Frankfurt/Main | Nach jahrelangem Kampf steht die „Frankfurter Rundschau“ vor einer ungewissen Zukunft: Das Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main reichte am Dienstag einen Insolvenzantrag für das Traditionsblatt ein. Die Hauptgesellschafter sahen nach eigenen Angaben keine Perspektive mehr für eine Fortführung der Zeitung. Von der Insolvenz sind 487 Mitarbeiter betroffen. Das Stadtmagazin „Prinz“ stellt seine gedruckten Hefte ein und erscheint nur noch digital.

Als Grund für den Insolvenzantrag nannten die Kölner Mediengruppe M. DuMont Schauberg und die SPD-Medienholding ddvg massive Rückgänge im Anzeigen- und Druckgeschäft in der ersten Jahreshälfte. Diese hätten der Geschäftsführung keine Chance für ein Verlassen der Verlustzone gegeben. „Somit war auch für die Geschäftsleitung keine Perspektive der Fortführung des Unternehmens erkennbar“, hieß es in der gemeinsamen Mitteilung weiter. Für das laufende Geschäftsjahr würden Verluste von 16 Millionen Euro erwartet, sagte ein DuMont-Sprecher und bestätigte damit einen Bericht der „Wirtschaftswoche“.

Die Hauptgesellschafter der „Frankfurter Rundschau“ hatten in den vergangenen acht Jahren eigenen Angaben zufolge „einen beachtlichen Millionenbetrag“ in das Verlagshaus investiert. Auch die Mitarbeiter hätten durch Gehaltsverzicht ihren Beitrag geleistet, um die Zeitung zu retten. „Eine sich nunmehr abzeichnende dauerhafte Finanzierung hoher Verluste“ sei aber sowohl für DuMont Schauberg als auch die ddvg nicht länger darstellbar.

Betriebsversammlungen in Frankfurt und Berlin

Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde der Frankfurter Rechtsanwalt Frank Schmitt eingesetzt. Derzeit würden mögliche Sanierungsansätze geprüft. „Wesentliches Ziel ist derzeit, den Geschäftsbetrieb fortzuführen“, teilten die Hauptgesellschafter weiter mit. Wie es mit der „FR“ weitergehe, liege nun ganz in der Hand des Insolvenzverwalters, sagte der DuMont-Sprecher.

Am Nachmittag wurden die Mitarbeiter der „Frankfurter Rundschau“ bei einer Betriebsversammlung über Einzelheiten informiert. Diese war bereits am Vortag ohne Angabe von Gründen angekündigt worden. Zeitgleich fand im Berliner Verlag eine Mitarbeiterversammlung statt. „Die Folgen für die ‚Berliner Zeitung‘ sind noch nicht abzuschätzen“, sagte der amtierende Betriebsratsvorsitzende Alfred Hase vor dem Treffen auf dapd-Anfrage.

Das Druck- und Verlagshaus in Frankfurt gehört überwiegend der Mediengruppe M. DuMont Schauberg, neben der ddvg ist noch die Karl-Gerold-Stiftung beteiligt. Die „Frankfurter Rundschau“ gilt schon seit geraumer Zeit als Verlustbringer. Die Zeitung hat bereits drastisch Personal abgebaut, der Mantelteil wird überwiegend von einer Redaktionsgemeinschaft des Mutterverlags in Berlin erstellt und ist zu einem Großteil identisch mit dem der „Berliner Zeitung“. In Frankfurt sind jedoch noch zahlreiche Redakteure nicht nur des Regional- und Lokalteils tätig. Gerüchte über eine bevorstehende Einstellung der Printausgabe und eine Beschränkung der Zeitung auf die Digitalausgabe waren in den letzten Wochen mehrfach dementiert worden.

Gewerkschaften kritisieren Verlagshäuser

Die Gewerkschaften forderten die Gesellschafter auf, für die betroffenen Mitarbeiter eine Perspektive zu schaffen. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, rief die Geschäftsführung von M. DuMont Schauberg dazu auf, den Betroffenen adäquate Stellen bei anderen Medien der Verlagsgruppe anzubieten.

Um eine Perspektive für die Beschäftigten zu sichern, sei aber auch die SPD als Anteilseignerin gefordert, mahnte die Gewerkschaft ver.di. Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Warnecke sprach von einem „schwarzen Tag“ für die Beschäftigten der Zeitung und für die Pressevielfalt in Deutschland. Das Blatt sei ein Garant für Meinungsstärke und journalistische Qualität und vom deutschen Zeitungsmarkt nicht wegzudenken.

Hessische SPD und Linke sehen Medienvielfalt bedroht

Der Insolvenzantrag für die „Frankfurter Rundschau“ sei „das Ende einer traurigen Entwicklung“, sagte Warnecke. Diese habe damit begonnen, „dass der eigene Charakter des Blattes in den Gemeinschaftsredaktionen von Hauptanteilseigner M. DuMont Schauberg bis zur Unkenntlichkeit geschliffen und das Blatt auf regionale Bedeutung herabgestuft wurde“. Auch Konken bezeichnete die Insolvenz als „die Folge von jahrzehntelangem Missmanagement“. Dies sei „besonders bitter für die Beschäftigten, die über Jahre hinweg mit Einkommensverzicht für den Erhalt ihrer Zeitung gekämpft haben.“

Der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel sprach von einem „schweren Schlag für die Beschäftigten und ihre Familien und für die publizistische Vielfalt in Hessen und Deutschland“. Der Linken-Landesvorsitzende Ulrich Wilken nannte die Zeitung eine wichtige Institution auf dem Medienmarkt. „Das Aus der ‚FR‘ wäre ein großer Verlust für die Medienvielfalt“, fügte er hinzu.

Printausgabe des Stadtmagazins „Prinz“ wird eingestellt

Das Aus für die gedruckte Ausgabe des Stadtmagazins „Prinz“ ist hingegen schon besiegelt. Das Heft soll letztmalig im Dezember am Kiosk erscheinen, wie der Jahreszeiten-Verlag am Dienstag mitteilte. „Insgesamt sind an vierzehn Standorten etwa 60 Redakteure und Mitarbeiter in der Anzeigenabteilung, dem Vertrieb und in der Herstellung mit der Produktion des Monatsmagazins betraut“, sagte „Prinz“-Geschäftsführer Peter Rensmann. Allen Mitarbeitern sei die Kündigung angedroht wurden, sagte der Betriebsratsvorsitzende des Jahreszeiten-Verlags, René Bickel der dapd. „Prinz“ soll im kommenden Jahr als tagesaktuelles Online-Magazin ausgebaut werden.

Hintergrund: Von Gebetbüchern zu Zeitungen mit Millionenauflage – Die Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg besteht seit 210 Jahren

Die Wurzeln der Kölner Verlagsgruppe reichen zurück bis ins 17. Jahrhundert. Damals firmierte sie als Druckerei für Festschriften und Gebetbücher. Den Verlag M. DuMont Schauberg selbst gibt es seit 1802.

Heute gehört die Mediengruppe M. DuMont Schauberg (seit Januar 2009 neue Dachgesellschaft) zu den größten Akteuren auf dem deutschen Tageszeitungsmarkt. Bei ihr erscheinen der „Kölner Stadt-Anzeiger“, die „Kölnische Rundschau“ und der „Express“ sowie in Sachsen-Anhalt die „Mitteldeutsche Zeitung“ in Halle/Saale. Die Kölner halten zudem 20 Prozent der Ha’aretz-Gruppe, Tel Aviv. Zur Mediengruppe gehört auch das Presse- und Medienhaus Berlin (mit „Berliner Zeitung“, „Berliner Kurier“, „Berliner Abendblatt“ und „Hamburger Morgenpost“), an dem der Heinen-Verlag mit 35 Prozent beteiligt ist.

Die 1945 ins Leben gerufene „Frankfurter Rundschau“ gehört seit Juli 2006 zu M. DuMontSchauberg. Die Unternehmensgruppe hält an der „FR“ 50 Prozent und eine Stimme. Weitere Anteilseigner sind die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) und die nach einem früheren Herausgeber des Blatts benannte Karl-Gerold-Stiftung. Die „Frankfurter Rundschau“ war DuMont-Angaben zufolge die erste Zeitung in der US-kontrollierten Zone und die zweite Nachkriegszeitung überhaupt. Im dritten Quartal 2012 lag die Auflage der sechs Mal pro Woche erscheinenden „FR“ laut Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern bei 117.996 Exemplaren.

Nach eigenen Angaben erzielte die Mediengruppe im Jahr 2010 einen Umsatz von 711,3 Millionen Euro. In dem Jahr zählte sie 4.192 Beschäftigte, davon 1.075 im Unternehmensbereich Köln, 984 in Halle und 552 in Frankfurt. M. DuMont Schauberg konkurriert vor allem mit der Axel Springer AG, der Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung/Die Rheinpfalz/Südwest Presse und der Verlagsgruppe WAZ.

Autor: dts, dapd | Foto: Mario Vedder/dapd
Foto: Das Verlagsgebäude der Frankfurter Rundschau in Frankfurt