Detmold | Bernhard Bartscher zählt zu den ersten, die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nach der Eröffnung des NRW-Tags in Detmold sprechen dürfen. Dabei hat er einen ungewöhnlichen Aufzug: Als verkleideter Graf trägt er Kettenhemd, Metallrüstung und Schild – bei Temperaturen um 30 Grad. Mehrere Minuten stecken die beiden die Köpfe zusammen. Danach zieht die Grand Dame der Landespolitik mit ihrer Entourage weiter. Denn das Programm beim Feiertag des Landes ist lang. Etwa 140.000 Menschen schauten sich nach Polizeiangaben am Pfingstwochenende bei Sommerwetter an, was Land und Region zu bieten haben.

Detmold hatte sich zum 66. Geburtstag von Nordrhein-Westfalen herausgeputzt. Überall stehen am Sonntag und Montag Imbissbuden, der Geruch von Grillkohle liegt in der Luft, Kinder lassen sich bemalen und nutzen die Gelegenheit für Sport. Hier und da huschen NRW-Spitzenpolitiker vorbei. Sie selbst müssen sich erst mal einen Überblick verschaffen, was wo auf dem mehrere tausend Quadratmeter großen Areal zu finden ist. Es herrscht Volksfeststimmung.

„Das ist doch alles vollkommener Wahnsinn“, sagt Konrad Seipelt. Ihn bringt die Straßenplanung auf die Palme. Der Detmolder kann nicht verstehen, dass auf einer Umgehungsstraße anstelle zweier Verbotsschilder zwei Schranken installiert wurden. „Man kann das Geld auch aus dem Fenster werfen“, schimpft er. Er gehört zu denjenigen, die die Gelegenheit beim Schopfe packen, ihren Unmut zu äußern. „Genau deswegen machen wir diesen Tag ja“, sagt Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne).

Während die einen sämtliche Ausstellungen der Landesressorts und Industriekultur aufsuchen, zieht es die Sonnenanbeter vor die Bühnen. Aus den Boxen schallt „Ein Freund, ein guter Freund“. Man isst Pickert, eine Art Kartoffelpuffer aus Hefeteig, der hier erfunden wurde. Dass der NRW-Tag im Jahr 2013 voraussichtlich ausfällt, ist kein Wermutstropfen. Im Gegenteil: Der Bürgermeister von Detmold, Rainer Heller (SPD), lobt die Absage aus Hückeswagen als „mutige und richtige Entscheidung“.

Rufe von der Biergartengarnitur

Wo die beiden wichtigsten Damen des Landes sind, ist bereits aus mehreren hundert Metern zu sehen. Die Traube der Journalisten wird mit jeder Stunde größer. Löhrmann und Kraft sind der Publikumsmagnet, wenn sie gemeinsam durch die verwinkelten Gassen der Detmolder Innenstadt laufen. „Hannelore, du bist die schärfste Frau in NRW“, ruft ein Fan der Landesmutter mit ausgestreckten Armen über die Biergartengarnitur.

Sozialminister Guntram Schneider (SPD), der sichtlich mit den Temperaturen zu kämpfen hat, schlägt indes beim Forum Politicum weniger Sympathie entgegen. „Er redet nur in Worthülsen“, moniert Gunnar Müller, als Schneider von der allgemeinen Verantwortung der Gesellschaft spricht, Behinderte zu integrieren und die Barrierefreiheit fordert. „Mich würde interessieren, was er persönlich denkt. Wie würde er reagieren, wenn ein Busfahrer einen Rollstuhlfahrer nicht mitnehmen will. Ich vermisse bei ihm die Menschlichkeit.“

Graf Bernhard rinnt der Schweiß nach sechs Stunden in Bächen übers Gesicht. Fröhlich, aber auch sichtlich erschöpft, zieht er ein positives Fazit: „Besonders die Jugend hat viel Interesse an der Geschichte Detmolds gezeigt. Das ist doch toll und dafür hat sich die Mühe gelohnt.“

Autor: David Kordes, dapd | Patrick Sinkel, dapd
Foto: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bei der Eröffnung des NRW-Tages in Detmold 2012