Düsseldorf | NRW-Justizminister Thomas Kutschaty bläst zum Angriff auf unseriöse Geschäftspraktiken von Anwälten. Für einige Kanzleien sei es eine „Chance des Geldverdienens“, überhöhte Abmahnungskosten wegen unerlaubter Downloads von Musik oder Videos aus dem Netz zu verlangen, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Düsseldorf. Gegen diese „Abmahnabzocke“ im Internet müsse die Bundesregierung entschiedener vorgehen.

Das Problem ist schon länger bekannt: Im Auftrag der Urheber verschicken Anwälte Abmahnungen an Privatpersonen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen im Internet. Damit verbunden sind Anwaltsrechnungen, die laut Bundesverband der Verbraucherzentralen im Schnitt bei 800 Euro liegen.
Kutschaty geht davon aus, dass einige Kanzleien Hunderte solcher Schreiben pro Tag verschicken. Aus Angst vor weiteren Konsequenzen und ohne juristischen Beistand zahlten zahlreiche Betroffene das Geld. Mittlerweile entstehe aber der Eindruck, dass es in vielen Fällen nicht um die Abmahnung als solche gehe, „sondern die reine Gewinnoptimierung einer regelrechten Abmahnindustrie“, sagte der Justizminister.

Verantwortlich für die hohen Gebühren sind laut Kutschaty überzogene Vorstellungen über den Wert eines einzigen Musiktitels, der im Schnitt bei 10.000 Euro liege. Da sich die Anwaltskosten am Streitwert orientierten, profitierten die Kanzleien von dem hohen Ausgangsniveau. Gelöst werden könne das Problem, indem der Wert für einen Musiktitel gesetzlich gedeckelt werde. Der Justizminister hält 500 Euro pro Lied für „durchaus angemessen“. Eine Abmahnung koste dann nur noch 83 Euro.

Kutschaty beklagt Stillstand im Bund

Umgesetzt werden kann dieses Vorhaben allerdings nur auf Bundesebene. Grundsätzlich herrscht nach Kutschatys Einschätzung bei den großen Parteien Konsens darüber, den „Abmahnmissbrauch“ zu bekämpfen. Und auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger habe schon vor Jahren Abhilfe versprochen. Durchsetzen könne sich die FDP-Politikerin bislang aber nicht. „Dem Vernehmen nach streitet sie derzeit mit dem Bundeswirtschaftsminister und dem Staatsminister für Kultur und Medien sowie der CDU-Bundestagsfraktion“, sagte Kutschaty. Strittig sei, welcher Wert einem Musiktitel beigemessen werde. Da es dabei auch um Klientelinteressen gehe, sei mit einer Einigung vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr nicht mehr zu rechnen, gibt sich der Minister skeptisch. Eine NRW-Initiative über den Bundesrat schließt er aber nicht aus.

Als Angriff auf die Rechte von Urhebern will der Minister seinen Vorstoß nicht verstanden wissen. „Der Schutz des geistigen Eigentums ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Wirtschaftsordnung“, sagte Kutschaty. Komme es aber zur Abzocke, sinke in der Bevölkerung der Stellenwert. Mit Verweis auf repräsentative Umfragen geht der Justizminister davon aus, dass es in ganz Deutschland rund 4,3 Millionen Betroffene von Abmahnungen gibt.

Autor: dapd