Frankfurt/Main | Der Frankfurter Ökonom Thorsten Polleit fühlt sich angesichts der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) an die Krisenzeit der Weimarer Republik erinnert, als die Kaufkraft rasch schrumpfte und Hyperinflation herrschte.

„Dass die EZB politisch von hochverschuldeten Staaten und Banken vereinnahmt ist, wird früher oder später das Vertrauen schwinden lassen, dass der Preisanstieg im Euro-Raum langfristig gezähmt bleibt“, schreibt der Chefökonom der Degussa Goldhandel GmbH und Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management in einem Gastbeitrag für „Handelsblatt-Online“. „Der EZB-Rat wird gedrängt und ist versucht, eine Geldvermehrungspolitik auf den Weg zu bringen, durch die die Verschuldeten der Zahlungsunfähigkeit entkommen können.“

Das sei auch das, „was zur monetären Katastrophe in der Weimarer Republik führte“. Polleit warnte, dass das Ausweiten der Geldmenge eine Volkswirtschaft nicht reicher mache. Es komme vielmehr zu einer „nichtmarktkonformen Umverteilung“ von Einkommen und Vermögen.

„Diejenigen, die die neu geschaffene Geldmenge als erste in die Hände bekommen, sind die Begünstigten. Diejenigen, die sie erst später erhalten oder gar nichts von ihr abbekommen, sind die Benachteiligten“, erläuterte der Ökonom. „Setzt die EZB ihre Monetisierung von Schulden in die Tat um, begünstigt das zum Beispiel einige Spanier auf Kosten anderer Spanier, einige Deutsche auf Kosten anderer Deutscher, aber auch Portugiesen auf Kosten von Spaniern, Deutschen, Österreichern, Holländern und Finnen“, so Polleit.

„Es würde die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Euro-Raum in einem Ausmaß verändern, wie es wohl kein Parlamentsbeschluss in Friedenszeiten jemals bewirken könnte.“

[infobox]Hintergrund: EZB senkt Leitzins auf Rekordtief

Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt ihren Leitzins auf 0,05 Prozent und damit auf ein neues Rekordtief. Wie die Notenbank am Donnerstag nach der Sitzung des EZB-Rats in Frankfurt am Main mitteilte, werde auch der Einlagenzins, zu dem Banken bei der EZB kurzfristig Geld parken können, weiter abgesenkt: Dieser steht nun bei minus 0,20 Prozent, nachdem er zuvor bei minus 0,10 Prozentpunkte gelegen hatte. Den Zinssatz für die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität, zu dem sich Geschäftsbanken im Euroraum kurzfristig Geld bei der EZB beschaffen können, senkten die Notenbanker auf 0,30 Prozent nach zuvor 0,40 Prozentpunkten.

Der DAX reagierte auf die Leitzinssenkung mit einem leichten Kursanstieg, während der Euro auf unter 1,3050 US-Dollar sank. Die EZB hatte im Kampf gegen eine drohende Deflation ihren Leitzins zuletzt im Juni 2014 auf damals 0,15 Prozent gesenkt.

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Autor: dts