Das Symbolbild zeigt eine Steckdose.

Köln | Die städtischen Liegenschaften in Köln brauchen viel Strom und den kauft die Stadt Köln ein. Seit 2015 schreibt die Stadt Stromlieferverträge aus und fordert „100 Prozent Ökostrom aus erneuerbaren Energiequellen“. Am Donnerstag liegt dem Kölner Stadtrat eine neue Ausschreibung vor, denn der bisherige Anbieter Lichtblick soll laut Medienberichten den Vertrag nicht verlängern. Legen Politik und Verwaltung die Kriterien der Ausschreibung so streng fest, dass am Ende wirklich 100 Prozent Ökostrom aus den Steckdosen der städtischen Liegenschaften fließt und dies auch über die gesamte Vertragslaufzeit sichergestellt ist?

Städtische Liegenschaften brauchen Strom

Die Stadt Köln braucht ab dem 1. Januar 2024 einen neuen Stromlieferanten für die städtischen Liegenschaften. Der bisherige Anbieter Lichtblick will die Option den Vertrag zu verlängern nicht nutzen, so ein Medienbericht. Es handelt sich um einen sogenannten All-inclusive-Vertrag, der die Lieferung von Strom, die Netznutzung, die Messleistung, die Abrechnung sowie die Verbrauchs- und Rechnungsdatenlieferung umfasst. Es geht um einen dreistelligen Millionenbetrag über eine Laufzeit  von drei Jahren mit der Option weitere zwei Jahre zu verlängern. Es gibt eine Vorgabe: „100 Prozent Ökostrom aus erneuerbaren Energien“. Und die Stadtverwaltung bewertet die Auswirkungen auf das Klima als positiv und setzt die CO2-Werte für erneuerbare Energien mit 0g/kWh an.

Ökostrom ist nicht gleich Ökostrom

Der Begriff „Ökostrom“ ist nicht geschützt, siehe die ausführlichen Hintergrundinformationen am Ende des Artikels. Und nicht überall wo 100 Prozent Ökostrom draufsteht ist auch 100 Prozent Ökostrom drin. Es gibt einen Bereich, der wird Graustrom genannt. Die Ratsfrauen und -herren wollen und das zeigt die Vorgabe etwas fürs Klima tun. Das ist löblich. Die Frage die sich stellt, ob gut gemeint auch gut gemacht ist? Ist die Ausschreibung so eng gefasst, dass sie zum einen den formalrechtlichen Ansprüchen genügt und gleichzeitig zu einer Auswahl von Ökostromanbietern führt, die zum einen keinen Graustrom im Mix haben und die einen Teil in den Ausbau der erneuerbaren Energien investieren, denn nur so kommt die Energiewende voran. Hat die Stadtverwaltung und die Kölner Politik dies im Blick, also sucht sie wirklich und ernsthaft einen Energieversorger, der 100 Prozent Ökostrom anbietet mit „optionaler Koppelung“, also einen der Herkunftsnachweise beim Stromproduzenten einkauft, wie es das Umweltbundesamt empfiehlt?

Seit mehr als zwei Jahren liefert Lichtblick Strom an die Stadt Köln

Lichtblick beliefert die Stadt Köln und gewann die Ausschreibungen für die Jahre 2021 bis 2023. Die Ausschreibung fand im Jahr 2020 statt. Die Umweltorganisation „Robin Wood“ veröffentlichte ihren „Ökostromreport 2020“ und führte in diesem den Anbieter Lichtblick nicht mehr, der beim letzten Bericht 2016 dort noch aufgeführt war. Gegenüber der „taz“ begründete dies Ronja Heise, Energiereferentin von Robin Wood, damit, dass mit der Übernahme von Lichtblick durch die niederländische Eneco-Gruppe zum Ende des Jahres 2018 die Robin Wood Kriterien nicht mehr eingehalten wurden. Die „taz“ zitiert Heise: „Eneco betreibt Gaskraftwerke und handelt mit Graustrom“. Lichtblick wollte die Option den Stromliefervertrag für zwei weitere Jahre zu verlängern nicht ziehen. Aus informierten Kreisen heißt es, dass nur der Preis entscheidend war, dass Lichtblick den Zuschlag für die Jahre 2021-2023 erhielt. Lichtblick habe sich mit einem Preisunterschied von unter einem Prozent gegenüber dem Kölner Energieversorger Rheinenergie durchsetzen können. Dies war damals eine Sensation, denn zum ersten Mal lieferte nicht mehr der mehrheitlich im Eigentum der Stadt Köln befindliche Energieversorger Rheinenergie den Strom, sondern ein international agierender Konzern Strom an die Stadt Köln. Eneco gehört der Mitsubishi Corporation und Chubu Electric Power, einem der größten Stromversorger Japans. Lange Zeit galt Lichtblick als unabhängiger Energieversorger. Die neuen Eigentumsverhältnisse mit Shareholdern, die Atom- und Kohlestrom im Portfolio haben, führte unter anderem zur Delistung im „Ökostromreport 2020“ von Robin Wood. Diese neue Konstellation im Eigentumsverhältnis wirft Fragen und Zweifel auf, die aber nicht bedeuten, dass Lichtblick nicht dennoch all die Jahre 100 Prozent Ökostrom an die Stadt Köln lieferte und liefert und somit die Ausschreibung erfüllte. Sie führen aber zu der Frage, wie die Stadt Köln in Zukunft ihre Vorgabe sicherstellen will, eben 100 Prozent Ökostrom einzukaufen, auch wenn sich bei dem Energieversorger etwa Eigentumsverhältnisse während der Vertragslaufzeit verändern.

Ausbau der erneuerbaren Energieversorgung regional

Am 4. April 2017 beschloss der Kölner Rat: „Der Rat fordert die RheinEnergie auf, den Ausbau der Strom- und Wärmeerzeugung auf Basis erneuerbarer Energien weiter zu forcieren. Über den Fortschritt bei der Umstellung auf erneuerbare Energien soll dem Ausschuss Umwelt und Grün und dem Finanzausschuss als Beteiligungsausschuss jährlich berichtet werden.“ Rheinenergie bietet die Lieferung von 100 Prozent Ökostrom an. Gleichzeitig ist der Anteil des selbstproduzierten Stroms durch Erneuerbare immer noch gering und der Anteil des fossil erzeugten Stroms ist höher als der aus regenerativer Erzeugung.

Wie geht es weiter?

Wenn der Rat am Donnerstag sich für die Vorlage der Stadtverwaltung beziehungsweise Gebäudewirtschaft so entscheidet, ist fraglich, ob in den Kölner Liegenschaften wirklich 100 Prozent Ökostrom ab dem 1. Januar 2024 über die gesamte Vertragslaufzeit aus der Steckdose fließen wird. Ökostrom der nachhaltig ist, muss eine Ausbauwirkung erzielen. Genau dies prüfen die strengsten Ökostrom-Siegel. Wäre nicht genau das ein Kriterium, dass die Ratsfrauen und -herren im Rahmen der Ausschreibung bei der Beschaffung des Ökostroms berücksichtigen sollten?

Nun könnte ein Einwand sein, dass das europäische Vergabe- und Wettbewerbsrecht dem entgegenstehe. Dabei sind Vorgaben, die quantitative und qualitative Anforderungen definieren rechtlich möglich. Der Rat selbst definierte bei der Ausschreibung für die Stromlieferung im Jahr 2015 qualitative Vorgaben, wie unter anderem 40 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen und 60 Prozent aus hocheffektiver Kraft-Wärme-Koppelung. Auch eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes wurde definiert. Es gab also im Jahr 2015 bereits eine europaweite und rechtskonforme Ausschreibung mit differenzierten Kriterien. Damals war nicht der Strompreis das einzige Kriterium.

Schon 2020 hätte der Rat eigentlich darauf bestehen müssen, dass der Energieversorger der 100 Prozent Ökostrom an die Stadt liefert, entweder selbst Produzent von zertifiziertem Ökostrom ist oder die Herkunftsnachweise beim Stromproduzenten einkauft, wie es das Umweltbundesamt einfordert. Und als zweites Kriterium, dass der Anbieter sein Anlagenportfolio für erneuerbare Energien ausbaut und zwar über den gesamten Lieferzeitraum. Denn nur so entsteht mehr Strom aus erneuerbaren Energien. Dies fand aber nicht statt.

Jörg Frank, von 2004 bis 2020 Vorsitzender des Liegenschaftsausschusses und langjähriges Mitglied des Ständigen Ausschusses des Aufsichtsrates der GEW Köln AG, kommentiert gegenüber report-K: „Durch eine Ausschreibung mit qualitativen Vorgaben hätten seriöse Ökostrom-Anbieter, darunter die RheinEnergie aber auch andere regionale beziehungsweise bundesweit operierende Energieversorger eine reale Chance gehabt, in der Ausschreibung erfolgreich zu bestehen. Die erfolgte Ausschreibung war hingegen faktisch auf einen reinen Preiswettbewerb reduziert.“ Frank fordert nicht nur eine bessere Ausschreibung als 2020, sondern auch eine Zusammenführung der Bereiche Liegenschaften, Gebäudewirtschaft und Mobilität, damit solche politischen Versäumnisse in Zukunft vermieden werden. Die Gebäudewirtschaft, die die Verantwortung für die Vorbereitung und Durchführung hat, müsste gerade in politisch sensiblen Ausschreibungen ein wirksameres Controlling erfahren. Und die Ausschreibung für den Lieferzeitraum für den Strom in städtischen Liegenschaften, dürfte sich nicht nur am Preis orientieren. Denn das Ausschreibungsergebnis für die Jahre 2021 bis 2023 kam formalrechtlich einwandfrei zustande.

ag

Hintergrund Ökostrom-Zertifizierung

Es wird immer mehr Ökostrom nachgefragt. Aber wie sicher ist es, dass Kommunen, Unternehmen und Endverbraucher auch wirklich 100 Prozent Ökostrom bekommen und was bedeutet 100 Prozent Ökostrom? 100 Prozent Ökostrom stammt aus Wind- oder Wasserkraftwerken, Biogasanlagen oder Fotovoltaik und damit zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien.

Allerdings gibt es keine rechtsverbindliche Definition des Begriffes „Ökostrom“ und er ist nicht gesetzlich geschützt. Aber es gibt Kriterien, wie: 100 Prozent Ökostrom stammt aus Wind- oder Wasserkraftwerken, Biogasanlagen oder Fotovoltaik. Die Anbieter fördern den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland und sie sind unabhängig gegenüber konventionellen Stromherstellern. Die Anbieter können den Strom aus Erneuerbaren Energien in Form eines Herkunftsnachweisregister dokumentieren und legen dies transparent offen. Aber auch hier lauern Fallen.

Das Umweltbundesamt liefert eine Empfehlung. Wer sicher gehen will, ob das Energieversorgungsunternehmen tatsächlich Strom aus erneuerbaren Energien eingekauft und liefert, der muss bei seinem Stromtarif auf die sogenannte „optionale Koppelung“ achten. Das bedeutet, dass der Energieversorger die Herkunftsnachweise beim Stromproduzenten einkauft, dessen Strom dann an den Endverbraucher geliefert wird. Denn Energieversorger müssen nicht über einen direkten Liefervertrag Strom aus erneuerbaren Erzeugungsanlagen einkaufen. Es gibt durch den Handel mit Herkunftsnachweisen und damit die Möglichkeit einen unabhängigen Handel mit der Strommenge durchzuführen. So wird durch die Abkoppelung des Herkunftsnachweises von der Erzeugung, der Strom als Graustrom ins Netz eingespeist. So kann sogar aus Atom- oder Kohlestrom ein Anbieter aufgrund der Herkunftsnachweise, diesen als Ökostrom bezeichnen.

Das Umweltbundesamt stellt dazu fest, dass der Handel mit Ökostrom-Herkunftsnachweisen an sich noch keinen wirklichen Nutzen für Umwelt und Klima hat.

Zwei Label garantieren Nutzen für die Energiewende

Es gibt zwei Label die für ein Mindestmaß an Nutzen für die Energiewende stehen, das sind die Label „ok-Power“ und „Grüner Strom“. Diese beiden Labels garantieren, dass Anbieter von Ökostrom nicht an Atomkraftwerken, neuen Steinkohle- oder Braunkohlekraftwerken beteiligt sind.

Das „Grüner Strom“-Label gibt es seit 1998 und es gilt als eines der ältesten Ökostrom-Label Deutschlands. Träger des Labels sind verschiedene gemeinnützige Organisationen, darunter der BUND oder der NABU. Bei diesem Label wird darauf geachtet, dass die Nachweise und der bezogene Strom aus ein und derselben Quelle stammt. Die Anbieter werden alle zwei Jahre überprüft. Derzeit sind rund 80 Anbieter zertifiziert.

Das Label „ok-Power“. Hinter diesem stehen der WWF, die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und das Öko-Institut Freiburg gemeinsam mit weiteren Partnern im Verein „Energie Vision“. Das Label wird seit 2016 vergeben. Die rund 80 Anbieter werden durch unabhängige Gutachter geprüft. Das Label erhalten nur Anbieter, die 100 Prozent echten Ökostrom vermarkten, in neue Anlagen und Projekte investieren und die keine Beteiligungen an fossilen Kraftwerken halten.

Andere Label haben teilweise einen geringeren Anspruch.  Es gibt aber auch Ökostrom-Anbieter, die ihren Strom aufgrund der hohen Kosten, die mit der Zertifizierung verbunden sind, nicht labeln lassen. In diesem Fall müssten Kommunen, Unternehmen und Endverbraucher darauf achten, dass der 100 Prozent Ökostrom gekoppelt ist. Das bedeutet, dass der ausgewählte Energieversorger die Herkunftsnachweise direkt beim Stromproduzenten einkauft.