Köln | Am morgigen Sonntag werden im Zuge der Großdemonstration von Nationaltürken, die gegen den Militärputsch in der Türkei auf der Deutzer Werft protestieren mehrere Demonstrationen in Köln stattfinden. Es gibt eine öffentlichen Diskussion um die Versammlungsfreiheit und es gibt Stimmen, die den hier lebenden türkischstämmigen Bürgern dieses Recht absprechen wollen. Dazu muss man eine klare Haltung einnehmen: Ja, die Versammlungsfreiheit gilt für alle in Deutschland, das regelt das Grundgesetz. Hinterfragen darf und muss man allerdings die Kommunikation, Transparenz und Offenheit der Anmelder.

Grundgesetz Artikel 8 gilt für Alle

Die Versammlungsfreiheit regelt das Grundgesetz und zwar Artikel 8. Dort steht: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Auch Artikel 12 der Europäischen Grundrechtecharta und Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Daher ist die Haltung der Kölner Polizei und ihres Polizeipräsidenten Jürgen Mathies vorbildlich, in dem sie klar und deutlich und ohne wenn und aber sich hinter das Grundgesetz stellt. Damit stellt jeder, der jetzt den Nationaltürken – viele haben die doppelte Staatsbürgerschaft – das Recht zur Versammlung absprechen will, eines der wichtigsten Grundrechte und Errungenschaften nach der dunklen Zeit der Nationalsozialisten in Frage und koppelt dies an eine inhaltliche Auseinandersetzung. Und wer Demokratie will, muss sich auch uneingeschränkt zu Artikel 8 des Grundgesetzes bekennen.

Warum kommuniziert der Anmelder nicht mit der Öffentlichkeit

Eine andere Frage ist, wie der Anmelder aus den Kreisen der UETD, der Union Europäisch Türkischer Demokraten, einer AKP nahen Organisation, die in Köln-Porz ihre Deutschland-Zentrale hat, mit der Öffentlichkeit über seine Inhalte und Ziele der Demonstration am morgigen Sonntag kommuniziert. Hier muss man kritisch einhaken, denn die Organisation hält sich hier nicht an das Gebot von Öffentlichkeit und Transparenz. Medienanfragen werden nicht beantwortet, oder man spricht nur mit selektierten Medien. Aktuell kann sehen, wie es auch anders geht. Am 17. September wollen die Gegner der Freihandelsabkommen CETA und TTIP am gleichen Ort mit ungefähr der gleichen Menschenmenge protestieren. Sie laden zum Pressegespräch und kommunizieren offen über ihre inhaltlichen Ziele und warum sie auf die Straße gehen. Sie führen einen Dialog und Diskurs in der Öffentlichkeit.

Das hat die UETD und ihr Anmelder bis heute nicht getan. Es gab keine Presseinformation, noch nicht einmal eine schriftliche Pressemitteilung an alle Redaktionen. Auf Presseanfragen, nicht nur von report-K – auch die „WDR“-Lokalzeit berichtete darüber – wurde nicht reagiert. Gestern sprach dann ein UETD-Vertreter kurz mit ARD, ZDF und dpa, aber nur, um über das Verbot zur Videoleinwand Stellung zu beziehen. Warum hat die UETD keine Pressekonferenz veranstaltet und ihre Ziele und Inhalte an die Öffentlichkeit kommuniziert? Die Polizei fordert eine Rednerliste um eine Lageeinschätzung über Gefährdungen vorzunehmen. Bis 18 Uhr gestern Abend wurde diese der Polizei nicht vorgelegt. Statt dessen werden Gerüchte gestreut, Staatspräsident Erdogan könne persönlich kommen, oder einige seiner Minister. Gespannt sein darf man, ob die Veranstaltung nur in türkischer Sprache stattfinden oder ob es eine Simultanübersetzung geben wird? Also eine Öffnung gegenüber der deutschen interessierten Öffentlichkeit.

Demokratie lebt von Dialog und Diskurs

Eine Demokratie lebt vom Dialog und Diskurs. Jeder Mensch kann seine Meinung und Haltung kundtun und öffentlich zur Diskussion stellen. Gerade das sichert die Versammlungsfreiheit. Dialog ist aber nicht: Einer spricht, die anderen hören zu und haben diese Meinung zu akzeptieren. Und Demokratie bedeutet auch die Meinung und Haltung des Anderen, wenn sie nicht meiner eigenen entspricht auszuhalten. Die Frage wird also am Sonntag sein, will die UETD überhaupt einen Diskurs und einen Dialog führen oder nur eine reine Propagandaveranstaltung durchführen? Es geht um Offenheit und Transparenz über die Inhalte und den Willen diese herzustellen. Daran wird der Anmelder und die UETD sich messen lassen müssen. Bisher ist diese nicht erkennbar.

Autor: Andi Goral
Foto: Im April gab es bereits eine Demonstration von Nationaltürken in Köln, auch damals blieben die inhaltlichen Ziele unklar. Das Foto zeigt die Auftaktveranstaltung am Kölner Ebertplatz