Köln | Es ist deutliche Enttäuschung zu spüren, die in der öffentlichen Mitteilung des Vereins Lärmschutzgemeinschaft Flughafen Köln Bonn an Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und den Grünen im Kölner Stadtrat, zu lesen ist. Enttäuschung darüber, dass Ratsbeschlüsse nicht umgesetzt werden und der Fluglärm weiter zunimmt.
Der Flughafen Köln Bonn verbreitete erst kürzlich seine Jubelmeldung zur Bilanz der Sommerferienreisezeit. In sechseinhalb Wochen starteten 1,7 Millionen Fluggäste in Köln Bonn oder landeten. Der Flughafen resümiert: „Im Vergleich zum sehr guten Vorjahr, in dem sich das Aufkommen in Köln/Bonn bereits überdurchschnittlich positiv entwickelt hatte, ist das eine nochmalige deutliche Steigerung.“ Für Kölner:innen die vom Fluglärm geplagt sind, dürften solche Meldungen Horrormeldungen sein. Vor allem weil sie nur eine Seite des Flughafens zeigen, die des Passagierverkehres und nicht die des Frachtflugverkehrs.
Aussagen Rekers sorgen für Unmut
Öl ins Feuer der vom Lärm geplagten Anwohner:innen goss Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit Aussagen zum Flughafen Köln Bonn, die medial verbreitet wurden. Aussagen, wie dass beim Lärmschutz noch nie so viel passiert sei wie in den letzten Jahren. Sauer stößt bei der Lärmschutzgemeinschaft zudem auf, dass Reker sagte, dass Fluglärm eine Frage der Haltung sei und sie selbst in der Einflugschneise wohne, aber den Verkehrslärm in der Innenstadt als störender empfinde.
Die Lärmschutzgemeinschaft erinnerte Reker an ihre Aussagen im Kommunalwahlkampf 2020. Reker betonte damals, dass nächtliche Passagierflüge unnötig seien. Reker stellte die rhetorische Frage, wer denn um 2 Uhr morgens abfliegen und um 5 Uhr morgens im Hotel ankommen möchte, wo noch kein Anrecht auf ein Hotelzimmer zustehe. Der Verein zitiert Konrad Adenauer und wirft Reker vor ähnlich zu handeln: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“
Diese Aussage Rekers basiere auf rein persönlichen Empfindungen, wirft ihr die Lärmschutzgemeinschaft vor. Damit ignoriere sie Fakten. Der Vorwurf: das ist einer Oberbürgermeisterin nicht angemessen. Der Verein schreibt: „Diese Leugnung des seit Jahren beständig sehr hohen Fluglärms ist wirklich ein empfindlicher Schlag in die Magengrube für die vielen mit zunehmendem Nachtfluglärm lebenden Kölner EinwohnerInnen. Gelieferte Ergebnisse sprechen den ‚großartigen Folgen‘ der Lärmbekämpfung dagegen Hohn. Sie belegen an wichtigen Messpunkten über Jahre keinerlei Verbesserungen. Hätten Stadt und Flughafen ein echtes Interesse, die lärmgeplagten Anwohner wirklich zu schützen, würden verbindliche und nachhaltige Ziele für echte Ergebnisse von „Lärmminderung“ vereinbart. Die Lärmschutzgemeinschaft hatte dazu einen Vorschlag gemacht.“ Sie werfen der OB vor den „Bezug zur Realität“ verloren zu haben.
Der Ratsbeschluss
Am 10. Dezember 2020 traf der Rat der Stadt Köln unter dem Titel „Fluglärmminderung und Klimaschutz“ einen Beschluss und setzte damit der Stadtverwaltung Köln einen Rahmen für deren weitere Handlung. So sollte diese eine wirksame Lärmminderungsstrategie die eine effektive Lärmminderung – insbesondere in der Kernnachtzeit – sicherstellt, erarbeiten. Als Gesellschafterin der Flughafen Köln Bonn GmbH sollte die Stadt beim Flughafenmanagement darauf Einfluss nehmen. Es gab aber auch konkrete Maßnahmen, wie eine Erhöhung der nächtlichen Start- und Landeentgelte für Passagiermaschinen und sehr laute Fracht- und Passagiermaschinen oder ein konkretes Lärmmonitoring, das der Ratsbeschluss als Rahmen festlegte.
In seiner Sachstandsmitteilung im November 2022 an die Ratsausschüsse teilte die Stadtverwaltung mit, dass die Entgeltordnung 2020 Tagverkehr und leise Maschinen rabattiere. Dies schaffe einen Anreiz Flüge aus den Nachtstunden auf den Tag zu verlegen. Die Fluggesellschaften setzten zudem auf leisere Flieger wie den A 320neo oder die Boeing 737 Max. Für den Herbst 2021 berichtet die Verwaltung von Konsultationen zwischen dem Flughafen und den Fluggesellschaften mit dem Ziel auf der „Verhandlungsschiene“ bei diesen zu erreichen, dass sie keine lauten Maschinen zwischen 22 und 6 Uhr einsetzten. Am 1. Juli 2022 trat erneut eine neue Entgeltordnung in Kraft, die aber europarechtlichen Rahmenbedingungen unterliege. Die Stadtverwaltung gibt zu bedenken, dass Entgeltdifferenzierungen transparent und diskriminierungsfrei gestaltet werden müssen. Das Papier von Dezernent Wolfgram stellt fest: „Die lärmabhängigen Entgelttarife entfalten über einen längeren Zeitraum durchaus Wirkung.“ Aber stimmt das so?
Die Linke fragte nach
Im Ausschuss Klima, Umwelt und Grün erhielt die Linke am 25. Mai auf ihre Nachfragen zum Ratsbeschluss Antworten der Verwaltung. Unter anderem auf die Frage ob die nächtliche Lärmbelastung von 2020 auf 2021 angestiegen sei und der Dauerschallpegel nachts höher als tagsüber sei? Die Stadtverwaltung bestätigte der Linken, dass die Lärmwerte an den 17 Messstellen von 2020 auf 2021 und noch einmal von 2021 auf 2022 angestiegen seien und führte dies auf die Corona-Pandemie zurück. Eine interessante Einschätzung, da der Frachtflugverkehr durch Corona nicht eingeschränkt war. Die Stadtverwaltung bestätigt zudem, dass die mittleren Schalldruckpegel in der Nacht teilweise höher seien. Die Stadt begründet dies, damit, dass in der Nacht an den Messstellen mit einer niedrigeren Messschwelle gemessen werde und damit mehr Überflüge erfasst würden und diese in den Dauerschallpegel eingingen. Gleichzeitig heißt es zur Lärmminderungsstrategie, dass diese auf 4 Säulen basiere und ein Lärmrückgang sei belegt, obwohl die Lärmwerte gestiegen sind. Die Stadtverwaltung verweist zudem auf die Betriebs- und Abfertigungspflicht des Flughafens.
Die Stadtverwaltung teilte zudem mit, dass der Nachtflugverkehr im Passagierbereich im Vergleich zu 2019, also dem Jahr vor der Pandemie, um 13 Prozent zunahm. In reinen Zahlen gab es zwischen 22 und 6 Uhr im Jahr 2019 insgesamt 44.043 Passagierflugbewegungen. 2022 waren es 49.657, also 5.614 mehr. Diese Steigerung ergibt sich trotz der geänderten Gebühren.
Die Lärmschutzgemeinschaft kritisiert massiv, dass die Lärmmessdaten über Jahre keine Verbesserungen zeigten, sondern das Gegenteil der Fall sei. Die Messstelle des Flughafens in Merheim habe in 2022 einen nächtlichen Dauerschallpegel von 54,4 dB(A) ausgewiesen. Dies entspräche einer Zunahme der Lärmmenge gegenüber dem Vorjahr von 26 Prozent, so der Verein. In Ihrer Anfrage fragte die Linke was die Stadtverwaltung auf den Weg bringe, um den Leitlinienwert der WHO – L-Night von 40d(B) – der an 16 von 17 Messstellen des Flughafens 2021 übertroffen wurde, zu senken. Die Stadt kartiere Lärm, so die Antwort der Verwaltung, in der Nacht erst ab einem nächtlichen Dauerschallpegel von 50dB(A) und räumt ein: „Unter Anwendung dieser WHO-Empfehlungen wäre Flugbetrieb bei Tag und Nacht kaum mehr möglich und auch die anderen Verkehrsträger müssten den Betrieb im städtischen Umfeld drastisch einschränken. Es sei darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission ständig die Umgebungslärmrichtlinie weiterentwickelt und dabei die Empfehlungen der WHO bekannt sind.“ Als Ausblick, zweieinhalb Jahre nach dem Ratsbeschluss schreibt Umweltdezernent Wolfgramm, dass die Stadt den Umlandkommunen und dem Flughafen angeboten habe zur gemeinsamen Erarbeitung eines regionalen Lärmminderungskonzeptes einzuladen.
Der Verein fordert Verlegung der Passagiermaschinen aus der Nacht in den Tag
Würden zumindest die Passagierflüge aus der Nachtzeit verbannt und in die Tagesrandzeiten verlegt wären die rund 500.000 Kölner:innen und Menschen in der Region schon weniger belastet, rechnet die Lärmschutzgemeinschaft vor. Hier sieht der Verein die Option einer kurzfristigen Umsetzbarkeit. Voraussetzung sei aber der Wille von OB Reker und des Rates. Regina Bechberger, stv. Vorsitzende der Lärmschutzgemeinschaft findet deutliche Worte: „Stattdessen betreibt Reker nun plumpe Schönfärberei! Und das obwohl längst medizinisch belegt ist, dass nächtlicher Fluglärm krank macht.“ Den Rat fragt der Verein: Was wurde aus der Umsetzung des breit gefassten Ratsbeschlusses vom 10.12.2020 „Fluglärmminderung und Klimaschutz“? „Bislang ist gar nichts geschehen. Stattdessen wird es lauter. Verwaltung und Flughafen boykottieren die Umsetzung und die größte Fraktion im Rat, die Grünen, in die viele lärmgeplagte Menschen Hoffnungen gesetzt hatten, schauen zu. Wir erwarten konkrete Maßnahmen – jetzt!“, so Bechberger deutlich.
ag