Das Archivfoto zeigt den französischen Präsidenten Emanuel Macron im Deutschen Bundestag. (Archivbild) | Foto: via dts nachrichtenagentur

Paris/Berlin | Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schließt einen Einsatz von westlichen Bodentruppen in der Ukraine nicht aus. „Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“, sagte er nach einer Ukraine-Hilfskonferenz in Paris. In der Dynamik dürfe „nichts“ ausgeschlossen werden.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), äußerte sich lobend über Macrons Vorstoß. „Deutschland muss diese Einschätzung definitiv nicht teilen, aber auffällig ist schon: Macron gibt den Antreiber, der Bundeskanzler den Bremser“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der Einfluss von Putins Warnung vor einer direkten Einmischung des Westens in den Krieg sei in Berlin größer als in Paris.

Für die Unionsfraktion im Bundestag ist es unterdessen keine Option, deutsche Soldaten in die Ukraine zu schicken. Das stehe nicht zur Debatte, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer, Thorsten Frei, am Dienstag im RBB-Inforadio.

Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch übte scharfe Kritik an den Äußerungen von Macron: „Die Wichtigtuerei von Macron ist gefährlicher Wahnsinn, der Europa anzünden würde“, sagte Bartsch den Funke-Zeitungen. Bodentruppen in der Ukraine seien ein „absolutes No-Go“. Nach mehr als zwei Jahren Krieg und zigtausenden Toten seit Europas historische Verantwortung, eine europäisch abgestimmte Friedensinitiative vorzulegen und keine Vorschläge zu unterbreiten, die den gesamten Kontinent ins Verderben stoßen würden.

Frei ergänzte derweil, dass es entscheidend sei, dass die Ukraine die „dringend benötigten Waffen“ bekomme, um sich gegen Russland zu verteidigen. Der CDU-Politiker kritisierte im RBB-Inforadio, dass der Bundeskanzler es weiter ablehnt, Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Scholz` Bedenken, dass Deutschland damit in den Krieg hineingezogen werde, teile er nicht: „Es ist Unfug, dass Deutschland damit zur Kriegspartei würde. Und es ist auch nicht zutreffend, dass es dadurch notwendig wäre, dass deutsche Soldaten in der Ukraine tätig werden müssten.“

Deutschland habe in der Vergangenheit auch an andere Länder Taurus-Raketen geliefert, ohne dass dort Soldaten zum Einsatz gekommen seien. „Hier fehlt es einfach an der notwendigen Entschlossenheit“, sagte Frei.

Scholz schließt Einsatz westlicher Bodentruppen in Ukraine aus

dts Nachrichtenagentur) – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schließt den Einsatz von westlichen Bodentruppen in der Ukraine weiterhin aus. Es werde keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden geben, „die von europäischen Staaten oder Nato-Staaten dorthin geschickt werden“, sagte er am Dienstag in Freiburg.

Damit widersprach er Aussagen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der einen solchen Einsatz am Montag explizit nicht ausgeschlossen hatte. „Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“, sagte Macron nach einer Ukraine-Hilfskonferenz in Paris. In der Dynamik dürfe „nichts“ ausgeschlossen werden.

Hofreiter beklagt „nicht runde“ deutsch-französische Zusammenarbeit 

Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), kritisiert die strategischen Differenzen zwischen Berlin und Paris in der Ukraine-Politik. „Im Agieren von Scholz und Macron zeigt sich leider, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit auf höchster Ebene nicht rund läuft“, sagte Hofreiter dem Nachrichtenportal T-Online.

Während Kanzler Olaf Scholz (SPD) abermals ausschloss, Taurus-Marschflugkörper an Kiew zu liefern, bestand Frankreichs Präsident Emmanuel Macron darauf, im Konflikt mit Russland gar nichts auszuschließen – auch nicht europäische Bodentruppen.

„Wir brauchen dringend eine gemeinsame europäische Initiative für das, was jetzt in der Ukraine gebraucht wird, damit sie sich gegen die russischen Angriffe wehren kann“, so Hofreiter. Die Gipfelbeschlüsse von Paris seien ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Hofreiter kritisierte sowohl Macron als auch Scholz: „Die Vorstöße des französischen Präsidenten sind der aktuellen Lage nicht angemessen“, sagte er. Sie sorgten für Unruhe und Uneinigkeit in einer Zeit, in der schnelles gemeinsames Handeln gefragt sei.

„Scholz sorgt sich um eine Eskalation des Konflikts. Ich teile diese Sorge, befürchte aber, der Kanzler bewirkt mit seinem Verhalten das Gegenteil dessen, was er erreichen will“, sagte der Grünen-Politiker. „Denn Scholz sendet eine Botschaft der Schwäche, indem er der Ukraine dringend benötigte Waffen vorenthält. Putin nutzt jede Schwäche aus.“

Deutsche Außenpolitiker kritisieren Macrons Bodentruppen-Äußerung

Führende Außenpolitiker der Ampel-Koalition reagieren irritiert auf die Kritik von Emmanuel Macron an Deutschland – und dessen Offenheit für einen Einsatz europäischer Soldaten in der Ukraine. „Emmanuel Macron zündet Nebelkerzen“, sagte Michael Roth (SPD) dem „Tagesspiegel“ (Mittwochsausgabe).

„Deutschland ist bei der Ukraine-Hilfe in Vorleistung gegangen, andere große europäische Staaten machen sich zuletzt einen schlanken Fuß.“ Roth spielt damit darauf an, dass Frankreich im Vergleich zu anderen Nationen sehr wenig Militärhilfe an die Ukraine leistet. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Unterstützer.

Die Offenheit Macrons für einen Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine wies Roth scharf zurück. „Nicht einmal die Ukraine selbst fordere westliche Bodentruppen im Land“, sagte der Außenpolitiker, der kürzlich erst selbst in der Ukraine war. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Macron das wirklich ernst meint“, sagte Roth. „Eine Art napoleonische europäische Armee wäre Irrsinn.“

Stattdessen müssten die Verbündeten der Ukraine das Land stärker mit Munition, Luftabwehr und Drohnen versorgen. Das schnelle Anschaffen von Munition auf dem Weltmarkt sei jetzt die drängendste Aufgabe. „Wir brauchen außerdem eine europäische Arbeitsteilung bei der Lieferung von Waffensystemen an die Ukraine“, sagte Roth.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte Macron ebenfalls. „Ich halte das vor allem für einen taktischen Schachzug von Macron, der mit dieser Scheindebatte einen gezielten Kontrapunkt zu Scholz setzt und somit die Führungsrolle für Frankreich in Europa reklamiert.“ Damit lenke dieser auch davon ab, dass Frankreich bislang zu wenig Unterstützung liefere und bei der Beschaffung von Munition bremse. „Die Ukraine bittet einfach um mehr Waffen und Munition, das muss jetzt die Priorität sein“, sagte Kiesewetter. Auch Scholz‘ Weigerung, die Langstreckenrakete Taurus an die Ukraine zu liefern, grenze an „unterlassener Hilfeleistung“.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, verwies auf die Festlegung der Nato, keine direkte Konfrontation mit Russland zu suchen. Insofern könne es keinen Einsatz westlicher Truppen in der Ukraine geben. „Es stärkt den Westen nicht, wenn Macron meint, solche vermeintlich strategisch bedeutsamen Gedanken als Luftballon steigen lassen zu müssen, im Wissen, dass ohnehin nichts daraus wird“, sagte Schmid der Zeitung. „Es ist nicht das erste Mal, dass der französische Präsident unabgesprochen vorgeht.“