daran haben die Vereinigten Staaten, und daran hat auch Henry Kissinger persönlich großen Anteil“, so der Bundespräsident.

Schlie über Kissinger: „Deutschland hatte keinen besseren Anwalt“  

Mit dem Tod von Henry Kissinger verliert die Bundesrepublik nach Ansicht von Ulrich Schlie, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der NRW-Akademie für Internationale Politik, einen wichtigen Fürsprecher in den USA. „Deutschland hatte keinen besseren Anwalt in Amerika als ihn, der als Fünfzehnjähriger 1938 mit seinen Eltern Paula und Louis und seinem Bruder Walter vom fränkischen Fürth in die Vereinigten Staaten emigrierte“, schreibt Schlie in einem Nachruf für die Zeitungen von Ippen-Media, der der dts Nachrichtenagentur vorab vorlag. Dabei habe Kissinger „allen Grund zu Groll auf die Stadt gehabt, die nach der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 seinen Vater, einen Studienrat für Mathematik und Deutsche Literatur an einem Fürther Mädchengymnasium, zunächst mit Berufsverbot belegte und sodann durch die zunehmende Verfolgung und Demütigung von Juden die Familie zur Auswanderung trieb“.

Trotz der persönlichen Demütigungen in der nationalsozialistischen Zeit habe die Familie Kissinger „stets zwischen Deutschland und den Nationalsozialisten zu unterscheiden“ gewusst, schreibt Schlie. „Diese Einsicht, die Fähigkeit zu differenzieren und zu verzeihen, war Voraussetzung für Henry Kissingers außergewöhnliche Nachkriegskarriere in den Vereinigten Staaten“, so der Professor für Sicherheits- und Strategieforschung am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Universität Bonn sowie Direktor des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS), der Kissinger persönlich kannte. Deutschland habe nach dem verlorenen Krieg eine zweite Chance bekommen.

„Dass dieses möglich wurde, verdanken wir ganz entscheidend Männern wie Henry und Walter Kissinger“, so Schlie. Kissinger war von 1973 bis 1977 Außenminister der Vereinigten Staaten, am Mittwoch war er im Alter von 100 Jahren gestorben.

ag