Köln | Es kursiert ein Entwurf des „Kölner Konzept zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit“ mit der Jahreszahl 2023 aus dem Amt für Soziales, Arbeit und Senioren und der Abteilung für Wohnungsnotfälle. Es brauche ein neues Konzept und Maßnahmen, um den Menschen in Köln zur Seite zu stehen, die keine Wohnung oder ohne Obdach seien. Seit 2021 arbeitet die Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenpolitik an einem Kölner Konzept. Das wurde jetzt geleakt.
Der Entwurf sei ein Rahmenkonzept heißt es in der Einleitung. Die Vorschläge sind nicht beschlossen oder die Finanzierung über den Kölner Haushalt gesichert. Klar ist eines: die Stadt Köln steht vor dem politischen Auftrag des Europäischen Parlaments die Obdachlosigkeit in Köln bis 2030 zu beenden. Dieser Auftrag wird auch auf Bundesebene in einen Nationalen Aktionsplan umzusetzen sein. In dem Konzeptentwurf steht, dass es das übergeordnete Ziel sei bis 2030 in Köln die Obdachlosigkeit zu beenden.
Die Stadtverwaltung stellt fest, dass dies vor den Herausforderungen des Kölner Wohnungsmarktes schwierig werden dürfte. In Köln sind derzeit etwa 8.170 Menschen wohnungslos. Dies ist nicht gleichzusetzen mit der Straßenobdachlosigkeit. Menschen die als wohnungslos gelten werden durch die Stadt in Notunterkünften wie Hotels, städtischen Sozialhäusern oder anderen Angeboten des Kölner Hilfesystems für Menschen in Wohnungsnotsituationen untergebracht.
Partizipation
Ein Aspekt sei die Partizipation von wohnungslosen Menschen. Um diesen eine Stimme zu geben, soll Anfang 2024 ein Teilhabebeirat mit dem Namen „Fachgruppe Partizipation“ gegründet werden, sofern der Rat dem zustimmen würde. Um eine ebenbürtige Kommunikation zu ermöglichen könnte es eine „Akademie für Expert*innen in eigener Sache“ geben, die Menschen empowert und ihnen hilft etwa souveränes Sprechen zu erlernen oder Bürgerinteressen in die politische Debatte einzubringen. Für den Teilhabebeirat sollen Sitzungsräume angemietet werden und die Akademie könnte über eine Wohlfahrtsstiftung finanziert werden. Die Stadtverwaltung habe diese Mittel schon beantragt. Die Regelfinanzierung soll über eine Drittmittelfinanzierung später erfolgen.
Überlastetes System
Menschen in Wohnungsnot träfen auf die überlasteten Systeme des Kölner Hilfesystems für Menschen in Obdach- und Wohnungslosigkeit steht im Entwurf des Konzeptes. Dies erschwere eine nachhaltige Reintegration. Das Konzept verweist auf die Giss-Studie 2022b, die auch in Köln durchgeführt wurde, in der zwei Drittel der Befragten wohnungslos und obdachlosen Menschen sich als nicht gesund einschätzten. Ein weiteres Problem stellt die Überschuldung der Menschen dar, die zu neuen Mietschulden führe und in einen Teufelskreis für die Betroffenen, der nur durch professionelle Unterstützung durchbrochen werden könne.
Klar arbeitet das Konzept heraus, dass eine eigene Wohnung der Ausgangspunkt für Integration von Menschen die von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit betroffen sind ist, um in Arbeit und Gesellschaft zurückzukehren. Die GAG stellt dem Amt für Soziales, Arbeit und Senioren 10.000 Belegrechtswohnungen aktuell zur Verfügung. Diese werden schon weitestgehend genutzt. Auch weitere Player wie die Deutsche Wohnungsgesellschaft mbH (DeWog), 100 prozentiger Anteilseigner ist die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH (Aachener SWG), und die Siedlungsgesellschaft „Am Bilderstöcken“ GmbH (SG) können nicht mehr genug Wohnraum bieten, um alle Haushalte in Wohnungsnot zu versorgen. Dazu kommen das Projekt „Viadukt“ bei Resozialisierungen oder „Housing First“ – hier gibt es Wartelisten – sowie das Auszugsmanagement für wohnungslose Menschen mit Fluchthintergrund. Das fasst die Unterstützungsangebote zusammen.
Was wird gebraucht
Es gibt Menschen die 14 Jahre in Notunterkünften leben, stellt der Bericht fest. Der freie Markt so der Entwurf gibt es nicht mehr her Menschen aus Notunterkünften unterzubringen. Das Konzept erklärt nüchtern und sachlich die Lösung: „Um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden, wäre es theoretisch möglich, die ordnungsbehördlichen Unterbringungssysteme des Amtes für Wohnungswesen durch den Kauf oder Bau neuer Sozialhäuser und Obdachlosenunterkünfte zu erweitern. Zur Beseitigung von Obdach- und Wohnungslosigkeit muss die Stadt Köln angemessenen und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Nur so können nachhaltig Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit überwunden werden.“
Der Bericht liefert auch die Begründung: 66 Prozent der Immobilien am Wohnungsmarkt werden in Köln von Privatpersonen und Eigentümergesellschaften gehalten, die eine Vermietung an wohnungs- oder obdachlose Menschen fürchten.
Im Klartext heißt dies: Die Stadt Köln müsste selbst bauen, wenn sie die Zahl der wohnungslosen Menschen in Köln spürbar reduzieren möchte. Eine weitere Alternative ist die Gründung einer sozialen Wohnraumagentur (SWA), die den privaten Immobilienmarkt in Köln für die Gruppe der wohnungs- und obdachlosen Menschen erschließt.
Die Agenturlösung des Konzepts
Dieses Modell gebe es bereits in Städten wie Karlsruhe, Hannover oder Bielefeld. Die SWA könnte strategisch als professionelle Maklerin und Generalanmieterin am Mietmarkt agieren, so das Konzept. Und das ist die Vorstellung: „Die SWA arbeitet in ihren Prozessen eng mit den Unterstützungssystemen für die Zielgruppen zusammen, insbesondere des Amtes für Soziales, Arbeit und Senioren und des Amtes für Wohnungswesen der Stadt Köln. Dadurch werden die verschiedenen Hilfen, wie z.B. direkte Mietzahlungen, Wohnberechtigungsscheine, Übernahme von Kautionen oder Instandsetzungen für Vermieter*innen sichergestellt.“ Diese Agentur kostet die Stadt Köln viel Geld und es muss eine neue Struktur aufgebaut werden. Offen ist zudem die in welcher Form die SWA arbeiten könnte als gemeinnützige GmbH oder Anstalt des öffentlichen Rechts.
Düstere Zukunft
In Deutschland steigt die Zahl der bedrohten Wohnverhältnisse an. In Köln seien jährlich mindestens 3.500 bis 4.500 Mietverhältnisse bedroht, die der Fachstelle Wohnen bekannt seien. Das Dunkelfeld könnte viel größer sein, so das Konzept. Zudem lauerten Gefahren wie Inflation oder Mietpreissteigerungen für Menschen mit geringem Einkommen. Um Konfliktsituationen zwischen Mietern und Vermietern zu deeskalieren soll die Stadt Geld für Mediation ausgeben. Mit rund 1,2 Millionen Euro rechnet das Konzept bis 2030.
Beispiele zur Straßenobdachlosigkeit
In Köln fehle ein geschützter Rückzugsraum für die Nachtzeit zwischen 22 und 6 Uhr, so das Konzept. Ein Nachtcafé für bis zu 30 Personen könnte Abhilfe leisten. Das Konzept sah einen Start in 2023 vor und eine Pilotphase bis 2024. Hierfür werden bis 2030 rund 3 Millionen Euro im Konzept veranschlagt. Für Straßenobdachlose mit multiplen Problemlagen sollen kleine Wohneinheiten in einem Wohnkomplex oder einem begrenzten Sozialraum angemietet werden. Die Menschen sollen entsprechend betreut werden. Hierfür sieht das Konzept rund 1,4 Millionen Euro bis 2030 vor. Für Housing First sieht das Konzept Mittel in Höhe von rund 5,5 Millionen Euro bis 2030 vor. Für Humanitäre Hilfen für Obdachlose aus den Staaten der EU-Osterweiterung veranschlagt das Konzept bis 2030 rund 7 Millionen Euro und Landesmittel in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro.
Prognosen des Konzepts
Wird das Hilfesystem für Menschen in Obdach- oder Wohnungslosigkeit nicht ausgebaut, wir damit gerechnet, dass die Kosten weiter steigen werden. So wurden in 2023 rund 29 Millionen Euro für die Belegung von Einfachhotels ausgegeben. Diese Kosten würden weiter steigen, wenn es nicht gelänge die Menschen schneller anders unterzubringen. Würde die Notversorgung in Beherbergungsbetrieben auf eine Akutversorgung von längstens 9 Monaten zurückgeführt rechnet das Konzept ein Einsparpotenzial von 18 Millionen Euro vor. Bis 2030 könnten so die Hotelunterbringungskosten um bis zu 65,7 Millionen Euro reduziert werden, so die Berechnung des Konzepts.
Und der Ausweg: Der kann eigentlich nur lauten Wohnungen zu bauen. Es dürfte spannend werden, wie der Kölner Rat dieses Konzept diskutieren wird. Im März steht zudem die Wiederwahl von Sozialdezernent Harald Rau an.