Berlin | Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will die Umwidmung von Weideland zu Bauland vereinfachen. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf ein Papier des Ministeriums. Die Agrar- und Umweltverbände äußern Kritik.
Darin werden zudem Umweltschutzmaßnahmen genannt, die die EU-Kommission zuletzt wieder abgebaut hat. So sollen bei Betrieben mit weniger als zehn Hektar landwirtschaftlicher Fläche Kontrollen und Sanktionen wegfallen. Im Falle von Wetterextremen sollen die Länder einfacher Ausnahmen zulassen können, um wirtschaftliche Härten für die Betriebe abzufedern. Vorgaben für Blüh- oder Gehölzstreifen sollen flexibler gehandhabt werden.
Deutschlands Landwirte sollen künftig weniger Zeit am Schreibtisch verbringen müssen, heißt es in dem Papier. „Unnötige Bürokratie“ bremse den Wandel und die Betriebe. „Das kostet Zeit und Nerven.“ Vor allem rund um die gemeinsame Agrarpolitik der EU müsse „Sand aus dem Getriebe“. Hier seien „umfangreiche Vereinfachungen“ geplant.
Umwelt-, Klima- und Tierschutz blieben „wichtig und richtig“, so das Papier. „Bürokratieabbau heißt eben nicht, diese Standards zu verwässern und darf auch kein Vorwand dafür sein.“ Ziel seien einfachere Verfahren, ohne den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu gefährden. Umweltverbände kritisieren eine Verwässerung von Standards.
Diesen Mittwoch soll sich eine Sonderkonferenz der Agrarminister von Bund und Ländern mit den Maßnahmen befassen. Kommende Woche Mittwoch will das Bundeskabinett nach derzeitiger Planung eine Gesetzesnovelle verabschieden, die die neuen Regeln umsetzt.
Agrar- und Umweltverbände kritisieren Abbau von Öko-Regelungen
21 Landwirtschafts- und Umweltverbände haben die Rücknahme von Öko-Regelungen durch die EU-Kommission und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) scharf kritisiert. „Die zeichnenden Verbände betonen, dass es sich bei der Sicherung der Biodiversität, des Klimaschutzes, der Reinhaltung von Luft und Wasser sowie der Stärkung des sozialen Zusammenhaltes um Herausforderungen von existenzieller Tragweite handelt. Nicht zuletzt sind sie auch Grundlage der Lebensmittelproduktion künftiger Generationen“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme zur Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP), die von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) koordiniert wurde. „Die jüngsten Beschlüsse der europäischen Institutionen zur einseitigen Aufweichung der GAP stehen hierzu in eklatantem Widerspruch.“
Die Verbände fordern daher, dass die anstehende nationale Umsetzung dieser Beschlüsse auf EU-Ebene so ausgestaltet wird, dass die Ziele des Umwelt-, Klima- und Tierschutzes sowie der sozialen Gerechtigkeit dennoch erreicht werden. Das „Schleifen ökologischer und sozialer Standards“ als Reaktion auf die jüngsten Proteste vieler Bauern lasse „nicht nur deren zentrales Problem vollkommen außer Acht, innerhalb der Wertschöpfungsketten keine gewinnbringenden Erzeugerpreise durchsetzen zu können, es lässt den landwirtschaftlichen Berufsstand bei der Bewältigung elementarer ökologischer und sozialer Zukunftsfragen auch komplett im Stich“, kritisiert die Verbände-Plattform.
Sie fordert daher eine verbindliche Anhebung des Budgets für die Erbringung freiwilliger Naturschutz-Leistungen sowie einer Reform der Gemeinsamen Marktordung der EU zugunsten der Bauern. Das Budget der Öko-Regelungen sowie der Agrar-, Umwelt-, und Klimamaßnahmen (AUKM) müsse kurzfristig um mindestens 10 Prozentpunkte erhöht werden. Insbesondere Grünlandbetriebe mit Milchvieh und Weidehaltung seien bislang stark beteiligt worden. Die Verbände pochen auf eine Weiterentwicklung der Vorgaben zur Fruchtfolge (Umweltstandard GLÖZ 7) und zu den Gewässerrandstreifen (Umweltstandard GLÖZ 4). Zur Reinhaltung von Luft und Wasser müsse zudem eine neue Öko-Regelung für besonders niedrige Stickstoff- und Phosphorsalden eingeführt werden.
„Jeder Landwirt weiß, dass eine möglichst weite Fruchtfolge nicht nur die Grundlage für einen erfolgreichen Pflanzenbau darstellt, sondern in Zeiten zunehmender Wetterextreme auch ein wichtiges Instrument zur Risikovorsorge ist“, sagte Ottmar Ilchmann, Sprecher für Agrarpolitik der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Wer die bestehenden Vorgaben zum Fruchtwechsel in der GAP schleifen will, erweist der Landwirtschaft damit einen Bärendienst. Was wir Bauern nach den rückwärtsgewandten Beschlüssen der Europäischen Institutionen jetzt brauchen, sind mutige Agrarminister, die nicht weiter die Axt an die GAP ansetzen, sondern diese endlich zukunftsfest weiterentwickeln.“