Das Symbolfoto zeigt eine Baustelle. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Köln | Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung jubelt und spricht von einem „Wow“, andere in NRW sind da vorsichtiger bis kritischer, wenn es um den öffentlichen Wohnungsbau geht. Die Fakten aus dem Ministerium, die Zahlen für Köln und die Region sowie die kritischen Stimmen von SPD, Mieterbund und NRW-Wohnungswirtschaft.

Fakt in NRW ist…

2023 wurden von der Landesregierung rund 2,1 Milliarden Euro für 11.854 Wohneinheiten an Wohnraumförderung bewilligt. 6.726 Wohnungen für Mieterinnen und Mieter und 1.557 Wohnungen für den Erwerb von Eigentum seien so gefördert worden und 2.641 Wohnungen erhielten eine Modernisierungsförderung. Im Jahr 2022 sewien 3.993 Wohneinheiten in NRW im mietpreisgebundenen Segment entstanden. 2023 waren dies 6.726 Wohneinheiten. Das hört sich zunächst viel an, es gibt ein Aber: Diese Zahl an Wohnungen gilt für das gesamte noch dazu bevölkerungsreichste Bundesland.

„Mit einem Gesamtergebnis von rund 2,1 Milliarden Euro Förderung für insgesamt 11.854 Wohneinheiten erreichen wir für 2023 ein Förder-WOW beim öffentlichen Wohnungsbau. Durch die öffentliche Wohnraumförderung wird Nordrhein-Westfalen zum ,place to bau´: Der Mietwohnungsneubau legt mit 68 Prozent auf 6.726 Wohnungen zu, bei den Eigentumsmaßnahmen haben wir sogar eine Zunahme von über 162 Prozent auf 1.557 Einheiten. Bei der Modernisierungsförderung haben wir eine bundespolitische Delle im Zusammenhang mit den ewigen Diskussionen um das Heizungsgesetz zu verzeichnen: Die Anzahl der Wohneinheiten in der Modernisierungsförderung geht leicht um 4,3 Prozent auf 2.641 Wohneinheiten zurück. Die Zahlen zeigen: Die öffentliche Wohnraumförderung ist der Fels in der Brandung bei dem derzeit stark im Sturm stehenden Immobilienmarkt. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat mit einer verlässlichen Förderung dafür gesorgt, dass Wohnungsneubauvorhaben, die ansonsten eingestellt worden wären, dennoch umgesetzt werden können. Auf Nordrhein-Westfalen können Eigentümer, Mieterinnen und Mieter bauen – aller Krisen zum Trotz“, so Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen in einer schriftlichen Erklärung.

Die Zahlen für Köln

In Köln wurden nach der vom Ministerium versandten Tabelle 548 Wohneinheiten gefördert. Dafür wurde die Summe von 143.843.000 Euro an Fördermitteln aufgebracht. Im Regierungsbezirk Köln ist Aachen Spitzenreiter mit 669 Wohneinheiten und Bonn erreichte 348.

Die Zahl der geförderten Wohnungen 2023 in den 5 NRW-Regierungsbezirken:

• Arnsberg: 1.907 Wohneinheiten

• Detmold: 1.610 Wohneinheiten

• Düsseldorf: 2.675 Wohneinheiten

• Köln: 2.509 Wohneinheiten

• Münster: 2.223 Wohneinheiten

So kommentiert die Köln-SPD die Zahlen für Köln

Pascal Pütz, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion: Das ist ein neuer Tiefstand beim Sozialwohnungsbau in Köln. Gerade einmal 531 Sozialwohnungen wurden 2023 bewilligt. Dazu fallen in den kommenden Jahren tausende Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung – hier werden dann saftige Mieterhöhungen auf dem freien Markt fällig. Damit in Köln endlich wieder mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht, haben wir ein Programm für bezahlbares Wohnen vorgelegt: günstiges Bauland, schnellere Genehmigungen und ein städtisches Wohnbauförderprogramm sind der Schlüssel zum Erfolg! Wir werden uns im Stadtrat weiter dafür einsetzen, dass Köln endlich die Kehrtwende beim Wohnungsbau schafft und Familien, Alleinerziehende, Studenten und Senioren endlich wieder bezahlbaren Wohnraum in unserer Stadt finden können.“

Die NRW-Wohnungswirtschaft spricht von Krise

Die Bewilligung von Mitteln über 2,1 Milliarden für den geförderten Wohnungsbau werden von der NRW- Wohnungswirtschaft durchaus als Signal wahrgenommen. Aber dies dürfe nicht über die Krise hinwegtäuschen in der sich der Wohnungsbau in NRW befinde.

Alexander Rychter, Verbandsdirektor des VdW Rheinland Westfalen in einem schriftlichen Statement: „Die hohen Werte der abgerufen Fördermittel und der damit entstandenen öffentlich geförderten Wohnungen sprechen für ein starkes Engagement der gesamten Wohnungswirtschaft und insbesondere der VdW-Mitglieder in diesem Bereich im letzten Jahr. Die Mitgliedsunternehmen und -genossenschaften im VdW Rheinland Westfalen riefen nach Aussage von Ministerin Ina Scharrenbach wohl rund zwei Drittel der bereitgestellten Mittel ab. Außerdem zeigen die heute vorgestellten Zahlen das Potenzial der verlässlichen und auskömmlichen Förderkulisse des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie dürfen jedoch nicht über die aktuellen Herausforderungen hinwegtäuschen. Denn die guten Ergebnisse aus 2023, vor allem im öffentlich geförderten Wohnungsneubau, resultieren zu einem nicht unerheblichen Teil aus der aktuellen Krise im frei finanzierten Wohnungsbau: gestiegene Zinsen, hohe Baukosten und eine unsichere bundespolitische Förderkulisse rund um das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Für viele Marktakteure war in dieser Situation der öffentlich geförderte Wohnungsbau im letzten Jahr ein sicherer Hafen. Für dieses Jahr rückläufige Baugenehmigungszahlen lassen für nächstes Jahr nichts Gutes ahnen. Neue Projekte kommen deutlich weniger nach. Deswegen braucht der bezahlbare Wohnungsbau mehr denn je weitere Impulse durch attraktive und bedarfsgerechte Förderkonditionen – vor allem für diejenigen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften, die sich schon seit Jahren nachweislich und dauerhaft für bezahlbares Wohnen stark machen. Denn nur so haben auch bezahlbare Mieten eine echte Chance.“

Deutscher Mieterbund schaut genauer hin

Beim Deutschen Mieterbund las man die Meldung von Ministerin Scharrenbach genauer und stellt fest, dass es keine fünfstellige Zahl an neuen Mietwohnungen ist, sondern nur 6.726 Wohneinheiten. Denn die weiteren Fördermaßnahmen beziehen sich auf Modernisierung und Eigentumsförderung. Der größte Zuwachst findet sich beim Erwerb von Eigentum. Hier kritisierte der Deutsche Mieterbund, dass dabei aber oftmals gar kein Neubau entstehe, sondern nur Bestand erworben werde. Hans-Jochem Witzke, erster Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds NRW kommentiert: „Nach dem Minusrekord im Vorjahr von nur 3.993 geförderten Mietwohnungen (-24 Prozent zu 2021) kann Ministerin Scharrenbach nun natürlich einen erheblichen Anstieg auf 6.726 Mietwohnungen vermelden. Die Förderzahlen bewegen sich aber letztlich auch nur im oberen Mittel der vergangenen Jahre.“

Zahlen die den Mietervertretern Sorge bereiten

Es sind Zahlen der landeseigenen NRW.Bank, die die Mietervertreter Sorgen bereiten, denn sie befürchten, dass es in NRW bald weit unter 300.000 geförderten Wohnungen geben werde. Vor 20 Jahren sei deren Zahl noch doppelt so hoch gewesen. Rund 40 Prozent von 170.000 preisgebundenen Wohnungen befänden sich in der sogenannten Nachwirkung. Hier seien die öffentlichen Darlehen frühzeitig abbezahlt worden und daher laufe bei diesen Wohnungen die Preisbindung frühzeitig aus. So errechnete die NRW.Bank, dass ohne Neubauförderung sich der Bestand an preisgebundenen Mietwohnungen bis 2030 um 42 und bis 2035 sogar um 50 Prozent reduziere. Daher fordert der Deutsche Mieterbund, dass diese Wohnungen dauerhaft in der Mietpreisbindung blieben. NRW so die Mietervertreter brauche wieder eine eigene Landesbaugesellschaft und mehr genossenschaftliches Bauen. Der Verkauf der LEG im Jahr 2008 sei ein großer Fehler gewesen.

So schreibt der Mieterbund NRW, der von einem „Strohfeuer“ spricht: „Betrachtet man die gesamte Bautätigkeit in NRW, so geht die Ministerin davon aus, dass zukünftig rund 45.000 Wohnungen jährlich gebaut werden. Strebt man hier – wie auf Bundesebene – einen Anteil von einem Viertel geförderter Wohnungen an, müssten es in NRW rund 11-12.000 jährlich sein. Davon sind die 6.726 aus dem Jahr 2023 noch ein großes Stück entfernt.“

SPD im Landtag sieht keine Trendwende im sozialen Wohnungsbau

Kein gutes Haar an den heute vorgestellten Zahlen der Wohnungsbauministerin lässt die größte Oppositionspartei im NRW-Landtag, die SPD.

Sarah Philipp, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, schriftlich: „Bauministerin Scharrenbach hat heute versucht, ihre magere Bilanz durch eine Reihe denglischer Slogans schöner aussehen zu lassen, als sie ist. 6.726 neue preisgebundene Mietwohnungen sind kein ,Förder-Wow‘, sondern allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr ist das auch nur deswegen, weil die Zahl 2022 mit 3.993 auf einem absoluten Tiefstand war. Verglichen mit 2016 – als noch 9.301 mietpreisgebundene Wohnungen gebaut worden sind – ist auch das aktuelle Ergebnis immer noch ein Rückgang um fast 30 Prozent. Vor diesem Hintergrund sollte sich Frau Scharrenbach weniger mit markigen Werbesprüchen selbst auf die Schulter klopfen, sondern die soziale Wohnraumförderung endlich zum Mittelpunkt der Wohnungspolitik in NRW machen.“

Sebastian Watermeier, wohnungsbaupolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW: „Mehr als 40 Prozent der preisgebundenen Wohnungen in Deutschland befinden sich in Nordrhein-Westfalen. Das Land lebt von der Substanz, die in Zeiten sozialdemokratischer Regierungen aufgebaut worden ist. Das ist richtig. Nur leider wird diese Substanz unter CDU-geführten Regierungen Stück für Stück weiter abgebaut. Davon kann auch der irreführende Werbeblock von Frau Scharrenbach heute nicht ablenken. Fakt ist: Diese Landesregierung stützt ihre Förderpolitik in großen Teilen auf großzügig zur Verfügung gestellte Bundesmittel sowie die bewährten Strukturen der NRW.Bank. Der Eigenanteil der Ministerin ist da sehr überschaubar – vor allem wenn Zahlen allein durch Marktmechanismen getrieben gegenüber dem Vorjahr steigen. Schon die schriftlichen Stellungnahmen für die heutige Sachverständigenanhörung zu unserem Antrag für mehr Schubkraft und Fortschritt in der Wohnungspolitik haben deutlich gemacht, dass die Versorgung der Bevölkerung mit bedarfsgerechtem und bezahlbarem Wohnraum in weiten Teilen des Landes nicht mehr sichergestellt ist. Dann von einer Trendwende zu sprechen, dafür braucht es schon eine besondere Form der Realitätsverweigerung. Frau Scharrenbach hat offenbar vergessen, dass in potemkinschen Dörfern niemand wohnen kann.“