Ratingen | dts | Die Höhe der geplanten Gasumlage soll 2,419 Cent pro Kilowattstunde betragen. Das teilte der Marktkoordinator Trading Hub Europe (THE) am Montag mit. Sie liegt damit im Bereich der zuletzt vom Bundeswirtschaftsministerium genannten Spanne zwischen 1,5 und 5 Cent je Kilowattstunde. Das in Köln ansässige Institut der Deutschen Wirtschaft rechnet mit Milliarden Mehrkosten für die Industrie und die Verbraucherschützer fordern eine Verschiebung.

Die entsprechende Rechtsverordnung soll ab 1. Oktober greifen und am 1. April 2024 enden. Alle Gasverbraucher sollen die Umlage zahlen, um durch Lieferkürzungen Russlands in Schieflage geratene Gasimporteure zu stabilisieren. Das Wirtschaftsministerium geht aber von etwas Zeitverzug aus, bis die Umlage tatsächlich bei allen Verbrauchern ankommt.

Den IW-Berechnungen zufolge müsse eine Familie mit einem Einfamilienhaus (140 Quadratmeter) nun 542 Euro mehr im Jahr zahlen – die Mehrwertsteuer noch nicht mit eingerechnet.

Wer in einer Singlewohnung (60 Quadratmeter) lebt, müsse sich auf rund 203 Euro an Mehrkosten einstellen.

Institut der Deutschen Wirtschaft

Sie wird monatlich abgerechnet und kann alle drei Monate angepasst werden. Die jetzt beschlossene Höhe von zunächst 2,419 Cent bedeutet deutliche Mehrkosten für die Verbraucher im Jahr, bei einem Durchschnittsverbrauch von 12.000 Kilowattstunden rund 290 Euro ohne Mehrwertsteuer. Hinzu kommen weitere reguläre Preissteigerungen, die schrittweise bei den Kunden ankommen dürften.

Die Maßnahme ist umstritten, auch weil zahlreiche Fragen noch ungeklärt sind. So ist bei vielen Gasanbietern noch unklar, ob sie die Umlage fristgerecht an Kunden weitergeben können. Der Umgang mit Abnehmern mit Preisgarantien ist zum Beispiel noch nicht geklärt.

Strittig ist zudem, ob auch noch Mehrwertsteuer auf die Umlage obendrauf kommt. Die Bundesregierung hatte die EU zuletzt um eine Ausnahme gebeten, um auf die Erhebung der Mehrwertsteuer verzichten zu können. Das europäische Recht sieht eine solche Ausnahme allerdings bisher nicht vor.

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die ganze Maßnahme vor Gericht landet, bis hin zu einer Verfassungsklage. Der Staatsrechtler Hanno Kube hatte bereits Anfang August der dts Nachrichtenagentur gesagt, die Gasumlage werfe nicht nur ökonomisch, sondern auch rechtlich schwierige Fragen auf. Trotz der zahlreichen offenen Fragen hatte das Wirtschaftsministerium zuletzt bekräftigt, an der Einführung zum 1. Oktober festzuhalten.

Zwölf Importeure haben für Gasumlage 34 Milliarden Euro angemeldet

Hinter der geplanten Gasumlage in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde stecken die Anmeldungen von zwölf Gasimporteuren im Umfang von insgesamt 34 Milliarden Euro. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Montagmittag mit. Die Gesamtsumme beziehe sich auf den Umlagezeitraum bis Anfang April 2024 und entspreche 90 Prozent der erwarteten Ersatzbeschaffungskosten für diesen Zeitraum.

Zunächst handelt es sich dabei nur um Prognosen. „Am Ende des Umlagezeitraums wird dann anhand der tatsächlichen Kosten abgerechnet“, so das Wirtschaftsministerium. Diejenigen Gasimporteure, die wegen ihrer Ersatzbeschaffungskosten für ausfallendes russisches Gas die Umlage in Anspruch nehmen wollten, konnten 90 Prozent ihrer voraussichtlichen Mehrbeschaffungskosten geltend machen.

Dabei durften nur Mengen angerechnet werden, die ursprünglich in Bestandsverträgen in Bezug auf russische Erdgaslieferungen zugesichert worden waren. Die entsprechenden Lieferverträge mussten vor dem 1. Mai 2022 abgeschlossen worden sein. Welche Unternehmen letztlich ihre Kosten angemeldet haben, teilte das Ministerium zunächst nicht mit.

RWE und Shell hatten angedeutet, auf die Umlage zu verzichten. Diese Unternehmen hatten zuletzt Milliardengewinne gemeldet.

An Gasumlage teilnehmende Unternehmen werden nicht genannt

Die zwölf Unternehmen, die Ansprüche für die geplante Gasumlage angemeldet haben, werden nicht genannt. „Die Namen der entsprechenden Unternehmen können wir vor dem Hintergrund der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen der entsprechenden Unternehmen nicht bereitstellen“, sagte eine Sprecherin des Marktkoordinators „Trading Hub Europe“ (THE) am Montag der dts Nachrichtenagentur. Zuvor war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in einer Pressekonferenz von mehreren Journalisten auf konkrete Angaben zu den teilnehmenden Unternehmen angesprochen worden, hatte die Fragen jedoch weitgehend ignoriert.

Die Namen seien „kein Geheimnis“, sagte Habeck, ohne sie jedoch zu nennen. Nach Angaben seines Ministeriums hatten zwölf Gasimporteure Mehrkosten im Umfang von insgesamt 34 Milliarden Euro angemeldet. Daraus resultiert eine Umlage in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde, die alle Gaskunden ab Oktober zahlen sollen.

Obwohl der Staat durch die gestiegenen Gaskosten in einem Ausmaße zusätzliche Mehrwertsteuer einnimmt, die die Gasumlage wohl mittelfristig bei Weitem übersteigen dürfte, gibt es angeblich keine Möglichkeit einer direkten Finanzierung durch den Staat. Alternative zur Gasumlage wäre nur der „Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes“ gewesen, sagte Habeck. Diese Umlage sei zudem „die gerechtestmöglichste Form“, so der Wirtschaftsminister.

IW: Gasumlage verursacht Milliarden-Mehrkosten für Industrie

Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird die ab Oktober geplante Gasumlage in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde alleine für die Industrie Mehrkosten von 5,7 Milliarden Euro pro Jahr verursachen. Am stärksten betroffen seien energieintensive Grundstoffindustrien, teilte das IW am Montag mit. Weil hier besonders viel Gas benötigt werde, auch als Rohstoff, werde die Gasumlage dort am härtesten zu spüren sein.

Dazu zählen etwa die Chemie- und Metallindustrie und die Hersteller und Verarbeiter von Glas, Keramik, Steinen und Erden. Alleine diese drei Branchen trügen mehr als die Hälfte der Mehrkosten, so das IW. Doch auch den privaten Haushalten komme die Umlage teuer zu stehen. Den IW-Berechnungen zufolge müsse eine Familie mit einem Einfamilienhaus (140 Quadratmeter) nun 542 Euro mehr im Jahr zahlen – die Mehrwertsteuer noch nicht mit eingerechnet.

Wer in einer Singlewohnung (60 Quadratmeter) lebt, müsse sich auf rund 203 Euro an Mehrkosten einstellen.

Verbraucherschützer verlangen Verschiebung der Gasumlage

Der Verbraucherzentrale Bundesverband pocht auf eine Verschiebung der Gasumlage. „Die Umlage ist ein Schnellschuss, zu viele Fragen sind noch offen“, sagte VZBV-Chefin Ramona Pop der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). „Die Bundesregierung muss die Einführung der Umlage verschieben, um die offenen Fragen zu klären und das dringend benötigte Hilfspaket zu beschließen.“

Die ganze Maßnahme könne nicht ohne ein Entlastungspaket eingeführt werden. „Solange die Koalition über weitere Entlastungsmaßnahmen streitet, soll die Umlage steuerfinanziert werden“, sagte Pop.

red01