Die Letzte Generation hat am 9. März das Historische Rathaus in Köln besetzt. | Foto: Letzte Generation

Köln | Das Kölner Machtzentrum liegt nach wie vor auf einem hochwassersicheren Hügel. Aber wer regiert hier eigentlich? Der Rat, die Oberbürgermeisterin, die Stadtdirektorin oder der Hausmeister- und Rathausservice? Eine Frage, die jetzt sogar gerichtlich entschieden wurde.

Das Kölner Rathaus steht auf einem Hügel. Darunter das Prätorium, der römische Statthalterpalast und irgendwann archäologische Zone. Das Historische Rathaus mit Piazzetta, dem Hansasaal oder dem Rathausbalkon, dazu der Rathausturm und gegenüber der Spanische Bau, Ort der politischen Debatte heute. Ein Ort, an dem die Stadtelite sich trifft, zusammenkommentiert, debattiert oder die Macht ausübt und einlädt. Ein Ort, vor dem die Bürgerinnen und Bürger bis heute auch demonstrieren und ihr Begehr vortragen. Daher gibt es dort Bewachung und einen Hausmeisterservice, genannt Rathausservice. Der nimmt sich immer mehr Machtbefugnisse heraus, wie zwei Beispiele zeigen.

Rathaus-Hausmeister darf keine Strafanträge stellen

Die Aktivistengruppe „Letzte Generation“ hat mittlerweile einen Strategiewechsel angekündigt und vollzogen. Am 9. März 2023 war dies noch anders. Da kletterten Aktivistinnen und Aktivisten auf die Rathausbalkone des Kölner Rathauses und demonstrierten gegen die drohende Klimakatastrophe.

Der Rathausservice stellte daraufhin Strafanzeige gegen die Beteiligten wegen Hausfriedensbruch. Ein pikantes Detail: Der Hausmeister, der den Antrag unterschrieb, setzte noch in Klammern dazu: Antragsbefugter. Schau an. Die Aktivistinnen und Aktivisten ließen sich von Rechtsanwalt Michael Hock vertreten. Der ist Ratsmitglied bei „Die Fraktion“. In dieser Funktion appellierte er in der Sitzung am 25. April 2023 im Ausschuss für Klima, Umwelt und Grün an die Vertreterinnen der Stadtverwaltung und Ratspolitik, die Strafanzeige nicht zu stellen. Dem guten Rat widersetzten sich aber Stadtverwaltung und Ratspolitik.

Also wurde das Verfahren vor dem Amtsgericht Köln eröffnet. Anwalt Hock machte deutlich, dass der Strafantrag vom Hausmeister unterzeichnet war. Der ist aber gar nicht antragsberechtigt. Solche Anträge könne nur das städtische Rechtsamt stellen. Das war aber dazu nicht in der Lage, fristgerecht einen Strafantrag zu stellen. Vier Tage nach Fristablauf reichte das städtische Rechtsamt einen Strafantrag bei der Kölner Polizei ein. Das Verfahren vor dem Amtsgericht Köln endete mit der Einstellung.

Ratsmitglied Michael Hock: „Staatsanwaltschaft und Gericht waren mit mir der Ansicht, dass der Hausmeister nicht zur Stellung von Strafanträgen befugt ist. Alle Balkonkletterer gehen straffrei nach Hause. Politik und Leitung der Ratsgeschäfte sollten nicht dem Rathausservice überlassen werden.“

Zugang zu öffentlichen Ratssitzungen und Berichterstattung behindert

Ein Team dieser Internetzeitung wollte über den öffentlichen Teil der Ratssitzung am 6. Februar 2024 berichten. Ein Zugang zum Foyer des Ratssaales wurde, trotz Vorzeigen eines Presseausweises eines anerkannten Verbandes und gezeichnet vom Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, am Haupteingang durch den Rathausservice unterbunden. Eine Berichterstattung sei nur von der Tribüne des Ratssaales und den Zugang über „Unter Goldschmied“ möglich, so der machtbewusste Rathausservice. Das ist insofern interessant, als der Rathausservice damit etwa Interviews zwischen Journalistinnen und Journalisten im Foyerbereich vor dem Ratssaal vor der Sitzung verhindert.

Auf der Tribüne war zwar eine Berichterstattung möglich, aber eben kein Zugang zu Ratsmitgliedern. Auch dort intervenierte der Rathausservice und unterband die fotografische Bildberichterstattung. Erst eine massive, die Berichterstattung störende Intervention, führte dazu, dass weiter Fotos gemacht werden konnten. Der Leiter des städtischen Presseamtes Alexander Vogel und aktuell sogar im Leitungsteam des städtischen Ordnungsamtes ist schriftlich der Auffassung, dass Bildberichterstattung vorab angekündigt werden müsse. Dabei sieht die aktuelle Geschäftsordnung des Kölner Rates dies gar nicht vor. So stellt die Geschäftsordnung des Rates (§ 30 Abs. 3 – Satz 1) fest: Tonaufzeichnungen sowie Film- und Fernsehaufnahmen während der Sitzung sind der Sitzungsleiterin/dem Sitzungsleiter vor Beginn der Sitzung anzukündigen und sind nur mit deren/dessen Zustimmung und der Zustimmung aller Ratsmitglieder zulässig. Von Fotografie kein Wort.*

Neben der Frage nach freier Berichterstattung und der Pressefreiheit sowie Wahrung des Landespressegesetzes wirft das Vorgehen des Rathausservices die Frage auf, inwiefern dessen Handeln nicht in die Pflicht der Herstellung der Öffentlichkeit bei Ratssitzungen eingreift und womöglich dazu führt, dass einzelne Entscheidungen anfechtbar wären.

Ein Bonmot am Rande: Auf der Tribüne des Ratssaals sind zwei Tische in der ersten Reihe seit Jahren defekt. Eine der hölzernen Tischplatten klemmt lieblos zwischen den Stühlen bei der 30. Sitzung des Kölner Rates. Eigentlich eine lohnende Aufgabe für den Rathausservice: Dafür Sorge zu tragen, dass das Kölner Rathaus einen schmucken Eindruck macht, statt Strafanträge zu stellen oder die freie Presse in der Berichterstattung zu behindern. Noch eine kleine Bonmot-Randnotiz: Medienvertreterinnen und Medienvertretern wurde jahrzehntelang mit der Begründung sie könnten Ratsmitglieder bewerfen, der Genuss von Gummibärchen oder jeglicher Nahrungsaufnahme selbst in 10-stündigen Sitzungen auf der Tribüne untersagt. Der kaputte und frei verfügliche Holztisch scheint keine Bedrohung mehr darzustellen.

Der Kölner Rat und die Stadtverwaltung muss sich die Frage gefallen lassen: Wer regiert denn jetzt in Köln, wenn schon auf dem ersten Hügel der Stadt nix richtig funktioniert?


*Hinweis der Redaktion: Nach über 20 Jahren bot Presseamtsleiter Vogel der Redaktion jetzt an in Zukunft am Pressetisch im Ratssaal Plätze einzunehmen. Zuvor war eine Berichterstattung für report-K nur von der Tribüne aus möglich und natürlich am Livestream seit es diesen gibt.